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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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auch heute noch ein so reicher Schatz des Idealismus, der Romantik und der
Gefühlsseligkeit, daß er dem überwuchernden Materialismus, namentlich in der
männlichen Jugend, immer noch die Waage hält. Noch können sich die Künstler,
welche für diejenigen Frauen schaffen, deren Herz noch an den alten Idealen
hängt, nicht beklagen. Man frage nur bei den Verlegern nach, welch' einen
Absatz die Photographien nach den schwärmerisch-süßen Zeichnungen und Bildern
von Beyschlag, Thumann, F. A. Kaulbach, Pixis u. a. gefunden haben. Freilich
muß der materielle Erfolg meist für den künstlerischen entschädigen. Auch der¬
jenige, welcher die Bestrebungen dieser Maler, die Träume des weiblichen Ge¬
müths zu verwirklichen, nicht mit spöttischen Blicken betrachtet, muß befürchten, daß
sie ihre Zeit nicht lange überdauern werden. Ihre Ideale sind nicht die ewig
giltigen, sondern die Ideale ihrer Zeit. Um ihren augenblicklichen Erfolg zu
sichern, folgen sie dem Geschmacke des Tages, und darum müssen sie sich zum
mindesten auch deu Namen der "Modemaler" gefallen lassen, um nicht einen
schlimmern zu hören.

Arthur von Ramberg (1815---1875) hat diesen Salon- oder Modemalern
die Wege gewiesen, wenngleich er selbst ihnen nicht beizuzählen ist. In seiner
reifsten und vollendetsten Schöpfung, dem Cyklus von Illustrationen zu Goethes
"Hermann und Dorothea", war er nach Kräften bemüht, den romantischen Zug
seines Wesens durch die ruhige und edle Elasticität des Gedichts zu verklären,
und wenn auch das Romantische und das Classische nicht ganz ausgeglichen ist,
so darf er doch den Ruhm beanspruchen, von allen Illustratoren dem Geiste
des Gedichts am nächsten gekommen zu sein. Sein echt poetisches Empfinden,
welches sich in seiner Gesundheit weit über die schwächliche Sentimentalität der
neuesten Salonmaler erhebt, kam ihm dabei wesentlich zu Statten, während ihm
auf der andern Seite seine Eleganz schadete. Wo nur die letztere das Wort
führt, ist auch Ramberg der Gefahr ausgesetzt, vorzeitig aus der Mode zu kommen.
So sehen z. B. die "Begegnung am See" und die "Einladung zur Kahnfahrt",
zwei Idyllen voll Reiz und Anmuth, schon heute recht altmodisch aus, vielleicht
nur wegen der Tracht der Figuren, die bei dem rapiden Wechsel des modernen
Geschmacks schon nach zehn Jahren einen Anstrich des Lächerlichen hat. Viel¬
leicht kommt aber noch eine Zeit, in der eine Generation erwächst, welche die
Carricaturen unserer Mode für "stilvoll" hält, und dann wird man Arthur von
Ramberg so hoch in Ehren halten wie Netscher und Terborch, deren malerische
Art er gelegentlich copierte.

Eine Schule hat Rcunberg nicht gebildet, da sich das, was ihn vor allen
gleichzeitigen Münchnern auszeichnete, Stärke und Wahrheit der Empfindung
und ein poetisches Gemüth, uicht gut übertragen läßt. In directem Schulver¬
hältniß zu Ramberg haben von namhaften Münchener Malern nur Albert Keller


auch heute noch ein so reicher Schatz des Idealismus, der Romantik und der
Gefühlsseligkeit, daß er dem überwuchernden Materialismus, namentlich in der
männlichen Jugend, immer noch die Waage hält. Noch können sich die Künstler,
welche für diejenigen Frauen schaffen, deren Herz noch an den alten Idealen
hängt, nicht beklagen. Man frage nur bei den Verlegern nach, welch' einen
Absatz die Photographien nach den schwärmerisch-süßen Zeichnungen und Bildern
von Beyschlag, Thumann, F. A. Kaulbach, Pixis u. a. gefunden haben. Freilich
muß der materielle Erfolg meist für den künstlerischen entschädigen. Auch der¬
jenige, welcher die Bestrebungen dieser Maler, die Träume des weiblichen Ge¬
müths zu verwirklichen, nicht mit spöttischen Blicken betrachtet, muß befürchten, daß
sie ihre Zeit nicht lange überdauern werden. Ihre Ideale sind nicht die ewig
giltigen, sondern die Ideale ihrer Zeit. Um ihren augenblicklichen Erfolg zu
sichern, folgen sie dem Geschmacke des Tages, und darum müssen sie sich zum
mindesten auch deu Namen der „Modemaler" gefallen lassen, um nicht einen
schlimmern zu hören.

Arthur von Ramberg (1815-—1875) hat diesen Salon- oder Modemalern
die Wege gewiesen, wenngleich er selbst ihnen nicht beizuzählen ist. In seiner
reifsten und vollendetsten Schöpfung, dem Cyklus von Illustrationen zu Goethes
„Hermann und Dorothea", war er nach Kräften bemüht, den romantischen Zug
seines Wesens durch die ruhige und edle Elasticität des Gedichts zu verklären,
und wenn auch das Romantische und das Classische nicht ganz ausgeglichen ist,
so darf er doch den Ruhm beanspruchen, von allen Illustratoren dem Geiste
des Gedichts am nächsten gekommen zu sein. Sein echt poetisches Empfinden,
welches sich in seiner Gesundheit weit über die schwächliche Sentimentalität der
neuesten Salonmaler erhebt, kam ihm dabei wesentlich zu Statten, während ihm
auf der andern Seite seine Eleganz schadete. Wo nur die letztere das Wort
führt, ist auch Ramberg der Gefahr ausgesetzt, vorzeitig aus der Mode zu kommen.
So sehen z. B. die „Begegnung am See" und die „Einladung zur Kahnfahrt",
zwei Idyllen voll Reiz und Anmuth, schon heute recht altmodisch aus, vielleicht
nur wegen der Tracht der Figuren, die bei dem rapiden Wechsel des modernen
Geschmacks schon nach zehn Jahren einen Anstrich des Lächerlichen hat. Viel¬
leicht kommt aber noch eine Zeit, in der eine Generation erwächst, welche die
Carricaturen unserer Mode für „stilvoll" hält, und dann wird man Arthur von
Ramberg so hoch in Ehren halten wie Netscher und Terborch, deren malerische
Art er gelegentlich copierte.

Eine Schule hat Rcunberg nicht gebildet, da sich das, was ihn vor allen
gleichzeitigen Münchnern auszeichnete, Stärke und Wahrheit der Empfindung
und ein poetisches Gemüth, uicht gut übertragen läßt. In directem Schulver¬
hältniß zu Ramberg haben von namhaften Münchener Malern nur Albert Keller


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/553>, abgerufen am 28.12.2024.