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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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an die Frage heran, wie sich das Haftpflichtgesetz zu einer solchen allgemeinen
Arbeiterversicherung verhalten wird. Das Haftpflichtgesetz braucht nicht mit
dieser Organisation verquickt zu werden. Dieselbe ist Veranlassung einerseits
die Wohlthaten des Gesetzes auf die andern, bisher nicht von ihm umfaßten
Gewerbe auszudehnen, andrerseits die bisherigen Nachtheile, Processe und unge¬
rechte Ansprüche, zu mildern. Dazu bedarf es einer Abänderung des bestehenden
Haftpflichtgesetzes dahin, daß erst bei einem dnrch eine Thatsache nachweisbaren
Verschulden des Arbeitgebers ?e. Haftpflicht begründet wird, und das Verschulden
nicht von dem bloßen Ermessen des Richters abhängig bleibt. In einem solchen
Falle würde die betreffende Obertasse, wie früher ausgeführt worden ist, den
Regreß gegen den schuldigen Arbeitgeber haben. Die Haftpflichtproeesse redu-
eieren sich demnach im wesentlichen auf Regreßprocesse der Obertassen gegen
den Unternehmer wegen fahrlässigen :e. Verschuldens. Der Arbeiter wird kaun?
noch den Prvceßweg zu beschreiben brauchen, da er auf jeden Fall eine Ent¬
schädigung erhält, und die Frage, ob Verschuldung oder nicht Verschuldung vor¬
liegt, nunmehr für ihn ganz untergeordnet ist. Somit ist erreicht, was wir
erreichen wollten, daß nämlich der Arbeiter in Zukunft aus dem Streite der
Processe bleibt. Der Vorstand der Localkasse, aus deren Guthaben bei der
Obertasse der Unfall zu begleichen ist, wird nicht wie die Unfallversicherungen,
sei es aus Unkenntniß oder aus Gewinnrücksichten, dem Arbeiter Unbilliges zu-
muthen, noch wird dieser leicht übertriebene Forderungen stellen, wenigstens
wird er dafür im Kreise seiner Berufsgenossen keine Unterstützung finden, wie
dies früher stets der Fall war. Eine Einigung wird fast immer zu ermöglichen
sein, andernfalls ist der Arbeiter an das Gewerbeschiedsgericht zu verweisen.

Der vorgeschlagenen Einschränkung des Haftpflichtgesetzes entspricht ans der
andern Seite eine Erweiterung desselben. Dasselbe muß allmählich auf alle
gewerblichen Unternehmungen, also auch auf die Landwirthschaft, auf alle Bau¬
gewerbe, ja selbst auf den Handel und auf alle Trausportgewerbe ausgedehnt
werden. Das bisherige Gesetz belastet einzelne Gewerbe in ungleicher Weise
und führt daher zu Ungerechtigkeiten. Wenn nach einem Beispiele, das der ge¬
werblichen Zeitschrift entlehnt ist, beim Aufziehen eines Baumwollenballens das
Seil bricht und ein Arbeiter erschlagen wird - die Umstände erlauben die
Annahme, das Seil sei möglicherweise unzuverlässig gewesen --, so ist der Unter¬
nehmer haftpflichtig, wenn er Spinnereibesitzer ist; ist er aber Schiffer, Spedi¬
teur, Baumwvllenhandler, so hat der Geschädigte oder dessen Hinterbliebenen nur
Anspruch auf Unterstützung aus der Ortsarmenkasse. Die Beiträge zu dieser
sind für Spinner, Händler, Rheder gleichmäßig; ungleichmäßig ist allein für
den Spinner die Verantwortlichkeit, deren Zuschiebung im Zweifelsfalle in wei-
testgehender Weise nach Z 6 des Haftpflichtgesetzes dem Ermessen des Richters


an die Frage heran, wie sich das Haftpflichtgesetz zu einer solchen allgemeinen
Arbeiterversicherung verhalten wird. Das Haftpflichtgesetz braucht nicht mit
dieser Organisation verquickt zu werden. Dieselbe ist Veranlassung einerseits
die Wohlthaten des Gesetzes auf die andern, bisher nicht von ihm umfaßten
Gewerbe auszudehnen, andrerseits die bisherigen Nachtheile, Processe und unge¬
rechte Ansprüche, zu mildern. Dazu bedarf es einer Abänderung des bestehenden
Haftpflichtgesetzes dahin, daß erst bei einem dnrch eine Thatsache nachweisbaren
Verschulden des Arbeitgebers ?e. Haftpflicht begründet wird, und das Verschulden
nicht von dem bloßen Ermessen des Richters abhängig bleibt. In einem solchen
Falle würde die betreffende Obertasse, wie früher ausgeführt worden ist, den
Regreß gegen den schuldigen Arbeitgeber haben. Die Haftpflichtproeesse redu-
eieren sich demnach im wesentlichen auf Regreßprocesse der Obertassen gegen
den Unternehmer wegen fahrlässigen :e. Verschuldens. Der Arbeiter wird kaun?
noch den Prvceßweg zu beschreiben brauchen, da er auf jeden Fall eine Ent¬
schädigung erhält, und die Frage, ob Verschuldung oder nicht Verschuldung vor¬
liegt, nunmehr für ihn ganz untergeordnet ist. Somit ist erreicht, was wir
erreichen wollten, daß nämlich der Arbeiter in Zukunft aus dem Streite der
Processe bleibt. Der Vorstand der Localkasse, aus deren Guthaben bei der
Obertasse der Unfall zu begleichen ist, wird nicht wie die Unfallversicherungen,
sei es aus Unkenntniß oder aus Gewinnrücksichten, dem Arbeiter Unbilliges zu-
muthen, noch wird dieser leicht übertriebene Forderungen stellen, wenigstens
wird er dafür im Kreise seiner Berufsgenossen keine Unterstützung finden, wie
dies früher stets der Fall war. Eine Einigung wird fast immer zu ermöglichen
sein, andernfalls ist der Arbeiter an das Gewerbeschiedsgericht zu verweisen.

