Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

Welt seine Phantasie gereizt haben, sie in ihrer Pracht wieder auferstehen zu
lassen und sie mit dem üppigen Leben des Alterthums zu erfüllen. Nach seineu
Erstlingsarbeiten "Alexander und sein Arzt Philippus" und "Christus und die schöne
Sünderin", welche bereits sein ungewöhnliches Farbentalent documentierten, be¬
trat er schnell entschlossen dieselbe Bahn, welche Piloty 1860 mit seinem "Nero
auf den Trümmern des brennenden Rom" so erfolgreich eröffnet hatte. Wir
haben bereits gesehen, daß der Ungar Alexander Wagner mit augenscheinlicher
Vorliebe seine Stoffe aus der römischen Decadence wählte, vielleicht ebenfalls
beeinflußt durch Pilotys epochemachendes Bild, vielleicht aber auch, wenn man
hier nach tieferen Motiven suchen darf, veranlaßt durch das an der Seine zu
üppigem Glanze erwachsene moderne Cäsarenthum, welchem bereits Couture,
gleichsam vorahnend, in seineu "Römern der Decadence" ein künstlerisches Denk¬
mal gesetzt hatte. In letzter Linie wirkte freilich bei solchen Bildern als ge¬
heimes Motiv immer die Spekulation auf die Sinne eines blasirten Publikums
mit, die man durch Schilderungen von Scenen der Wollust und Grausamkeit
kitzeln wollte. So entstand 1875 Siemiradzkis Kolossalgemälde "Die lebenden
Fackeln des Nero", eine brutale Schaustellung brennender christlicher Märtyrer
vor Nero, Poppäa und ihrem verlotterten Troß von Gauklern, Gladiatoren
und Dienern, ein Bild welches in seiner Fignrenfülle mit Piloty, in der subtilen
Imitation von Architektur, Marmor und Bronze mit dein Helden der Mode, mit
Alma Tadema, wetteifern wollte. Es ist ein glänzendes Bravourstück, welches
auf seiner Wanderung durch aller Hauptstädte des Continents um seiner raffi¬
nierter Technik willen viele Lobredner fand, durch die Rohheit seiner Darstellung,
durch seine Empfindungslosigkeit und sein widerliches Kokettieren mit der hüllen¬
losen Lasterhaftigkeit aber ebensosehr jedes feinere Gefühl abstieß. Das Gemälde
kam nicht eher zur Ruhe, als bis es der Maler bei Gelegenheit eines pauslawistischen
Berbrüderungsfestes in Krakau dem dortigen Museum zum Geschenk machte.

Seitdem hat Siemiradzki noch drei Genrebilder aus dem römischen Leben
gemalt, von denen das eine couxs c>u 1a, lerorris? wiederum stark durch
Alma Tadema und zwar durch dessen Bildhaueratelier beeinflußt erscheint. Ein
vornehmer Römer steht in dem Verkaufsgewölbe eines Raritütenhändlers vor
einem Prachtgefäße und einer schönen Sclavin, unschlüssig, welchem der beiden
Objecte er den Vorzug geben soll. Der "Schiffbrüchige", ein alter Mann, der
eine vornehme Römerin, welche ihre Gondel zu besteigen sich anschickt, um ein
Almosen ansieht, ist dagegen eine ziemlich rohe, nur auf die allergröbsten Licht-
effekte berechnete Malerei. Daß aber ungeachtet solcher Verirrungen in dem
polnischen Maler doch ein starkes evlvristisches Talent steckt, beweist sein letztes
größeres Bild, der "Schwertertanz", freilich anch ein Motiv, dem ein starker
Hautgout anhaftet, das aber mit so liebenswürdiger Grazie behandelt ist,


Welt seine Phantasie gereizt haben, sie in ihrer Pracht wieder auferstehen zu
lassen und sie mit dem üppigen Leben des Alterthums zu erfüllen. Nach seineu
Erstlingsarbeiten „Alexander und sein Arzt Philippus" und „Christus und die schöne
Sünderin", welche bereits sein ungewöhnliches Farbentalent documentierten, be¬
trat er schnell entschlossen dieselbe Bahn, welche Piloty 1860 mit seinem „Nero
auf den Trümmern des brennenden Rom" so erfolgreich eröffnet hatte. Wir
haben bereits gesehen, daß der Ungar Alexander Wagner mit augenscheinlicher
Vorliebe seine Stoffe aus der römischen Decadence wählte, vielleicht ebenfalls
beeinflußt durch Pilotys epochemachendes Bild, vielleicht aber auch, wenn man
hier nach tieferen Motiven suchen darf, veranlaßt durch das an der Seine zu
üppigem Glanze erwachsene moderne Cäsarenthum, welchem bereits Couture,
gleichsam vorahnend, in seineu „Römern der Decadence" ein künstlerisches Denk¬
mal gesetzt hatte. In letzter Linie wirkte freilich bei solchen Bildern als ge¬
heimes Motiv immer die Spekulation auf die Sinne eines blasirten Publikums
mit, die man durch Schilderungen von Scenen der Wollust und Grausamkeit
kitzeln wollte. So entstand 1875 Siemiradzkis Kolossalgemälde „Die lebenden
Fackeln des Nero", eine brutale Schaustellung brennender christlicher Märtyrer
vor Nero, Poppäa und ihrem verlotterten Troß von Gauklern, Gladiatoren
und Dienern, ein Bild welches in seiner Fignrenfülle mit Piloty, in der subtilen
Imitation von Architektur, Marmor und Bronze mit dein Helden der Mode, mit
Alma Tadema, wetteifern wollte. Es ist ein glänzendes Bravourstück, welches
auf seiner Wanderung durch aller Hauptstädte des Continents um seiner raffi¬
nierter Technik willen viele Lobredner fand, durch die Rohheit seiner Darstellung,
durch seine Empfindungslosigkeit und sein widerliches Kokettieren mit der hüllen¬
losen Lasterhaftigkeit aber ebensosehr jedes feinere Gefühl abstieß. Das Gemälde
kam nicht eher zur Ruhe, als bis es der Maler bei Gelegenheit eines pauslawistischen
Berbrüderungsfestes in Krakau dem dortigen Museum zum Geschenk machte.

