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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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ihres Glaubens. Wäre ein Culturkampf unstatthaft gegen eine geschlossene
Körperschaft, die weit mehr als jener Orden außerhalb der uns eignen obersten
Grundsätze des Volkslebens sich hält? Bei den Jesuiten war es leicht, diese
Grundsätze zu sehen und zu verdammen; beim orthodoxen Judenthume mag man
die Wirkungen beobachten in den Massen dieses Volkes und wird finden, daß,
wie auch seine Lehren an sich lauten mögen, dieselben nicht im Stande sind,
Menschen zu erziehen, die von dem Geiste des Volkslebens unsrer Zeit getragen
werden. Weder hat der Staat bei uns das Recht, sich gleichgiltig zu einer
fremden feindlichen Cultur zu stellen, die so zahlreiche Anhänger über seine
Grenze sendet, noch hat er die Macht zu verhindern, daß das Volk bewußt oder
unbewußter Weise diesen Culturkampf aufnehme. Es kommt nur darauf an, sich
über das Gebiet des Kampfes, das Wesen von dieser Judenfrage klar zu werdeu,
und ferner: die rechten Mittel zu wählen.

Jene Forderung, durch staatliche Erziehung und Unterricht das Judenthum
moderner Cultur zuzuführen, wäre an Oesterreich und besonders an Nußland
zu richten. Es bleibt aber mindestens zweifelhaft, ob Rußland im Stande wäre,
diese Forderung zu erfüllen. Rußland und die östlichen Staaten entbehren
selbst noch zu sehr der Culturkräfte für ihre eignen nationalen Bedürfnisse,
um davon eine genügende Menge zur Bildung der Juden ohne gewaltige An¬
strengung hergeben zu können. Vielleicht vermag kein andres Volk diese Auf¬
gabe zu lösen als das deutsche, dessen Sprache das slawische Israel redet. Viel¬
leicht wird der Fluch, unter dem dieses Judenthum steht, nicht eher gelöst werden
als bis Deutschland die Hand auf dieses Volk legt. Allein das Ziel muß schon
heute fest ins Auge gefaßt und klar erkannt werden; und es muß nach den
Mitteln gestrebt werden, um der Cultur im Judenthum Eingang zu verschaffen.
Es muß erreicht werden, daß diesem Volke die Erziehung der Jugend nicht völlig
überlasten bleibe. Wenn irgendwo die Judenfrage durch Bildung überwunden
werden kann, so ist es dort in der östlichen jüdischen Theokratie mit ihren vier
Millionen Barbaren.

Aus dem Vorstehenden ergiebt sich leicht, welchen Werth ich der sogenannten
Intermission beilege. Es giebt Tausende, die jedesmal, sobald die Juden¬
frage angeregt wird, nach der Intermission greifen und darauf ihren ganzen
Eifer werfen. Die ganze Intermission ist meiner Meinung nach ein Irrthum,
ein Mißverständnis;. Denn es handelt sich eben nicht darum, die Juden zu bekehren,
sondern sie aufzuklären. Die christliche Taufe wäscht das Judenthum nur
selten und unvollkommen ab, sie schafft aber um so häufiger Scheinchristen,
die für das Christenthum keinen Werth haben und den Fanatismus des Juden-
thums nur noch reizen. Die Taufe ist ein weitaus unwirksameres Mittel der
Entjndung als die Bildung. Man gebe dem Juden gute Bildung und mag


ihres Glaubens. Wäre ein Culturkampf unstatthaft gegen eine geschlossene
Körperschaft, die weit mehr als jener Orden außerhalb der uns eignen obersten
Grundsätze des Volkslebens sich hält? Bei den Jesuiten war es leicht, diese
Grundsätze zu sehen und zu verdammen; beim orthodoxen Judenthume mag man
die Wirkungen beobachten in den Massen dieses Volkes und wird finden, daß,
wie auch seine Lehren an sich lauten mögen, dieselben nicht im Stande sind,
Menschen zu erziehen, die von dem Geiste des Volkslebens unsrer Zeit getragen
werden. Weder hat der Staat bei uns das Recht, sich gleichgiltig zu einer
fremden feindlichen Cultur zu stellen, die so zahlreiche Anhänger über seine
Grenze sendet, noch hat er die Macht zu verhindern, daß das Volk bewußt oder
unbewußter Weise diesen Culturkampf aufnehme. Es kommt nur darauf an, sich
über das Gebiet des Kampfes, das Wesen von dieser Judenfrage klar zu werdeu,
und ferner: die rechten Mittel zu wählen.

