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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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nutzbringenden, so doch unpatriotischen Politik der Negierung hervorgetreten seien,
fährt er fort: "Auch Wrede wurde von dieser Bewegung und den Plänen der
deutschen Partei unterrichtet, empfing auf seinem Gute Mondsee zu wiederholten
Malen Besuche von deutsch-gesinnten Männern, ja wir dürfen schließen, daß er
ihre Ideen mit Begeisterung aufnahm und wenigstens im Innern sich jetzt schon
ihnen völlig zuwandte." Einen Beweis dasür bringt der Verfasser aber nicht
bei. Auch nicht ein Wort in Wredes Correspondenz bestätigt diese Erweckung
patriotischen Sinnes. Vielmehr trieb ihn die Ungnade, in welche er seit Be¬
ginn des russischen Feldzuges beim Kaiser fiel, in die Reihe der Gegner.

Als Deroh fiel, erhielt er nicht den Großadler der Ehrenlegion. Bei Er¬
wähnung dieser Thatsache sieht sich Hellmann selbst genöthigt, den Zusatz zu
machen: "Es entbrannte über diese kränkende Zurücksetzung und, wie er glaubte,
absichtliche Verletzung seiner militärischen Ehre heißer Groll gegen den Kaiser
in der Brust des energischen Mannes. Wie aus den gleichzeitigen Aufzeich¬
nungen eines in die Verhältnisse vollkommen Eingeweihten hervorgeht, ist diese
Thatsache unbestreitbare Ursache zu der Verbitterung gewesen, die bei Wrede
seit dein Jahre 1812 gegen die französische Allianz mehr und mehr in den
Vordergrund trat. Unklug war es von Napoleon jedenfalls, einen beim Könige
Maximilian Josef von Baiern so einflußreichen Mann vor den Kopf zu stoßen,
einen Mann, dessen Ehrgeiz und Leidenschaftlichkeit ihm aus wiederholten Be¬
gegnungen sowohl während früherer Feldzüge als auch zu Fontainebleau 1811
vollkommen bekannt war." Damit fällt wohl alles, was Hellmann von seines
Helden Begeisterung für Deutschlands Befreiung sagt.

Ausführlich behandelt der Verfasser den Vertrag zu Ried, in welchem
Baiern seine von Napoleon erhaltenen Besitzungen im Reiche mit geringen
Ausnahmen behielt. Wredes Antheil an demselben wird hier zum ersten Male
in seiner ganzen Bedeutung dargelegt. Es ist der Verdacht ausgesprochen
worden, daß Wrede deu Uebertritt Baierns in das Lager der Verbündeten aus
Besorgniß für seine österreichischen Güter, die er als französischer Graf und
Vasall erhielt, und deren Verlust er befürchten mußte, beschleunigt habe. Der
Verfasser kaun solche Motive nicht gänzlich leugnen, bezweifelt aber, daß sie
allein den Fürsten leiteten. Wenn man bedenkt, daß Wrede, als er jene Güter
bekam, sich so sehr als französischer Vasall fühlte, daß er sich über gerechte
Forderungen der bairischen Regierung, zu deren Gebiete sie damals gehörten,
in Paris in einer Weise beklagte, daß er mit dem bairischen Gesandten in Con¬
flict gerieth, so wird man nicht ungerecht urtheile", wenn man annimmt, daß
der Besitz Wredes eine größere Rolle bei seiner politischen Thätigkeit spielte,
als uns sein Biograph glauben machen will.

Am wenigsten haben uns in dem trefflichen Werke die Stellen zugesagt


nutzbringenden, so doch unpatriotischen Politik der Negierung hervorgetreten seien,
fährt er fort: „Auch Wrede wurde von dieser Bewegung und den Plänen der
deutschen Partei unterrichtet, empfing auf seinem Gute Mondsee zu wiederholten
Malen Besuche von deutsch-gesinnten Männern, ja wir dürfen schließen, daß er
ihre Ideen mit Begeisterung aufnahm und wenigstens im Innern sich jetzt schon
ihnen völlig zuwandte." Einen Beweis dasür bringt der Verfasser aber nicht
bei. Auch nicht ein Wort in Wredes Correspondenz bestätigt diese Erweckung
patriotischen Sinnes. Vielmehr trieb ihn die Ungnade, in welche er seit Be¬
ginn des russischen Feldzuges beim Kaiser fiel, in die Reihe der Gegner.

Als Deroh fiel, erhielt er nicht den Großadler der Ehrenlegion. Bei Er¬
wähnung dieser Thatsache sieht sich Hellmann selbst genöthigt, den Zusatz zu
machen: „Es entbrannte über diese kränkende Zurücksetzung und, wie er glaubte,
absichtliche Verletzung seiner militärischen Ehre heißer Groll gegen den Kaiser
in der Brust des energischen Mannes. Wie aus den gleichzeitigen Aufzeich¬
nungen eines in die Verhältnisse vollkommen Eingeweihten hervorgeht, ist diese
Thatsache unbestreitbare Ursache zu der Verbitterung gewesen, die bei Wrede
seit dein Jahre 1812 gegen die französische Allianz mehr und mehr in den
Vordergrund trat. Unklug war es von Napoleon jedenfalls, einen beim Könige
Maximilian Josef von Baiern so einflußreichen Mann vor den Kopf zu stoßen,
einen Mann, dessen Ehrgeiz und Leidenschaftlichkeit ihm aus wiederholten Be¬
gegnungen sowohl während früherer Feldzüge als auch zu Fontainebleau 1811
vollkommen bekannt war." Damit fällt wohl alles, was Hellmann von seines
Helden Begeisterung für Deutschlands Befreiung sagt.

Ausführlich behandelt der Verfasser den Vertrag zu Ried, in welchem
Baiern seine von Napoleon erhaltenen Besitzungen im Reiche mit geringen
Ausnahmen behielt. Wredes Antheil an demselben wird hier zum ersten Male
in seiner ganzen Bedeutung dargelegt. Es ist der Verdacht ausgesprochen
worden, daß Wrede deu Uebertritt Baierns in das Lager der Verbündeten aus
Besorgniß für seine österreichischen Güter, die er als französischer Graf und
Vasall erhielt, und deren Verlust er befürchten mußte, beschleunigt habe. Der
Verfasser kaun solche Motive nicht gänzlich leugnen, bezweifelt aber, daß sie
allein den Fürsten leiteten. Wenn man bedenkt, daß Wrede, als er jene Güter
bekam, sich so sehr als französischer Vasall fühlte, daß er sich über gerechte
Forderungen der bairischen Regierung, zu deren Gebiete sie damals gehörten,
in Paris in einer Weise beklagte, daß er mit dem bairischen Gesandten in Con¬
flict gerieth, so wird man nicht ungerecht urtheile», wenn man annimmt, daß
der Besitz Wredes eine größere Rolle bei seiner politischen Thätigkeit spielte,
als uns sein Biograph glauben machen will.

Am wenigsten haben uns in dem trefflichen Werke die Stellen zugesagt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/504>, abgerufen am 28.12.2024.