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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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es Gneisenau ist, der Blücher zuspricht und ihn aufzuheitern sucht. Wenn einer,
so hatte wohl Gneisenau die Fähigkeit des Befehls, denn darin stimmen alle
überein, daß der Eindruck von Gneisenaus Persönlichkeit ein bedeutender war.
Erfolgreich hatte er ein selbständiges Commando in Colberg geführt. Bei klei¬
neren Gelegenheiten führte er gern die Truppen selbst, und welches stolze Ge¬
fühl beseelte ihn, als er an der Spitze der verfolgenden Truppen nach der
Schlacht von Belle Alliance die Franzosen unermüdlich durch die Nacht hin¬
durch jagte. Mehr als einmal hat er es seinen Vertrauten gegenüber ausge¬
sprochen, daß nicht die strategische Ueberlegung, sondern die Führung der Truppen
seine Aufgabe sei, und geklagt, daß er dein Heere so gut wie unbekannt sei. Sein
Herz dürstete nach dem Ruhme, den das selbständige Commando allein dem
glücklichen Sieger verleiht, aber er mußte sich mit der geringer erscheinenden
Stelle begnügen, zu der ihn der Wille seines Monarchen berufen hatte. Daß
er sich des Opfers, das er damit brachte, im vollsten Umfange bewußt war und
trotzdem mit der größten Hingabe und dem feinsten Tacte die schweren Pflichten
seiner Stellung erfüllte, läßt ihn uns um so bewundernswerther erscheinen. Und
schwer genug mußte sein Amt ihm wohl oft werden. Ehrte und verehrte er
auch den greisen Helden, dessen Arm er lenkte, so stimmten doch Blüchers Nei¬
gungen und Geselligkeiten so wenig mit der "Goethischen Haltung" Gneisenaus
überein, daß ein enges, herzliches EinVerständniß unmöglich war. Es soll hier¬
durch Blüchers Ruhm nicht beeinträchtigt werden. "Blücher nahm Gneisenaus
Rath in sich auf als Geist von seinem Geiste, focht ihn durch mit der ganzen
Gewalt seiner Persönlichkeit gegen die tausend widerstrebenden Mächte der viel¬
verschlungenen Coalition, erzwang durch Erweckung, Beispiel und Befehl von
Unterbefehlshabern und Soldaten das Aeußerste der Anstrengung und das
Höchste der Tapferkeit und ging voran in der Kühnheit des Wollens und Wagens,
ohne welche der kühne Rath nicht nur erfolglos bleibt, sondern überhaupt gar
nicht geboren wird."

Wir haben diese Charakteristik des Verhältnisses, in welchem Gneisenau zu
Blücher stand, vorausgeschickt, denn dasselbe ist für die Geschichte der Kriege
von 1814 und 1815 von höchster Bedeutung. Welche entscheidende Rolle die
schlesische Armee in jenen Feldzügen gespielt hat, ist bekannt. Erwägen wir
nun, daß sie auf Gneisenaus Rath geführt wurde, so ist es verständlich, wenn
Delbrück ans Schritt und Tritt den Operationen dieses Heeres folgt und sie
einer genauen Prüfung unterzieht. Der Geist, der aus ihnen spricht, ist eben
der Geist Gneisenaus, und in der Darstellung der Siege der schlesischen Armee
wird ihm zugleich das beste Denkmal gesetzt.

Für uns soll es sich hier nicht darum handeln, ein Bild von den kriegeri¬
schen Bewegungen jener Jahre auf Grund des zum Theil zum ersten Male


es Gneisenau ist, der Blücher zuspricht und ihn aufzuheitern sucht. Wenn einer,
so hatte wohl Gneisenau die Fähigkeit des Befehls, denn darin stimmen alle
überein, daß der Eindruck von Gneisenaus Persönlichkeit ein bedeutender war.
Erfolgreich hatte er ein selbständiges Commando in Colberg geführt. Bei klei¬
neren Gelegenheiten führte er gern die Truppen selbst, und welches stolze Ge¬
fühl beseelte ihn, als er an der Spitze der verfolgenden Truppen nach der
Schlacht von Belle Alliance die Franzosen unermüdlich durch die Nacht hin¬
durch jagte. Mehr als einmal hat er es seinen Vertrauten gegenüber ausge¬
sprochen, daß nicht die strategische Ueberlegung, sondern die Führung der Truppen
seine Aufgabe sei, und geklagt, daß er dein Heere so gut wie unbekannt sei. Sein
Herz dürstete nach dem Ruhme, den das selbständige Commando allein dem
glücklichen Sieger verleiht, aber er mußte sich mit der geringer erscheinenden
Stelle begnügen, zu der ihn der Wille seines Monarchen berufen hatte. Daß
er sich des Opfers, das er damit brachte, im vollsten Umfange bewußt war und
trotzdem mit der größten Hingabe und dem feinsten Tacte die schweren Pflichten
seiner Stellung erfüllte, läßt ihn uns um so bewundernswerther erscheinen. Und
schwer genug mußte sein Amt ihm wohl oft werden. Ehrte und verehrte er
auch den greisen Helden, dessen Arm er lenkte, so stimmten doch Blüchers Nei¬
gungen und Geselligkeiten so wenig mit der „Goethischen Haltung" Gneisenaus
überein, daß ein enges, herzliches EinVerständniß unmöglich war. Es soll hier¬
durch Blüchers Ruhm nicht beeinträchtigt werden. „Blücher nahm Gneisenaus
Rath in sich auf als Geist von seinem Geiste, focht ihn durch mit der ganzen
Gewalt seiner Persönlichkeit gegen die tausend widerstrebenden Mächte der viel¬
verschlungenen Coalition, erzwang durch Erweckung, Beispiel und Befehl von
Unterbefehlshabern und Soldaten das Aeußerste der Anstrengung und das
Höchste der Tapferkeit und ging voran in der Kühnheit des Wollens und Wagens,
ohne welche der kühne Rath nicht nur erfolglos bleibt, sondern überhaupt gar
nicht geboren wird."

Wir haben diese Charakteristik des Verhältnisses, in welchem Gneisenau zu
Blücher stand, vorausgeschickt, denn dasselbe ist für die Geschichte der Kriege
von 1814 und 1815 von höchster Bedeutung. Welche entscheidende Rolle die
schlesische Armee in jenen Feldzügen gespielt hat, ist bekannt. Erwägen wir
nun, daß sie auf Gneisenaus Rath geführt wurde, so ist es verständlich, wenn
Delbrück ans Schritt und Tritt den Operationen dieses Heeres folgt und sie
einer genauen Prüfung unterzieht. Der Geist, der aus ihnen spricht, ist eben
der Geist Gneisenaus, und in der Darstellung der Siege der schlesischen Armee
wird ihm zugleich das beste Denkmal gesetzt.

Für uns soll es sich hier nicht darum handeln, ein Bild von den kriegeri¬
schen Bewegungen jener Jahre auf Grund des zum Theil zum ersten Male


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/51>, abgerufen am 29.12.2024.