Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.Invasion ausgesetzt sein; Frankreich sott stets mächtig und geharnischt dastehen. Unter Gneisenans Gegnern befand sich, allen seinen Anschauungen gemäß, Zum Glück brauchte Gneisenau sich nicht lange über Mangel an Anerken¬ Invasion ausgesetzt sein; Frankreich sott stets mächtig und geharnischt dastehen. Unter Gneisenans Gegnern befand sich, allen seinen Anschauungen gemäß, Zum Glück brauchte Gneisenau sich nicht lange über Mangel an Anerken¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0106" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147753"/> <p xml:id="ID_301" prev="#ID_300"> Invasion ausgesetzt sein; Frankreich sott stets mächtig und geharnischt dastehen.<lb/> Es sott zwischen seinen Festungen heraus Ausfälle machen können, die, wenn<lb/> sie glücklich sind, ihm Provinzen und Schätze einbringen, wenn sie aber mi߬<lb/> lingen, ihm Schaden nicht bringen dürfen. So will es die Politik. Vergeblich<lb/> hat die Vernunft dagegen gestritten, und Preußen allein, ganz allein."</p><lb/> <p xml:id="ID_302"> Unter Gneisenans Gegnern befand sich, allen seinen Anschauungen gemäß,<lb/> natürlich auch Wellington. Beide Männer geriethen darüber völlig auseinander.<lb/> Während Wellington sich darüber beklagte, daß die preußische Armee die Fran¬<lb/> zosen durch harte Behandlung zum Aufstande und zum Volkskriege treiben<lb/> würde, beschwerte sich Gneisenau, daß Wellington mehr als bourbonischer denn<lb/> als englischer General auftrete und seinen preußischen Wasfengenossen den ver¬<lb/> dienten Siegespreis verkümmere. Die politische Feindschaft verschärfte sich zur<lb/> persönlichen. An Arndt schrieb Gneisenau: „Am schlechtesten benimmt sich Wel¬<lb/> lington, er, der ohne uns zertrümmert worden wäre, der uns die Zusagen, zu<lb/> unserer Hilfe am 16. sJuni: Ligny^j in Bereitschaft zu sein, nicht gehalten hatte,<lb/> dem wir, uneingedenk des dnrch seine Schuld erlittenen Unglücks, am 18. ritter¬<lb/> lich zu Hilfe gekommen find; die wir ihn vor Paris geführt haben: denn ohne<lb/> uns wäre er nicht so schnell gekommen; die wir ihm durch unser schnelles Ver¬<lb/> folgen eine zweite Schlacht erspart haben: denn wir haben den Feind aufgelöst<lb/> und kein Brite hat seit der Schlacht am 18. ein Gefecht bestanden. So viele<lb/> Verdienste um ihn vergilt der Mann dnrch den schnödesten Undank." Auch<lb/> sonst gab es manchen Grund zur Unzufriedenheit für Gneisenau. Es war eine<lb/> böse Stunde seines Lebens gewesen, als er von Gonesse aus an Hardenberg<lb/> einen Brief richtete, in welchem er seine Thaten mit denen seiner Waffenge¬<lb/> fährten vergleicht und anf die ungerechte Belohnung derselben hinweist. Bülow,<lb/> Tauentzien, Jork, sie alle hatten Gelegenheit sich einen Namen in der Geschichte<lb/> zu erwerben und hatten die höchsten Auszeichnungen erhalten. Er für seine<lb/> Person hatte seine Ruhmesliebe dem Pflichtgefühle aufopfern müssen. „Es ist<lb/> dies eine harte Bestimmung, nie eines eigenen Commandos werth geachtet zu<lb/> sein und stets für einen anderen arbeiten zu müssen, dabei sich in seinem Lohn<lb/> verkürzt zu sehen, kaum von den Soldaten gekannt zu sein. Bei aller Heiter¬<lb/> keit meines Gemüthes, bei allem mir innewohnenden Pflichtgefühl, bei aller<lb/> meiner Fähigkeit zur Resignation, muß ich doch eine solche Bestimmung ver¬<lb/> wünschen und verfluchen, und ich bin versucht, meine Klagen laut werden zu<lb/> lassen, damit die Welt wisse, wie es mit mir stehe."</p><lb/> <p xml:id="ID_303" next="#ID_304"> Zum Glück brauchte Gneisenau sich nicht lange über Mangel an Anerken¬<lb/> nung zu beklagen. Schon früher war er durch Verleihung der Grafenwürde<lb/> und einer Dotation ausgezeichnet worden, jetzt, nach Beendigung des zweiten<lb/> Feldzuges auf französischem Boden avancierte er zum General der Infanterie</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0106]
Invasion ausgesetzt sein; Frankreich sott stets mächtig und geharnischt dastehen.
