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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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della bereits auf dem Wege ist, sich unmöglich zu machen, so würde es für
uns genügen, wenn er sich, wie die Organe seiner Anhänger andeute" zu wollen
scheinen, zu dem Friedensprogramme bekehrt hätte, welches das Rundschreiben
des neuen Ministers der auswärtigen Angelegenheiten in so feierlichem Tone
als die Ziele der Politik Frankreichs enthaltend der Welt verkündet hat. Ge¬
wiß würden wir auch künftig wachsam bleiben müssen, aber immerhin würden
wir eine gewisse Bürgschaft haben, daß wenigstens für die nächste Zeit aben¬
teuerliche Unternehmungen von Westen her nicht zu befürchten wären.

Wenn nun der Rücktritt Freycinets nicht wohl auf Gründe zurückzuführen
ist, die mit der auswärtigen Politik des Exministers zusammenhängen, und
wenn derselbe dennoch offenbar von Gambetta veranlaßt worden zu fein scheint,
womit ist dann dieser Ministerwechsel zu erklären? Wir antworten: Mit der
Gestalt, welche der Culturkampf, der Streit zwischen Kirche und Staat in
Frankreich angenommen hat, und über welche die Ansichten und Bestrebungen
Freycinets und Gcunbettas auseinander gingen.

Hinsichtlich der auswärtigen Politik unterschied sich Freycinet nicht wesent¬
lich von seinem Vorgänger Waddington und wird sich Ferry nicht merklich von
Freycinet unterscheiden. Alle sind Anhänger des Friedens. Auch in den inneren
Fragen stimmen alle drei grundsätzlich überein. Alle sind von dem Bestreben
erfüllt, die Republik durch Bekämpfung ihrer Gegner in Kirche und Staat zu
befestigen. Nur in dem Grade ihrer Energie sind sie hier von einander ver¬
schieden. Sie differieren mit anderen Worten nur in ihren Ansichten von der
Nothwendigkeit, beziehentlich der Gefahr eines raschen Vorgehens gegen die Feinde
des gegenwärtigen französischen Staates, namentlich gegen die ultramontane
Partei. Freycinet war für ein mildes und langsames, Gambetta und mit ihn:
Ferry waren für ein energisches und rasches Vorgehen. Wenn wir uns der
langwierigen Verhandlungen der französischen Gesetzgeber erinnern, die den Be¬
schlüssen gegen die religiösen Orden und Congregationen vorausgingen, so er¬
giebt sich, daß die Kammern, indem sie für die Aufhebung und Regelung dieser
kirchlichen Genossenschaften lange Termine setzten, den Wunsch an den Tag ge¬
legt haben, von Seiten der Verwaltung keine scharfen Maßregeln zur Anwen¬
dung gebracht, vielmehr den Streit einen möglichst stillen und friedlichen Aus¬
gang nehmen zu sehen. Freycinet verfuhr darnach und weigerte sich, der Auf¬
forderung zu energischeren Handeln Folge zu leisten. Gambetta dagegen, der
Lenker und Leiter des von ihm veranlaßten Kampfes gegen die clericale Partei,
der von der friedfertigen Stimmung eines erheblichen Theiles der Kaiumermit-
glieder gleichfalls unterrichtet war, setzte alles daran, um die Sache zu beschleu¬
nigen und die betreffenden Maßregeln vor Eröffnung der Kammersitzung zur
Ausführung zu bringen. Sein letztes Mittel dazu war, daß er die Minister-


Greuzbotcn IV. 1830. 18

della bereits auf dem Wege ist, sich unmöglich zu machen, so würde es für
uns genügen, wenn er sich, wie die Organe seiner Anhänger andeute» zu wollen
scheinen, zu dem Friedensprogramme bekehrt hätte, welches das Rundschreiben
des neuen Ministers der auswärtigen Angelegenheiten in so feierlichem Tone
als die Ziele der Politik Frankreichs enthaltend der Welt verkündet hat. Ge¬
wiß würden wir auch künftig wachsam bleiben müssen, aber immerhin würden
wir eine gewisse Bürgschaft haben, daß wenigstens für die nächste Zeit aben¬
teuerliche Unternehmungen von Westen her nicht zu befürchten wären.

Wenn nun der Rücktritt Freycinets nicht wohl auf Gründe zurückzuführen
ist, die mit der auswärtigen Politik des Exministers zusammenhängen, und
wenn derselbe dennoch offenbar von Gambetta veranlaßt worden zu fein scheint,
womit ist dann dieser Ministerwechsel zu erklären? Wir antworten: Mit der
Gestalt, welche der Culturkampf, der Streit zwischen Kirche und Staat in
Frankreich angenommen hat, und über welche die Ansichten und Bestrebungen
Freycinets und Gcunbettas auseinander gingen.

