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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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neue Leiter der auswärtigen Angelegenheiten Frankreichs mit seiner ganzen
Persönlichkeit ein, und dieser Act wird verstärkt durch Berufung auf die Weis¬
heit desjenigen Staatsmannes, dessen Verdienste um sein Land vor kurzem die
Enthüllung der Thiers-Statue in Laire (torunn su, I^s den Franzosen aufs
Neue ins Gedächtniß gerufen hat. Nach welchen Grundsätzen Herr Thiers sein
Regierungssystem einrichtete, ist allbekannt, Herr Barthelcmh Saint Hilaire aber
legt den Beamten seines Ressorts diese ,so glückliche Tradition^ eindringlich mah¬
nend ans Herz und fordert zu weiterer Entwicklung derselben auf."

Dieser friedlichen Kundgebung sind seitdem andere gefolgt. Bei der Ein¬
weihung des Denkmals, welches der Johanna d'Arc in Compiegne errichtet
worden ist, sagte der Minister Carnot u. a.: "Was mich diejenigen vorbringen
mögen, welche das Land aufzuregen und die öffentliche Meinung irrezuführen
verödenden, die Regierung wünscht inständig, Frankreich den unschätzbaren Segen
des Friedens daheim und auswärts zu bewahren." Einige Tage später, am
I!x October, empfing Barthelcmh Saint Hilaire die Mitglieder des Pvsteon-
gresses und wünschte ihnen Glück dazu, daß es ihnen vergönnt sei, an diesem
Werke der Eintracht mitzuwirken, wobei er hinzufügte: "Wenn Sie in ihre
Heimat zurückkehren, so werden Sie die aufrichtige Liebe Frankreichs zum Frieden
bekunden können, den es aufrecht zu erhalten verstanden hat, und den es weiter¬
hin mit unerschütterlicher Beharrlichkeit aufrecht zu erhalten entschlossen ist."
Bekannt ist endlich die Haltung Frankreichs bei der Flottendemonstration, wo
es sich entschieden auf die Seite der Mächte stellte, welche Gewaltanwendung
vermieden zu sehen wünschte".

Wie die Ernennung Barthelcmh Saint Hilaires zu Stande gekommen ist,
weiß man zur Zeit noch nicht. Gambetta kann ihr zugestimmt beiden, sie kann
aber auch gegen seinen Willen erfolgt sein. Wir find nach dem obigen geneigt,
das erstere anzunehmen. Täuschen wir ins darin uicht, so hat er damit mittel¬
bar eingestanden, daß er sich in Cherbourg einer Unvorsichtigkeit schuldig ge¬
macht hat, und dieses Geständnis) muß sein Ansehen und das Vertrauen auf
seine Klugheit in der Berechnung politischer Dinge bei der öffentlichen Meinung
Frankreichs beeinträchtigen. Hat sich die Wahl des Präsidenten Grcvy, die auf
den Freund des verstorbenen Thiers fiel, ohne Gambettas Einwilligung voll¬
zogen, so müssen dessen Ansehen und sein Einfluß schou jetzt erheblich abge¬
nommen haben oder wenigstens den regierenden Kreisen Frankreichs als ver¬
mindert erscheinen. Dabei bleibt freilich abzuwarten, wie die Stimme des Volkes
sich zu der Sache stellen wird, und darüber können nur die im November zu¬
sammentretender Kammern Aufschluß geben. Bekannt ist aber, daß die Fran¬
zosen für den ersten Mißerfolg, den ein Mächtiger erleidet, ein besonders feines
Gefühl haben, und wenn wir noch uicht klar zu erkennen vermögen, ob Gau-


neue Leiter der auswärtigen Angelegenheiten Frankreichs mit seiner ganzen
Persönlichkeit ein, und dieser Act wird verstärkt durch Berufung auf die Weis¬
heit desjenigen Staatsmannes, dessen Verdienste um sein Land vor kurzem die
Enthüllung der Thiers-Statue in Laire (torunn su, I^s den Franzosen aufs
Neue ins Gedächtniß gerufen hat. Nach welchen Grundsätzen Herr Thiers sein
Regierungssystem einrichtete, ist allbekannt, Herr Barthelcmh Saint Hilaire aber
legt den Beamten seines Ressorts diese ,so glückliche Tradition^ eindringlich mah¬
nend ans Herz und fordert zu weiterer Entwicklung derselben auf."

Dieser friedlichen Kundgebung sind seitdem andere gefolgt. Bei der Ein¬
weihung des Denkmals, welches der Johanna d'Arc in Compiegne errichtet
worden ist, sagte der Minister Carnot u. a.: „Was mich diejenigen vorbringen
mögen, welche das Land aufzuregen und die öffentliche Meinung irrezuführen
verödenden, die Regierung wünscht inständig, Frankreich den unschätzbaren Segen
des Friedens daheim und auswärts zu bewahren." Einige Tage später, am
I!x October, empfing Barthelcmh Saint Hilaire die Mitglieder des Pvsteon-
gresses und wünschte ihnen Glück dazu, daß es ihnen vergönnt sei, an diesem
Werke der Eintracht mitzuwirken, wobei er hinzufügte: „Wenn Sie in ihre
Heimat zurückkehren, so werden Sie die aufrichtige Liebe Frankreichs zum Frieden
bekunden können, den es aufrecht zu erhalten verstanden hat, und den es weiter¬
hin mit unerschütterlicher Beharrlichkeit aufrecht zu erhalten entschlossen ist."
Bekannt ist endlich die Haltung Frankreichs bei der Flottendemonstration, wo
es sich entschieden auf die Seite der Mächte stellte, welche Gewaltanwendung
vermieden zu sehen wünschte«.

Wie die Ernennung Barthelcmh Saint Hilaires zu Stande gekommen ist,
weiß man zur Zeit noch nicht. Gambetta kann ihr zugestimmt beiden, sie kann
aber auch gegen seinen Willen erfolgt sein. Wir find nach dem obigen geneigt,
das erstere anzunehmen. Täuschen wir ins darin uicht, so hat er damit mittel¬
bar eingestanden, daß er sich in Cherbourg einer Unvorsichtigkeit schuldig ge¬
macht hat, und dieses Geständnis) muß sein Ansehen und das Vertrauen auf
seine Klugheit in der Berechnung politischer Dinge bei der öffentlichen Meinung
Frankreichs beeinträchtigen. Hat sich die Wahl des Präsidenten Grcvy, die auf
den Freund des verstorbenen Thiers fiel, ohne Gambettas Einwilligung voll¬
zogen, so müssen dessen Ansehen und sein Einfluß schou jetzt erheblich abge¬
nommen haben oder wenigstens den regierenden Kreisen Frankreichs als ver¬
mindert erscheinen. Dabei bleibt freilich abzuwarten, wie die Stimme des Volkes
sich zu der Sache stellen wird, und darüber können nur die im November zu¬
sammentretender Kammern Aufschluß geben. Bekannt ist aber, daß die Fran¬
zosen für den ersten Mißerfolg, den ein Mächtiger erleidet, ein besonders feines
Gefühl haben, und wenn wir noch uicht klar zu erkennen vermögen, ob Gau-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/136>, abgerufen am 29.12.2024.