Es sott zwischen seinen Festungen heraus Ausfälle machen können, die, wenn
sie glücklich sind, ihm Provinzen und Schätze einbringen, wenn sie aber mi߬
lingen, ihm Schaden nicht bringen dürfen. So will es die Politik. Vergeblich
hat die Vernunft dagegen gestritten, und Preußen allein, ganz allein."
Unter Gneisenans Gegnern befand sich, allen seinen Anschauungen gemäß,
natürlich auch Wellington. Beide Männer geriethen darüber völlig auseinander.
Während Wellington sich darüber beklagte, daß die preußische Armee die Fran¬
zosen durch harte Behandlung zum Aufstande und zum Volkskriege treiben
würde, beschwerte sich Gneisenau, daß Wellington mehr als bourbonischer denn
als englischer General auftrete und seinen preußischen Wasfengenossen den ver¬
dienten Siegespreis verkümmere. Die politische Feindschaft verschärfte sich zur
persönlichen. An Arndt schrieb Gneisenau: „Am schlechtesten benimmt sich Wel¬
lington, er, der ohne uns zertrümmert worden wäre, der uns die Zusagen, zu
unserer Hilfe am 16. sJuni: Ligny^j in Bereitschaft zu sein, nicht gehalten hatte,
dem wir, uneingedenk des dnrch seine Schuld erlittenen Unglücks, am 18. ritter¬
lich zu Hilfe gekommen find; die wir ihn vor Paris geführt haben: denn ohne
uns wäre er nicht so schnell gekommen; die wir ihm durch unser schnelles Ver¬
folgen eine zweite Schlacht erspart haben: denn wir haben den Feind aufgelöst
und kein Brite hat seit der Schlacht am 18. ein Gefecht bestanden. So viele
Verdienste um ihn vergilt der Mann dnrch den schnödesten Undank." Auch
sonst gab es manchen Grund zur Unzufriedenheit für Gneisenau. Es war eine
böse Stunde seines Lebens gewesen, als er von Gonesse aus an Hardenberg
einen Brief richtete, in welchem er seine Thaten mit denen seiner Waffenge¬
fährten vergleicht und anf die ungerechte Belohnung derselben hinweist. Bülow,
Tauentzien, Jork, sie alle hatten Gelegenheit sich einen Namen in der Geschichte
zu erwerben und hatten die höchsten Auszeichnungen erhalten. Er für seine
Person hatte seine Ruhmesliebe dem Pflichtgefühle aufopfern müssen. „Es ist
dies eine harte Bestimmung, nie eines eigenen Commandos werth geachtet zu
sein und stets für einen anderen arbeiten zu müssen, dabei sich in seinem Lohn
verkürzt zu sehen, kaum von den Soldaten gekannt zu sein. Bei aller Heiter¬
keit meines Gemüthes, bei allem mir innewohnenden Pflichtgefühl, bei aller
meiner Fähigkeit zur Resignation, muß ich doch eine solche Bestimmung ver¬
wünschen und verfluchen, und ich bin versucht, meine Klagen laut werden zu
lassen, damit die Welt wisse, wie es mit mir stehe."
Zum Glück brauchte Gneisenau sich nicht lange über Mangel an Anerken¬
nung zu beklagen. Schon früher war er durch Verleihung der Grafenwürde
und einer Dotation ausgezeichnet worden, jetzt, nach Beendigung des zweiten
Feldzuges auf französischem Boden avancierte er zum General der Infanterie
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