Hinsichtlich der auswärtigen Politik unterschied sich Freycinet nicht wesent¬
lich von seinem Vorgänger Waddington und wird sich Ferry nicht merklich von
Freycinet unterscheiden. Alle sind Anhänger des Friedens. Auch in den inneren
Fragen stimmen alle drei grundsätzlich überein. Alle sind von dem Bestreben
erfüllt, die Republik durch Bekämpfung ihrer Gegner in Kirche und Staat zu
befestigen. Nur in dem Grade ihrer Energie sind sie hier von einander ver¬
schieden. Sie differieren mit anderen Worten nur in ihren Ansichten von der
Nothwendigkeit, beziehentlich der Gefahr eines raschen Vorgehens gegen die Feinde
des gegenwärtigen französischen Staates, namentlich gegen die ultramontane
Partei. Freycinet war für ein mildes und langsames, Gambetta und mit ihn:
Ferry waren für ein energisches und rasches Vorgehen. Wenn wir uns der
langwierigen Verhandlungen der französischen Gesetzgeber erinnern, die den Be¬
schlüssen gegen die religiösen Orden und Congregationen vorausgingen, so er¬
giebt sich, daß die Kammern, indem sie für die Aufhebung und Regelung dieser
kirchlichen Genossenschaften lange Termine setzten, den Wunsch an den Tag ge¬
legt haben, von Seiten der Verwaltung keine scharfen Maßregeln zur Anwen¬
dung gebracht, vielmehr den Streit einen möglichst stillen und friedlichen Aus¬
gang nehmen zu sehen. Freycinet verfuhr darnach und weigerte sich, der Auf¬
forderung zu energischeren Handeln Folge zu leisten. Gambetta dagegen, der
Lenker und Leiter des von ihm veranlaßten Kampfes gegen die clericale Partei,
der von der friedfertigen Stimmung eines erheblichen Theiles der Kaiumermit-
glieder gleichfalls unterrichtet war, setzte alles daran, um die Sache zu beschleu¬
nigen und die betreffenden Maßregeln vor Eröffnung der Kammersitzung zur
Ausführung zu bringen. Sein letztes Mittel dazu war, daß er die Minister-


Greuzbotcn IV. 1830. 18
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[0137] della bereits auf dem Wege ist, sich unmöglich zu machen, so würde es für uns genügen, wenn er sich, wie die Organe seiner Anhänger andeute» zu wollen scheinen, zu dem Friedensprogramme bekehrt hätte, welches das Rundschreiben des neuen Ministers der auswärtigen Angelegenheiten in so feierlichem Tone als die Ziele der Politik Frankreichs enthaltend der Welt verkündet hat. Ge¬ wiß würden wir auch künftig wachsam bleiben müssen, aber immerhin würden wir eine gewisse Bürgschaft haben, daß wenigstens für die nächste Zeit aben¬ teuerliche Unternehmungen von Westen her nicht zu befürchten wären. Wenn nun der Rücktritt Freycinets nicht wohl auf Gründe zurückzuführen ist, die mit der auswärtigen Politik des Exministers zusammenhängen, und wenn derselbe dennoch offenbar von Gambetta veranlaßt worden zu fein scheint, womit ist dann dieser Ministerwechsel zu erklären? Wir antworten: Mit der Gestalt, welche der Culturkampf, der Streit zwischen Kirche und Staat in Frankreich angenommen hat, und über welche die Ansichten und Bestrebungen Freycinets und Gcunbettas auseinander gingen. Hinsichtlich der auswärtigen Politik unterschied sich Freycinet nicht wesent¬ lich von seinem Vorgänger Waddington und wird sich Ferry nicht merklich von Freycinet unterscheiden. Alle sind Anhänger des Friedens. Auch in den inneren Fragen stimmen alle drei grundsätzlich überein. Alle sind von dem Bestreben erfüllt, die Republik durch Bekämpfung ihrer Gegner in Kirche und Staat zu befestigen. Nur in dem Grade ihrer Energie sind sie hier von einander ver¬ schieden. Sie differieren mit anderen Worten nur in ihren Ansichten von der Nothwendigkeit, beziehentlich der Gefahr eines raschen Vorgehens gegen die Feinde des gegenwärtigen französischen Staates, namentlich gegen die ultramontane Partei. Freycinet war für ein mildes und langsames, Gambetta und mit ihn: Ferry waren für ein energisches und rasches Vorgehen. Wenn wir uns der langwierigen Verhandlungen der französischen Gesetzgeber erinnern, die den Be¬ schlüssen gegen die religiösen Orden und Congregationen vorausgingen, so er¬ giebt sich, daß die Kammern, indem sie für die Aufhebung und Regelung dieser kirchlichen Genossenschaften lange Termine setzten, den Wunsch an den Tag ge¬ legt haben, von Seiten der Verwaltung keine scharfen Maßregeln zur Anwen¬ dung gebracht, vielmehr den Streit einen möglichst stillen und friedlichen Aus¬ gang nehmen zu sehen. Freycinet verfuhr darnach und weigerte sich, der Auf¬ forderung zu energischeren Handeln Folge zu leisten. Gambetta dagegen, der Lenker und Leiter des von ihm veranlaßten Kampfes gegen die clericale Partei, der von der friedfertigen Stimmung eines erheblichen Theiles der Kaiumermit- glieder gleichfalls unterrichtet war, setzte alles daran, um die Sache zu beschleu¬ nigen und die betreffenden Maßregeln vor Eröffnung der Kammersitzung zur Ausführung zu bringen. Sein letztes Mittel dazu war, daß er die Minister- Greuzbotcn IV. 1830. 18

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/137>, abgerufen am 29.12.2024.