Jene Forderung, durch staatliche Erziehung und Unterricht das Judenthum
moderner Cultur zuzuführen, wäre an Oesterreich und besonders an Nußland
zu richten. Es bleibt aber mindestens zweifelhaft, ob Rußland im Stande wäre,
diese Forderung zu erfüllen. Rußland und die östlichen Staaten entbehren
selbst noch zu sehr der Culturkräfte für ihre eignen nationalen Bedürfnisse,
um davon eine genügende Menge zur Bildung der Juden ohne gewaltige An¬
strengung hergeben zu können. Vielleicht vermag kein andres Volk diese Auf¬
gabe zu lösen als das deutsche, dessen Sprache das slawische Israel redet. Viel¬
leicht wird der Fluch, unter dem dieses Judenthum steht, nicht eher gelöst werden
als bis Deutschland die Hand auf dieses Volk legt. Allein das Ziel muß schon
heute fest ins Auge gefaßt und klar erkannt werden; und es muß nach den
Mitteln gestrebt werden, um der Cultur im Judenthum Eingang zu verschaffen.
Es muß erreicht werden, daß diesem Volke die Erziehung der Jugend nicht völlig
überlasten bleibe. Wenn irgendwo die Judenfrage durch Bildung überwunden
werden kann, so ist es dort in der östlichen jüdischen Theokratie mit ihren vier
Millionen Barbaren.

Aus dem Vorstehenden ergiebt sich leicht, welchen Werth ich der sogenannten
Intermission beilege. Es giebt Tausende, die jedesmal, sobald die Juden¬
frage angeregt wird, nach der Intermission greifen und darauf ihren ganzen
Eifer werfen. Die ganze Intermission ist meiner Meinung nach ein Irrthum,
ein Mißverständnis;. Denn es handelt sich eben nicht darum, die Juden zu bekehren,
sondern sie aufzuklären. Die christliche Taufe wäscht das Judenthum nur
selten und unvollkommen ab, sie schafft aber um so häufiger Scheinchristen,
die für das Christenthum keinen Werth haben und den Fanatismus des Juden-
thums nur noch reizen. Die Taufe ist ein weitaus unwirksameres Mittel der
Entjndung als die Bildung. Man gebe dem Juden gute Bildung und mag


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[0313] ihres Glaubens. Wäre ein Culturkampf unstatthaft gegen eine geschlossene Körperschaft, die weit mehr als jener Orden außerhalb der uns eignen obersten Grundsätze des Volkslebens sich hält? Bei den Jesuiten war es leicht, diese Grundsätze zu sehen und zu verdammen; beim orthodoxen Judenthume mag man die Wirkungen beobachten in den Massen dieses Volkes und wird finden, daß, wie auch seine Lehren an sich lauten mögen, dieselben nicht im Stande sind, Menschen zu erziehen, die von dem Geiste des Volkslebens unsrer Zeit getragen werden. Weder hat der Staat bei uns das Recht, sich gleichgiltig zu einer fremden feindlichen Cultur zu stellen, die so zahlreiche Anhänger über seine Grenze sendet, noch hat er die Macht zu verhindern, daß das Volk bewußt oder unbewußter Weise diesen Culturkampf aufnehme. Es kommt nur darauf an, sich über das Gebiet des Kampfes, das Wesen von dieser Judenfrage klar zu werdeu, und ferner: die rechten Mittel zu wählen. Jene Forderung, durch staatliche Erziehung und Unterricht das Judenthum moderner Cultur zuzuführen, wäre an Oesterreich und besonders an Nußland zu richten. Es bleibt aber mindestens zweifelhaft, ob Rußland im Stande wäre, diese Forderung zu erfüllen. Rußland und die östlichen Staaten entbehren selbst noch zu sehr der Culturkräfte für ihre eignen nationalen Bedürfnisse, um davon eine genügende Menge zur Bildung der Juden ohne gewaltige An¬ strengung hergeben zu können. Vielleicht vermag kein andres Volk diese Auf¬ gabe zu lösen als das deutsche, dessen Sprache das slawische Israel redet. Viel¬ leicht wird der Fluch, unter dem dieses Judenthum steht, nicht eher gelöst werden als bis Deutschland die Hand auf dieses Volk legt. Allein das Ziel muß schon heute fest ins Auge gefaßt und klar erkannt werden; und es muß nach den Mitteln gestrebt werden, um der Cultur im Judenthum Eingang zu verschaffen. Es muß erreicht werden, daß diesem Volke die Erziehung der Jugend nicht völlig überlasten bleibe. Wenn irgendwo die Judenfrage durch Bildung überwunden werden kann, so ist es dort in der östlichen jüdischen Theokratie mit ihren vier Millionen Barbaren. Aus dem Vorstehenden ergiebt sich leicht, welchen Werth ich der sogenannten Intermission beilege. Es giebt Tausende, die jedesmal, sobald die Juden¬ frage angeregt wird, nach der Intermission greifen und darauf ihren ganzen Eifer werfen. Die ganze Intermission ist meiner Meinung nach ein Irrthum, ein Mißverständnis;. Denn es handelt sich eben nicht darum, die Juden zu bekehren, sondern sie aufzuklären. Die christliche Taufe wäscht das Judenthum nur selten und unvollkommen ab, sie schafft aber um so häufiger Scheinchristen, die für das Christenthum keinen Werth haben und den Fanatismus des Juden- thums nur noch reizen. Die Taufe ist ein weitaus unwirksameres Mittel der Entjndung als die Bildung. Man gebe dem Juden gute Bildung und mag

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/313>, abgerufen am 29.12.2024.