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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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lich nützlich sind, und diese Worte ohne agitatorischen Zweck aufrichtig und ehr¬
lich gemeint sind, so liegt es doch wohl nahe, anstatt gegen andere Parteien zu
Pvlemisiren, sich lieber der Staatsregierung mit Bitten zu nahen, daß sie sich
bereit finden lasse, das große Wort des deutschen Kanzlers einzulösen, mit
welchem er sich geneigt erklärte, selbst bei Schaffung von Productiv - Genossen¬
schaften den berechtigten Forderungen der Arbeiter Unterstützung angedeihen zu
lassen, wenn jene in handlicher und klar formulirter Weise ihren Wünschen und
Bestrebungen Ausdruck zu geben vermöchten. Allerdings kommt es dann zu¬
nächst darauf an, mit positiven Vorschlägen hervorzutreten. Und sind die heu¬
tigen Wortführer, die sich wohl selbst kaum für hervorragende Köpfe halten,
zur Zeit noch nicht in der Lage solche positive Vorschläge machen und klar for-
muliren zu können, so ist man doch befugt das Verlange,: an sie zu stellen,
daß sie mit Eifer und Gewissenhaftigkeit zu erkennen versuchen, was auf socia¬
listischen Gebiete mit reformatorischen Streben bereits gethan und in Vorschlag
gebracht worden ist. Wollen sie sich nicht der socialen Partei anschließen, so
werden sie in deren Schriften und in der großen, reichen socialistischen Literatur
der neuesten Zeit ausreichende, lebenskräftige Keime und Gedanken genug finden,
welche sich als Fundament für ihre reformatorischen Bestrebungen eignen werden

Productiv-Association en mit Großbetrieb -- diese vornehmste
aller Lassallischeu Lehren hat bis auf diesen Augenblick noch die kleine aber ziel¬
bewußte Gemeinde gemäßigter Socialdemokraten zusammengehalten, und es läßt
sich nicht verkennen, daß aus dieser Grundidee ein lebensfähiger Staatssocialis¬
mus sich sehr wohl würde entwickeln lassen, wenn es gelänge, das Fundament
solcher Productiv-Associationen nicht auf der Basis der heutigen Capital¬
wirthschaft zu gründen, wie dies Lassalle wollte und womit er seine Ideen
ins Blaue mußte verlaufen lassen, sondern auf genossenschaftlicher Glie¬
derung ohne capitalistische Grundlage, wie dies neuerdings mehrfach ange-
rathen und unter anderem auch in meinem Buche "Die dreistufige Arbeit und
der deutsche Genossenschafts-Staat" in eingehender, statutarischer Form versucht
wordeu ist.

Stets waren die Gemäßigten unter den Socialdemokraten der Meinung,
daß es besser sei dem Staate überall da die Hand zu bieten, wo derselbe socia¬
listischen Zielen zustrebe, als principielle Opposition zu machen und das praktische
reformatorische Wirken bis auf den Untergang der heutigen Staats-Organisation
zu verschieben. In diesem Sinne konnte auch der gemäßigte Fritsche im Reichs¬
tage sagen: als Arbeiter sei er für das Tabaksmonopol, als Parteimann da¬
gegen. Erkennt denn die jetzt in den Vordergrund getretene kleine gemäßigte
socialdemokratische Gemeinde nicht, daß gerade die Staatsregierung es ist, welche
die staatliche Fürsorge und Hilfe zur Hebung und Sicherung der Arbeiter als


lich nützlich sind, und diese Worte ohne agitatorischen Zweck aufrichtig und ehr¬
lich gemeint sind, so liegt es doch wohl nahe, anstatt gegen andere Parteien zu
Pvlemisiren, sich lieber der Staatsregierung mit Bitten zu nahen, daß sie sich
bereit finden lasse, das große Wort des deutschen Kanzlers einzulösen, mit
welchem er sich geneigt erklärte, selbst bei Schaffung von Productiv - Genossen¬
schaften den berechtigten Forderungen der Arbeiter Unterstützung angedeihen zu
lassen, wenn jene in handlicher und klar formulirter Weise ihren Wünschen und
Bestrebungen Ausdruck zu geben vermöchten. Allerdings kommt es dann zu¬
nächst darauf an, mit positiven Vorschlägen hervorzutreten. Und sind die heu¬
tigen Wortführer, die sich wohl selbst kaum für hervorragende Köpfe halten,
zur Zeit noch nicht in der Lage solche positive Vorschläge machen und klar for-
muliren zu können, so ist man doch befugt das Verlange,: an sie zu stellen,
daß sie mit Eifer und Gewissenhaftigkeit zu erkennen versuchen, was auf socia¬
listischen Gebiete mit reformatorischen Streben bereits gethan und in Vorschlag
gebracht worden ist. Wollen sie sich nicht der socialen Partei anschließen, so
werden sie in deren Schriften und in der großen, reichen socialistischen Literatur
der neuesten Zeit ausreichende, lebenskräftige Keime und Gedanken genug finden,
welche sich als Fundament für ihre reformatorischen Bestrebungen eignen werden

