Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.rechts und der öffentlichen Meinung zu wohl befunden und zu große Vortheile Der ausgeschiedene Premier Freycinet galt als aufrichtiger Freund einer Der neue Premier Jules Ferry, ein Lothringer und 48 Jahre alt, war rechts und der öffentlichen Meinung zu wohl befunden und zu große Vortheile Der ausgeschiedene Premier Freycinet galt als aufrichtiger Freund einer Der neue Premier Jules Ferry, ein Lothringer und 48 Jahre alt, war <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0133" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147780"/> <p xml:id="ID_373" prev="#ID_372"> rechts und der öffentlichen Meinung zu wohl befunden und zu große Vortheile<lb/> für sich eingeheimst, als daß er gewillt sein könnte, seine Absichten und Wünsche<lb/> von denen des Landes zu trennen. Das Land aber will — davon darf man<lb/> sich durch das Geschrei gewisser Pariser Literaten nicht abwendig machen lassen —<lb/> Frieden und zwar dauernden Frieden, es müßte sich denn eine ganz ungewöhn¬<lb/> lich gute Gelegenheit darbieten, ohne sehr große Opfer an Geld und Blut Elsaß-<lb/> Lothringen den Deutschen wieder abzunehmen, und eine solche Gelegenheit ist<lb/> gegenwärtig nicht in Sicht. Wären diese Betrachtungen nicht begründet, so<lb/> würde man die Besetzung der erledigten Ministerposten und namentlich die des<lb/> Ministeriums des Auswärtigen durch den Präsidenten der Republik als eine<lb/> entschiedene Niederlage Gambettas anzusehen haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_374"> Der ausgeschiedene Premier Freycinet galt als aufrichtiger Freund einer<lb/> vorsichtigen Politik des Friedens und der guten Beziehungen der europäischen<lb/> Mächte zu einander. Er stand mit den Botschaftern Frankreichs an fremden<lb/> Höfen und ebenso mit denen der letzteren in Paris, vorzüglich mit Hohenlohe<lb/> und Se. Ballier, im besten Einvernehmen und erfreute sich bei ihnen hoher<lb/> Achtung als ein ehrlicher Charakter. Ob er ein Diplomat von besonderer Be¬<lb/> gabung, ein Staatsmann im höheren Sinne des Wortes ist, bleibe dahingestellt;<lb/> dagegen steht außer Zweifel, daß er, abgesehen von den soeben an ihm gerühm¬<lb/> ten Eigenschaften, ein klarer mathematischer Kopf und ein Fachmann von nicht<lb/> gewöhnlicher Arbeitskraft ist. Freycinets politische Farbe war die des linken<lb/> Centrums; daß er eine Haltung im Sinne der republikanischen Linken annehmen<lb/> sollte, hat ihm niemals recht passen wollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_375" next="#ID_376"> Der neue Premier Jules Ferry, ein Lothringer und 48 Jahre alt, war<lb/> anfangs Advokat, dann Journalist, in welcher Eigenschaft er für den „Temvs"<lb/> thätig war. 1869 in den gesetzgebenden Körper gewählt, erwarb er sich orato-<lb/> rischen Ruf. Am 4. September 1870 wurde er Mitglied der „Negierung der<lb/> nationalen Vertheidigung" und nach dem Rücktritte Aragos „Delegierter der<lb/> Centralmairie", d. h. Bürgermeister von Paris. Bei den Wahlen vom Februar<lb/> 1871 sandte ihn das Departement der Vogesen in die Nationalversammlung.<lb/> Nach der zweiten Belagerung von Paris ernannte ihn Thiers zum Seine-<lb/> Präfeeten, später war er Gesandter am griechischen Hofe. Nachdem Thiers ge¬<lb/> stürzt worden, legte er diese Stellung nieder und nahm seinen Platz auf der<lb/> Linken der Nationalversammlung und dann in der Depntierteukammer ein, wo<lb/> er im Geiste der vorgeschrittenen Linken sprach und stimmte, die ihn zu ihrem<lb/> Clnbpräsidenten machte. Seit Beginn der Präsidentschaft Grevys ist er ununter¬<lb/> brochen Unterrichtsminister gewesen. Ueber den neuen Minister der öffentlichen<lb/> Arbeiten Sadi Carnot bemerken wir nur, daß er ursprünglich Ingenieur, 1871<lb/> mit der Organisierung der nationale» Vertheidigung in den Departements Lmno</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0133]
