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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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That eine entsprechende Belohnung. Die Ernte scheint indeß mager ausgefallen
zu sein, denn er kam so unzufrieden nach Augsburg zurück, wie er gegangen
war, und machte nun seinem Mißmuthe dadurch Luft, daß er im Kreise seiner
Bekannten eifrig über den Geiz des Unteroffiziers schimpfte und dabei in mehr
oder weniger dunklen Anspielungen kundthat, er wisse etwas von ihm, er könne
manches erzählen, wenn er nur wolle.

Dies allein hätte freilich Bernaner nicht viel geschadet, denn seine Vorge¬
setzten schützten ihn, und es war überdies Grundsatz der Augsburger Behörden,
von Angelegenheiten, welche die Stadt nicht unmittelbar berührten, die Finger
zu lassen. Thörichter Weise aber hatte jener Flüchtling selbst nichts Eiligeres
zu thun gehabt, als stracks in die schwäbische Heimat zurückzufliegen. Am
4. October Abends langte er in Altenmünster an, war am folgenden Morgen be¬
reits entdeckt und arretiert und wurde einige Tage später nach Kaisheim trans¬
portiert. Dort war man begreiflicher Weise sehr unangenehm überrascht, als der
Verbrecher, dessen man sich längst entledigt zu haben glaubte, wie ein falscher
Thaler wieder zurückkehrte. Der Schmerz war um so größer, als man wegen
des bevorstehenden Winters keine Aussicht hatte, ihn so bald noch einmal über
die Alpen zu schaffen. Seine Verpflegung fiel also auf Monate hin dem Fiscus
zur Last.

Der Vorfall wurde selbstverständlich alsbald dem Augsburger Rathe ge¬
meldet, übrigens ohne daß sich die Kaisheimer mit unbescheidener Forderungen
lästig gemacht hätten. Man fühlte wohl, daß eine verhältnißmäßig unbedeu¬
tende Reichsabtei einer großen Reichsstadt nicht beschwerlich werden dürfe, und
sprach demgemäß nur die Bitte aus, der Rath möge den Unteroffizier anhalten,
daß er die für den Transport des Verbrechers erhaltenen 100 Gulden wieder
zurückerstatte, indem man das Uebrige ganz dem freien Ermessen und der be¬
kannten Gerechtigkeitsliebe der Hochedlen und hochweisen Körperschaft überließ.

Der Fall durfte natürlich in Augsburg nicht mit Stillschweigen übergangen
werden, schon des gefälschten Attestes wegen nicht. Der Rath beorderte daher nach
reiflicher Ueberlegung einen der beiden gerade amtierenden Bürgermeister, den
Herren Paulus Amman, eine Untersuchung einzuleiten, und der Bürgermeister
machte sich auch langsam daran, den Auftrag auszuführen. Diesmal hatte man
nicht nöthig, sich besonders zu beeilen. Man hatte ja nicht mit Oesterreich oder
Baiern zu thun, sondern nur mit dem Kloster Kaisheim. Nicht als ob jemand
daran gedacht hätte, dem kleinen Nachbar, den man nicht zu fürchten brauchte,
sein Recht zu verkürzen oder zu verkümmern. Nichts weniger als das. Man
muß es dem Augsburger Patrizierregimente des vorigen Jahrhunderts nach¬
rühmen, daß es im allgemeinen stets nach Kräften bestrebt war, in allen Dingen
Gerechtigkeit und Billigkeit walten zu lassen, nach innen wie nach außen. Leider


That eine entsprechende Belohnung. Die Ernte scheint indeß mager ausgefallen
zu sein, denn er kam so unzufrieden nach Augsburg zurück, wie er gegangen
war, und machte nun seinem Mißmuthe dadurch Luft, daß er im Kreise seiner
Bekannten eifrig über den Geiz des Unteroffiziers schimpfte und dabei in mehr
oder weniger dunklen Anspielungen kundthat, er wisse etwas von ihm, er könne
manches erzählen, wenn er nur wolle.

Dies allein hätte freilich Bernaner nicht viel geschadet, denn seine Vorge¬
setzten schützten ihn, und es war überdies Grundsatz der Augsburger Behörden,
von Angelegenheiten, welche die Stadt nicht unmittelbar berührten, die Finger
zu lassen. Thörichter Weise aber hatte jener Flüchtling selbst nichts Eiligeres
zu thun gehabt, als stracks in die schwäbische Heimat zurückzufliegen. Am
4. October Abends langte er in Altenmünster an, war am folgenden Morgen be¬
reits entdeckt und arretiert und wurde einige Tage später nach Kaisheim trans¬
portiert. Dort war man begreiflicher Weise sehr unangenehm überrascht, als der
Verbrecher, dessen man sich längst entledigt zu haben glaubte, wie ein falscher
Thaler wieder zurückkehrte. Der Schmerz war um so größer, als man wegen
des bevorstehenden Winters keine Aussicht hatte, ihn so bald noch einmal über
die Alpen zu schaffen. Seine Verpflegung fiel also auf Monate hin dem Fiscus
zur Last.

Der Vorfall wurde selbstverständlich alsbald dem Augsburger Rathe ge¬
meldet, übrigens ohne daß sich die Kaisheimer mit unbescheidener Forderungen
lästig gemacht hätten. Man fühlte wohl, daß eine verhältnißmäßig unbedeu¬
tende Reichsabtei einer großen Reichsstadt nicht beschwerlich werden dürfe, und
sprach demgemäß nur die Bitte aus, der Rath möge den Unteroffizier anhalten,
daß er die für den Transport des Verbrechers erhaltenen 100 Gulden wieder
zurückerstatte, indem man das Uebrige ganz dem freien Ermessen und der be¬
kannten Gerechtigkeitsliebe der Hochedlen und hochweisen Körperschaft überließ.

Der Fall durfte natürlich in Augsburg nicht mit Stillschweigen übergangen
werden, schon des gefälschten Attestes wegen nicht. Der Rath beorderte daher nach
reiflicher Ueberlegung einen der beiden gerade amtierenden Bürgermeister, den
Herren Paulus Amman, eine Untersuchung einzuleiten, und der Bürgermeister
machte sich auch langsam daran, den Auftrag auszuführen. Diesmal hatte man
nicht nöthig, sich besonders zu beeilen. Man hatte ja nicht mit Oesterreich oder
Baiern zu thun, sondern nur mit dem Kloster Kaisheim. Nicht als ob jemand
daran gedacht hätte, dem kleinen Nachbar, den man nicht zu fürchten brauchte,
sein Recht zu verkürzen oder zu verkümmern. Nichts weniger als das. Man
muß es dem Augsburger Patrizierregimente des vorigen Jahrhunderts nach¬
rühmen, daß es im allgemeinen stets nach Kräften bestrebt war, in allen Dingen
Gerechtigkeit und Billigkeit walten zu lassen, nach innen wie nach außen. Leider


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/64>, abgerufen am 01.01.2025.