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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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Der Erfolg, den dieses Unternehmen gefunden hat, scheint die Verleger
bewogen zu haben, Simons und Wagner -- der Schriftsteller ist so bizarr und
barock wie der Maler -- noch einmal in gemeinschaftlicher Arbeit zu verbinden,
und so entstand das "Prachtwerk" über Spanien, welches in den "Grenzboten"
eine leider nur zu sehr verdiente Abfertigung erfahren hat. Die Arbeit des
Malers überragt jedoch die des Periegeten, welche ganz den Eindruck macht,
als hätte ihr Verfasser Spanien auf einer Stcmgenschen Gesellschaftsreise kennen
gelernt, um ein beträchtliches. Zwar bedient sich anch der Maler in der schroffen
Gegenüberstellung von Licht und Schatten der allergröbsten Effecte, zwar über¬
schreitet bisweilen die Skizzenhaftigkeit der Zeichnungen das erlaubte Maß.
Aber die Landschaften sowohl wie die Architekturen und die Volkstypen tragen
doch den specifisch nationalen Charakter in voller Deutlichkeit, nud damit ist
doch wenigstens ein Hauptzweck solcher "Prachtwerke", die sich allgemach wie
eine währe Wasserpest über den deutschen Buchhandel verbreiten, erreicht.

Bevor Alexander Wagner sein eigentliches Fahrwasser fand, hat er sich mich
im historischen Genre und in der großen Historie versucht. Zur letztere" ge¬
hören seine Fresken im bairischen Nationalmuseum: "Gustav Adolfs Einzug in
Aschaffenburg" und "Vermählung Ottos von Baiern", und die Wandgemälde
im Redoutensaal zu Pest: "Das Gastmahl Attilas" und "Matthias Corvinus
im Türmer". Seit 1866 ist Wagner als Lehrer der Maltechnik an der Münchner
Akademie thätig.

Julius Benczur aus Pest, der dritte Ungar aus der Schule Pilotys, der
sich eiuen Namen gemacht, debütirte 1867 mit einem "Abschiede des Ladislaus
Hunyady" recht glücklich, geriet!) dann aber auf ein ihm fremdes Gebiet, auf
welchem er keine Lorbeer" einsammelte. Da die künstlerischen Neigungen des
Königs Ludwig bekanntlich dem Zeitalter Ludwigs XIV. und der Epoche des
Rococo zugewendet sind, konnte es nicht fehlen, das auch die Münchener Genre¬
maler ihre Motive aus einer Zeit zu schöpfen begannen, die durch das hohe
Beispiel in die Mode kam. Auch Benezur machte, im Vertrauen auf die Vir¬
tuosität des Pinsels, derartige Versuche, die ihm aber völlig mißglückter. Eines
dieser Bilder stellte eine Scene aus der französischen Revolution, den "Sturm
auf die Zimmer Ludwigs XVI." dar, ein Gemälde, auf welchem es dem Künstler
nicht so sehr auf die Schilderung einer dramatischen Action, als auf rein
coloristisches Prunken mit Möbeln, Stoffen und Kleidern ankam. Letzteres ist
ihm auch bis zu einem gewissen Grade gelungen. Aber um solche äußerlichen
Effecte zu erringen, bedarf es nicht so ernster Momente, die auch eine ernste
Behandlung fordern können. Grazie und Feinheit des Geschmacks scheint den
magygarischen Künstlern ein Buch mit sieben Siegeln zu sein. Das bewies
auch Benczur mit einem zweiten Rococobilde, welches Ludwig XV. darstellte,


Der Erfolg, den dieses Unternehmen gefunden hat, scheint die Verleger
bewogen zu haben, Simons und Wagner — der Schriftsteller ist so bizarr und
barock wie der Maler — noch einmal in gemeinschaftlicher Arbeit zu verbinden,
und so entstand das „Prachtwerk" über Spanien, welches in den „Grenzboten"
eine leider nur zu sehr verdiente Abfertigung erfahren hat. Die Arbeit des
Malers überragt jedoch die des Periegeten, welche ganz den Eindruck macht,
als hätte ihr Verfasser Spanien auf einer Stcmgenschen Gesellschaftsreise kennen
gelernt, um ein beträchtliches. Zwar bedient sich anch der Maler in der schroffen
Gegenüberstellung von Licht und Schatten der allergröbsten Effecte, zwar über¬
schreitet bisweilen die Skizzenhaftigkeit der Zeichnungen das erlaubte Maß.
Aber die Landschaften sowohl wie die Architekturen und die Volkstypen tragen
doch den specifisch nationalen Charakter in voller Deutlichkeit, nud damit ist
doch wenigstens ein Hauptzweck solcher „Prachtwerke", die sich allgemach wie
eine währe Wasserpest über den deutschen Buchhandel verbreiten, erreicht.

Bevor Alexander Wagner sein eigentliches Fahrwasser fand, hat er sich mich
im historischen Genre und in der großen Historie versucht. Zur letztere» ge¬
hören seine Fresken im bairischen Nationalmuseum: „Gustav Adolfs Einzug in
Aschaffenburg" und „Vermählung Ottos von Baiern", und die Wandgemälde
im Redoutensaal zu Pest: „Das Gastmahl Attilas" und „Matthias Corvinus
im Türmer". Seit 1866 ist Wagner als Lehrer der Maltechnik an der Münchner
Akademie thätig.

Julius Benczur aus Pest, der dritte Ungar aus der Schule Pilotys, der
sich eiuen Namen gemacht, debütirte 1867 mit einem „Abschiede des Ladislaus
Hunyady" recht glücklich, geriet!) dann aber auf ein ihm fremdes Gebiet, auf
welchem er keine Lorbeer» einsammelte. Da die künstlerischen Neigungen des
Königs Ludwig bekanntlich dem Zeitalter Ludwigs XIV. und der Epoche des
Rococo zugewendet sind, konnte es nicht fehlen, das auch die Münchener Genre¬
maler ihre Motive aus einer Zeit zu schöpfen begannen, die durch das hohe
Beispiel in die Mode kam. Auch Benezur machte, im Vertrauen auf die Vir¬
tuosität des Pinsels, derartige Versuche, die ihm aber völlig mißglückter. Eines
dieser Bilder stellte eine Scene aus der französischen Revolution, den „Sturm
auf die Zimmer Ludwigs XVI." dar, ein Gemälde, auf welchem es dem Künstler
nicht so sehr auf die Schilderung einer dramatischen Action, als auf rein
coloristisches Prunken mit Möbeln, Stoffen und Kleidern ankam. Letzteres ist
ihm auch bis zu einem gewissen Grade gelungen. Aber um solche äußerlichen
Effecte zu erringen, bedarf es nicht so ernster Momente, die auch eine ernste
Behandlung fordern können. Grazie und Feinheit des Geschmacks scheint den
magygarischen Künstlern ein Buch mit sieben Siegeln zu sein. Das bewies
auch Benczur mit einem zweiten Rococobilde, welches Ludwig XV. darstellte,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/200>, abgerufen am 29.12.2024.