rechts und der öffentlichen Meinung zu wohl befunden und zu große Vortheile
für sich eingeheimst, als daß er gewillt sein könnte, seine Absichten und Wünsche
von denen des Landes zu trennen. Das Land aber will — davon darf man
sich durch das Geschrei gewisser Pariser Literaten nicht abwendig machen lassen —
Frieden und zwar dauernden Frieden, es müßte sich denn eine ganz ungewöhn¬
lich gute Gelegenheit darbieten, ohne sehr große Opfer an Geld und Blut Elsaß-
Lothringen den Deutschen wieder abzunehmen, und eine solche Gelegenheit ist
gegenwärtig nicht in Sicht. Wären diese Betrachtungen nicht begründet, so
würde man die Besetzung der erledigten Ministerposten und namentlich die des
Ministeriums des Auswärtigen durch den Präsidenten der Republik als eine
entschiedene Niederlage Gambettas anzusehen haben.
Der ausgeschiedene Premier Freycinet galt als aufrichtiger Freund einer
vorsichtigen Politik des Friedens und der guten Beziehungen der europäischen
Mächte zu einander. Er stand mit den Botschaftern Frankreichs an fremden
Höfen und ebenso mit denen der letzteren in Paris, vorzüglich mit Hohenlohe
und Se. Ballier, im besten Einvernehmen und erfreute sich bei ihnen hoher
Achtung als ein ehrlicher Charakter. Ob er ein Diplomat von besonderer Be¬
gabung, ein Staatsmann im höheren Sinne des Wortes ist, bleibe dahingestellt;
dagegen steht außer Zweifel, daß er, abgesehen von den soeben an ihm gerühm¬
ten Eigenschaften, ein klarer mathematischer Kopf und ein Fachmann von nicht
gewöhnlicher Arbeitskraft ist. Freycinets politische Farbe war die des linken
Centrums; daß er eine Haltung im Sinne der republikanischen Linken annehmen
sollte, hat ihm niemals recht passen wollen.
Der neue Premier Jules Ferry, ein Lothringer und 48 Jahre alt, war
anfangs Advokat, dann Journalist, in welcher Eigenschaft er für den „Temvs"
thätig war. 1869 in den gesetzgebenden Körper gewählt, erwarb er sich orato-
rischen Ruf. Am 4. September 1870 wurde er Mitglied der „Negierung der
nationalen Vertheidigung" und nach dem Rücktritte Aragos „Delegierter der
Centralmairie", d. h. Bürgermeister von Paris. Bei den Wahlen vom Februar
1871 sandte ihn das Departement der Vogesen in die Nationalversammlung.
Nach der zweiten Belagerung von Paris ernannte ihn Thiers zum Seine-
Präfeeten, später war er Gesandter am griechischen Hofe. Nachdem Thiers ge¬
stürzt worden, legte er diese Stellung nieder und nahm seinen Platz auf der
Linken der Nationalversammlung und dann in der Depntierteukammer ein, wo
er im Geiste der vorgeschrittenen Linken sprach und stimmte, die ihn zu ihrem
Clnbpräsidenten machte. Seit Beginn der Präsidentschaft Grevys ist er ununter¬
brochen Unterrichtsminister gewesen. Ueber den neuen Minister der öffentlichen
Arbeiten Sadi Carnot bemerken wir nur, daß er ursprünglich Ingenieur, 1871
mit der Organisierung der nationale» Vertheidigung in den Departements Lmno
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