Seitdem hat Siemiradzki noch drei Genrebilder aus dem römischen Leben
gemalt, von denen das eine couxs c>u 1a, lerorris? wiederum stark durch
Alma Tadema und zwar durch dessen Bildhaueratelier beeinflußt erscheint. Ein
vornehmer Römer steht in dem Verkaufsgewölbe eines Raritütenhändlers vor
einem Prachtgefäße und einer schönen Sclavin, unschlüssig, welchem der beiden
Objecte er den Vorzug geben soll. Der „Schiffbrüchige", ein alter Mann, der
eine vornehme Römerin, welche ihre Gondel zu besteigen sich anschickt, um ein
Almosen ansieht, ist dagegen eine ziemlich rohe, nur auf die allergröbsten Licht-
effekte berechnete Malerei. Daß aber ungeachtet solcher Verirrungen in dem
polnischen Maler doch ein starkes evlvristisches Talent steckt, beweist sein letztes
größeres Bild, der „Schwertertanz", freilich anch ein Motiv, dem ein starker
Hautgout anhaftet, das aber mit so liebenswürdiger Grazie behandelt ist,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0202" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147849"/>
          <p xml:id="ID_565" prev="#ID_564"> Welt seine Phantasie gereizt haben, sie in ihrer Pracht wieder auferstehen zu<lb/>
lassen und sie mit dem üppigen Leben des Alterthums zu erfüllen. Nach seineu<lb/>
Erstlingsarbeiten &#x201E;Alexander und sein Arzt Philippus" und &#x201E;Christus und die schöne<lb/>
Sünderin", welche bereits sein ungewöhnliches Farbentalent documentierten, be¬<lb/>
trat er schnell entschlossen dieselbe Bahn, welche Piloty 1860 mit seinem &#x201E;Nero<lb/>
auf den Trümmern des brennenden Rom" so erfolgreich eröffnet hatte. Wir<lb/>
haben bereits gesehen, daß der Ungar Alexander Wagner mit augenscheinlicher<lb/>
Vorliebe seine Stoffe aus der römischen Decadence wählte, vielleicht ebenfalls<lb/>
beeinflußt durch Pilotys epochemachendes Bild, vielleicht aber auch, wenn man<lb/>
hier nach tieferen Motiven suchen darf, veranlaßt durch das an der Seine zu<lb/>
üppigem Glanze erwachsene moderne Cäsarenthum, welchem bereits Couture,<lb/>
gleichsam vorahnend, in seineu &#x201E;Römern der Decadence" ein künstlerisches Denk¬<lb/>
mal gesetzt hatte. In letzter Linie wirkte freilich bei solchen Bildern als ge¬<lb/>
heimes Motiv immer die Spekulation auf die Sinne eines blasirten Publikums<lb/>
mit, die man durch Schilderungen von Scenen der Wollust und Grausamkeit<lb/>
kitzeln wollte. So entstand 1875 Siemiradzkis Kolossalgemälde &#x201E;Die lebenden<lb/>
Fackeln des Nero", eine brutale Schaustellung brennender christlicher Märtyrer<lb/>
vor Nero, Poppäa und ihrem verlotterten Troß von Gauklern, Gladiatoren<lb/>
und Dienern, ein Bild welches in seiner Fignrenfülle mit Piloty, in der subtilen<lb/>
Imitation von Architektur, Marmor und Bronze mit dein Helden der Mode, mit<lb/>
Alma Tadema, wetteifern wollte. Es ist ein glänzendes Bravourstück, welches<lb/>
auf seiner Wanderung durch aller Hauptstädte des Continents um seiner raffi¬<lb/>
nierter Technik willen viele Lobredner fand, durch die Rohheit seiner Darstellung,<lb/>
durch seine Empfindungslosigkeit und sein widerliches Kokettieren mit der hüllen¬<lb/>
losen Lasterhaftigkeit aber ebensosehr jedes feinere Gefühl abstieß. Das Gemälde<lb/>
kam nicht eher zur Ruhe, als bis es der Maler bei Gelegenheit eines pauslawistischen<lb/>
Berbrüderungsfestes in Krakau dem dortigen Museum zum Geschenk machte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_566" next="#ID_567"> Seitdem hat Siemiradzki noch drei Genrebilder aus dem römischen Leben<lb/>
gemalt, von denen das eine couxs c&gt;u 1a, lerorris? wiederum stark durch<lb/>
Alma Tadema und zwar durch dessen Bildhaueratelier beeinflußt erscheint. Ein<lb/>
vornehmer Römer steht in dem Verkaufsgewölbe eines Raritütenhändlers vor<lb/>
einem Prachtgefäße und einer schönen Sclavin, unschlüssig, welchem der beiden<lb/>