Der vorgeschlagenen Einschränkung des Haftpflichtgesetzes entspricht ans der
andern Seite eine Erweiterung desselben. Dasselbe muß allmählich auf alle
gewerblichen Unternehmungen, also auch auf die Landwirthschaft, auf alle Bau¬
gewerbe, ja selbst auf den Handel und auf alle Trausportgewerbe ausgedehnt
werden. Das bisherige Gesetz belastet einzelne Gewerbe in ungleicher Weise
und führt daher zu Ungerechtigkeiten. Wenn nach einem Beispiele, das der ge¬
werblichen Zeitschrift entlehnt ist, beim Aufziehen eines Baumwollenballens das
Seil bricht und ein Arbeiter erschlagen wird - die Umstände erlauben die
Annahme, das Seil sei möglicherweise unzuverlässig gewesen —, so ist der Unter¬
nehmer haftpflichtig, wenn er Spinnereibesitzer ist; ist er aber Schiffer, Spedi¬
teur, Baumwvllenhandler, so hat der Geschädigte oder dessen Hinterbliebenen nur
Anspruch auf Unterstützung aus der Ortsarmenkasse. Die Beiträge zu dieser
sind für Spinner, Händler, Rheder gleichmäßig; ungleichmäßig ist allein für
den Spinner die Verantwortlichkeit, deren Zuschiebung im Zweifelsfalle in wei-
testgehender Weise nach Z 6 des Haftpflichtgesetzes dem Ermessen des Richters


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[0359] an die Frage heran, wie sich das Haftpflichtgesetz zu einer solchen allgemeinen Arbeiterversicherung verhalten wird. Das Haftpflichtgesetz braucht nicht mit dieser Organisation verquickt zu werden. Dieselbe ist Veranlassung einerseits die Wohlthaten des Gesetzes auf die andern, bisher nicht von ihm umfaßten Gewerbe auszudehnen, andrerseits die bisherigen Nachtheile, Processe und unge¬ rechte Ansprüche, zu mildern. Dazu bedarf es einer Abänderung des bestehenden Haftpflichtgesetzes dahin, daß erst bei einem dnrch eine Thatsache nachweisbaren Verschulden des Arbeitgebers ?e. Haftpflicht begründet wird, und das Verschulden nicht von dem bloßen Ermessen des Richters abhängig bleibt. In einem solchen Falle würde die betreffende Obertasse, wie früher ausgeführt worden ist, den Regreß gegen den schuldigen Arbeitgeber haben. Die Haftpflichtproeesse redu- eieren sich demnach im wesentlichen auf Regreßprocesse der Obertassen gegen den Unternehmer wegen fahrlässigen :e. Verschuldens. Der Arbeiter wird kaun? noch den Prvceßweg zu beschreiben brauchen, da er auf jeden Fall eine Ent¬ schädigung erhält, und die Frage, ob Verschuldung oder nicht Verschuldung vor¬ liegt, nunmehr für ihn ganz untergeordnet ist. Somit ist erreicht, was wir erreichen wollten, daß nämlich der Arbeiter in Zukunft aus dem Streite der Processe bleibt. Der Vorstand der Localkasse, aus deren Guthaben bei der Obertasse der Unfall zu begleichen ist, wird nicht wie die Unfallversicherungen, sei es aus Unkenntniß oder aus Gewinnrücksichten, dem Arbeiter Unbilliges zu- muthen, noch wird dieser leicht übertriebene Forderungen stellen, wenigstens wird er dafür im Kreise seiner Berufsgenossen keine Unterstützung finden, wie dies früher stets der Fall war. Eine Einigung wird fast immer zu ermöglichen sein, andernfalls ist der Arbeiter an das Gewerbeschiedsgericht zu verweisen. Der vorgeschlagenen Einschränkung des Haftpflichtgesetzes entspricht ans der andern Seite eine Erweiterung desselben. Dasselbe muß allmählich auf alle gewerblichen Unternehmungen, also auch auf die Landwirthschaft, auf alle Bau¬ gewerbe, ja selbst auf den Handel und auf alle Trausportgewerbe ausgedehnt werden. Das bisherige Gesetz belastet einzelne Gewerbe in ungleicher Weise und führt daher zu Ungerechtigkeiten. Wenn nach einem Beispiele, das der ge¬ werblichen Zeitschrift entlehnt ist, beim Aufziehen eines Baumwollenballens das Seil bricht und ein Arbeiter erschlagen wird - die Umstände erlauben die Annahme, das Seil sei möglicherweise unzuverlässig gewesen —, so ist der Unter¬ nehmer haftpflichtig, wenn er Spinnereibesitzer ist; ist er aber Schiffer, Spedi¬ teur, Baumwvllenhandler, so hat der Geschädigte oder dessen Hinterbliebenen nur Anspruch auf Unterstützung aus der Ortsarmenkasse. Die Beiträge zu dieser sind für Spinner, Händler, Rheder gleichmäßig; ungleichmäßig ist allein für den Spinner die Verantwortlichkeit, deren Zuschiebung im Zweifelsfalle in wei- testgehender Weise nach Z 6 des Haftpflichtgesetzes dem Ermessen des Richters

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/359>, abgerufen am 29.12.2024.