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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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trägt der Arbeiter etwa 14 Mark, der Arbeitgeber etwa 12 Mark für den Kopf
zur Gesammteinnahme der Kasse bei, welche daher in Wirklichkeit mit etwa
26 Mark fundiert ist. Die Ausgaben für Invaliden- und Wittwenpensionen
stellen sich auf 137 348,08 Mark oder auf 11,82 Mark für jedes Mitglied.
Bei aller Anerkennung, besonders der frühern Leistungen der Knappschaftskassen,
kann man nicht sagen, daß sie allen Anforderungen genügen. Für eigentliche
Unfälle ergiebt die Essener Kasse eine Leistung von 870 Mark; dazu kann man
allerdings den fünften Posten, "Außerordentliche Unterstützungen", mit 11585,40
Mark, also im ganzen etwa 12000 Mark rechnen, was 1 Mark sür den Kopf
ausmacht. Dies ist völlig unzureichend, abgesehen davon, daß die Ent¬
wicklung des Maschinenwesens die Zahl der Unfälle stets vermehrt hat. Auch
bezüglich der Jnvalidengelder, der Altersversorgung und der Wittwenpensionen
sind die vorstehenden Ausgaben in den meisten Fällen, zumal unter Zugrunde¬
legung eines Dreiklassensystems, kaum genügend. Wenn man aber von den
allgemeinen Principien zum Wohle der Arbeiter ausgeht, die wir im Sinne einer
gründlichen Abhilfe ausgesprochen haben, so erscheinen der beiden wichtigsten
Abtheilungen, Altersversorgung und Wittwenpension, in ihrer Dotierung bei den
Knappschaftskassen nur als ein Nothbehelf. Denn die Unsicherheit der Existenz
ist es, welche demoralisierend auf den Arbeiter wirkt, welche ihm die moralische
Kraft zur Vorsorge und zum Sparsinn, die Anhänglichkeit an die Familie und
an das Gemeinwesen raubt, sie ist es, die der sittlichen und geistigen Hebung
der Arbeiterklasse hemmend in den Weg tritt. Diese Hauptursache der Unzu¬
friedenheit aus dem Leben der Arbeiter zu entfernen, ist die Hauptaufgabe
unsrer Zeit.

Wenn auch keine alles umfassende Versicherung, sondern nur eine solche
gegen Erwerbsunfähigkeit durch Krankheit, Unfall (nichthaftpflichtig) oder Alter
wird in einem interessanten Vertrage behandelt, den ein Mühlenbesitzer in Arn-
stadt Namens Woltersdorf mit der Magdeburger Allgemeinen Versicherungs¬
gesellschaft abgeschlossen hat. Danach erhalten die Arbeiter vom 65. Lebensjahre
ab, gleichviel ob noch arbeitsfähig oder nicht, eine lebenlängliche Rente von
450 Mark, und ebenso viel, wenn sie durch Krankheit oder nicht unter das
Haftpflichtgesetz fallende Unfälle invalid geworden sind. Die für diese Rente
zu zahlenden Prämien betragen bei einem Eintritts alter von

20 Jahren jährlich 30 Mark 42 Pf.
30 " ., 48 ,. 6 "
40 ,. ., 87 ., 48 "
50 " 212 " 94

Die Hälfte der Prämien zahlt der Fabrikherr, für die ältern Jahrgänge sogar
drei Viertel des Versicherungsbetrages. Dabei beläuft sich bei einem Durch-


trägt der Arbeiter etwa 14 Mark, der Arbeitgeber etwa 12 Mark für den Kopf
zur Gesammteinnahme der Kasse bei, welche daher in Wirklichkeit mit etwa
26 Mark fundiert ist. Die Ausgaben für Invaliden- und Wittwenpensionen
stellen sich auf 137 348,08 Mark oder auf 11,82 Mark für jedes Mitglied.
Bei aller Anerkennung, besonders der frühern Leistungen der Knappschaftskassen,
kann man nicht sagen, daß sie allen Anforderungen genügen. Für eigentliche
Unfälle ergiebt die Essener Kasse eine Leistung von 870 Mark; dazu kann man
allerdings den fünften Posten, „Außerordentliche Unterstützungen", mit 11585,40
Mark, also im ganzen etwa 12000 Mark rechnen, was 1 Mark sür den Kopf
ausmacht. Dies ist völlig unzureichend, abgesehen davon, daß die Ent¬
wicklung des Maschinenwesens die Zahl der Unfälle stets vermehrt hat. Auch
bezüglich der Jnvalidengelder, der Altersversorgung und der Wittwenpensionen
sind die vorstehenden Ausgaben in den meisten Fällen, zumal unter Zugrunde¬
legung eines Dreiklassensystems, kaum genügend. Wenn man aber von den
allgemeinen Principien zum Wohle der Arbeiter ausgeht, die wir im Sinne einer
gründlichen Abhilfe ausgesprochen haben, so erscheinen der beiden wichtigsten
Abtheilungen, Altersversorgung und Wittwenpension, in ihrer Dotierung bei den
Knappschaftskassen nur als ein Nothbehelf. Denn die Unsicherheit der Existenz
ist es, welche demoralisierend auf den Arbeiter wirkt, welche ihm die moralische
Kraft zur Vorsorge und zum Sparsinn, die Anhänglichkeit an die Familie und
an das Gemeinwesen raubt, sie ist es, die der sittlichen und geistigen Hebung
der Arbeiterklasse hemmend in den Weg tritt. Diese Hauptursache der Unzu¬
friedenheit aus dem Leben der Arbeiter zu entfernen, ist die Hauptaufgabe
unsrer Zeit.

Wenn auch keine alles umfassende Versicherung, sondern nur eine solche
gegen Erwerbsunfähigkeit durch Krankheit, Unfall (nichthaftpflichtig) oder Alter
wird in einem interessanten Vertrage behandelt, den ein Mühlenbesitzer in Arn-
stadt Namens Woltersdorf mit der Magdeburger Allgemeinen Versicherungs¬
gesellschaft abgeschlossen hat. Danach erhalten die Arbeiter vom 65. Lebensjahre
ab, gleichviel ob noch arbeitsfähig oder nicht, eine lebenlängliche Rente von
450 Mark, und ebenso viel, wenn sie durch Krankheit oder nicht unter das
Haftpflichtgesetz fallende Unfälle invalid geworden sind. Die für diese Rente
zu zahlenden Prämien betragen bei einem Eintritts alter von

20 Jahren jährlich 30 Mark 42 Pf.
30 „ ., 48 ,. 6 „
40 ,. ., 87 ., 48 „
50 „ 212 „ 94

Die Hälfte der Prämien zahlt der Fabrikherr, für die ältern Jahrgänge sogar
drei Viertel des Versicherungsbetrages. Dabei beläuft sich bei einem Durch-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/326>, abgerufen am 29.12.2024.