Objecte er den Vorzug geben soll. Der &#x201E;Schiffbrüchige", ein alter Mann, der<lb/>
eine vornehme Römerin, welche ihre Gondel zu besteigen sich anschickt, um ein<lb/>
Almosen ansieht, ist dagegen eine ziemlich rohe, nur auf die allergröbsten Licht-<lb/>
effekte berechnete Malerei. Daß aber ungeachtet solcher Verirrungen in dem<lb/>
polnischen Maler doch ein starkes evlvristisches Talent steckt, beweist sein letztes<lb/>
größeres Bild, der &#x201E;Schwertertanz", freilich anch ein Motiv, dem ein starker<lb/>
Hautgout anhaftet, das aber mit so liebenswürdiger Grazie behandelt ist,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0202] Welt seine Phantasie gereizt haben, sie in ihrer Pracht wieder auferstehen zu lassen und sie mit dem üppigen Leben des Alterthums zu erfüllen. Nach seineu Erstlingsarbeiten „Alexander und sein Arzt Philippus" und „Christus und die schöne Sünderin", welche bereits sein ungewöhnliches Farbentalent documentierten, be¬ trat er schnell entschlossen dieselbe Bahn, welche Piloty 1860 mit seinem „Nero auf den Trümmern des brennenden Rom" so erfolgreich eröffnet hatte. Wir haben bereits gesehen, daß der Ungar Alexander Wagner mit augenscheinlicher Vorliebe seine Stoffe aus der römischen Decadence wählte, vielleicht ebenfalls beeinflußt durch Pilotys epochemachendes Bild, vielleicht aber auch, wenn man hier nach tieferen Motiven suchen darf, veranlaßt durch das an der Seine zu üppigem Glanze erwachsene moderne Cäsarenthum, welchem bereits Couture, gleichsam vorahnend, in seineu „Römern der Decadence" ein künstlerisches Denk¬ mal gesetzt hatte. In letzter Linie wirkte freilich bei solchen Bildern als ge¬ heimes Motiv immer die Spekulation auf die Sinne eines blasirten Publikums mit, die man durch Schilderungen von Scenen der Wollust und Grausamkeit kitzeln wollte. So entstand 1875 Siemiradzkis Kolossalgemälde „Die lebenden Fackeln des Nero", eine brutale Schaustellung brennender christlicher Märtyrer vor Nero, Poppäa und ihrem verlotterten Troß von Gauklern, Gladiatoren und Dienern, ein Bild welches in seiner Fignrenfülle mit Piloty, in der subtilen Imitation von Architektur, Marmor und Bronze mit dein Helden der Mode, mit Alma Tadema, wetteifern wollte. Es ist ein glänzendes Bravourstück, welches auf seiner Wanderung durch aller Hauptstädte des Continents um seiner raffi¬ nierter Technik willen viele Lobredner fand, durch die Rohheit seiner Darstellung, durch seine Empfindungslosigkeit und sein widerliches Kokettieren mit der hüllen¬ losen Lasterhaftigkeit aber ebensosehr jedes feinere Gefühl abstieß. Das Gemälde kam nicht eher zur Ruhe, als bis es der Maler bei Gelegenheit eines pauslawistischen Berbrüderungsfestes in Krakau dem dortigen Museum zum Geschenk machte. Seitdem hat Siemiradzki noch drei Genrebilder aus dem römischen Leben gemalt, von denen das eine couxs c>u 1a, lerorris? wiederum stark durch Alma Tadema und zwar durch dessen Bildhaueratelier beeinflußt erscheint. Ein vornehmer Römer steht in dem Verkaufsgewölbe eines Raritütenhändlers vor einem Prachtgefäße und einer schönen Sclavin, unschlüssig, welchem der beiden Objecte er den Vorzug geben soll. Der „Schiffbrüchige", ein alter Mann, der eine vornehme Römerin, welche ihre Gondel zu besteigen sich anschickt, um ein Almosen ansieht, ist dagegen eine ziemlich rohe, nur auf die allergröbsten Licht- effekte berechnete Malerei. Daß aber ungeachtet solcher Verirrungen in dem polnischen Maler doch ein starkes evlvristisches Talent steckt, beweist sein letztes größeres Bild, der „Schwertertanz", freilich anch ein Motiv, dem ein starker Hautgout anhaftet, das aber mit so liebenswürdiger Grazie behandelt ist,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/202
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/202>, abgerufen am 29.12.2024.