Productiv-Association en mit Großbetrieb — diese vornehmste
aller Lassallischeu Lehren hat bis auf diesen Augenblick noch die kleine aber ziel¬
bewußte Gemeinde gemäßigter Socialdemokraten zusammengehalten, und es läßt
sich nicht verkennen, daß aus dieser Grundidee ein lebensfähiger Staatssocialis¬
mus sich sehr wohl würde entwickeln lassen, wenn es gelänge, das Fundament
solcher Productiv-Associationen nicht auf der Basis der heutigen Capital¬
wirthschaft zu gründen, wie dies Lassalle wollte und womit er seine Ideen
ins Blaue mußte verlaufen lassen, sondern auf genossenschaftlicher Glie¬
derung ohne capitalistische Grundlage, wie dies neuerdings mehrfach ange-
rathen und unter anderem auch in meinem Buche „Die dreistufige Arbeit und
der deutsche Genossenschafts-Staat" in eingehender, statutarischer Form versucht
wordeu ist.

Stets waren die Gemäßigten unter den Socialdemokraten der Meinung,
daß es besser sei dem Staate überall da die Hand zu bieten, wo derselbe socia¬
listischen Zielen zustrebe, als principielle Opposition zu machen und das praktische
reformatorische Wirken bis auf den Untergang der heutigen Staats-Organisation
zu verschieben. In diesem Sinne konnte auch der gemäßigte Fritsche im Reichs¬
tage sagen: als Arbeiter sei er für das Tabaksmonopol, als Parteimann da¬
gegen. Erkennt denn die jetzt in den Vordergrund getretene kleine gemäßigte
socialdemokratische Gemeinde nicht, daß gerade die Staatsregierung es ist, welche
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[0548] lich nützlich sind, und diese Worte ohne agitatorischen Zweck aufrichtig und ehr¬ lich gemeint sind, so liegt es doch wohl nahe, anstatt gegen andere Parteien zu Pvlemisiren, sich lieber der Staatsregierung mit Bitten zu nahen, daß sie sich bereit finden lasse, das große Wort des deutschen Kanzlers einzulösen, mit welchem er sich geneigt erklärte, selbst bei Schaffung von Productiv - Genossen¬ schaften den berechtigten Forderungen der Arbeiter Unterstützung angedeihen zu lassen, wenn jene in handlicher und klar formulirter Weise ihren Wünschen und Bestrebungen Ausdruck zu geben vermöchten. Allerdings kommt es dann zu¬ nächst darauf an, mit positiven Vorschlägen hervorzutreten. Und sind die heu¬ tigen Wortführer, die sich wohl selbst kaum für hervorragende Köpfe halten, zur Zeit noch nicht in der Lage solche positive Vorschläge machen und klar for- muliren zu können, so ist man doch befugt das Verlange,: an sie zu stellen, daß sie mit Eifer und Gewissenhaftigkeit zu erkennen versuchen, was auf socia¬ listischen Gebiete mit reformatorischen Streben bereits gethan und in Vorschlag gebracht worden ist. Wollen sie sich nicht der socialen Partei anschließen, so werden sie in deren Schriften und in der großen, reichen socialistischen Literatur der neuesten Zeit ausreichende, lebenskräftige Keime und Gedanken genug finden, welche sich als Fundament für ihre reformatorischen Bestrebungen eignen werden Productiv-Association en mit Großbetrieb — diese vornehmste aller Lassallischeu Lehren hat bis auf diesen Augenblick noch die kleine aber ziel¬ bewußte Gemeinde gemäßigter Socialdemokraten zusammengehalten, und es läßt sich nicht verkennen, daß aus dieser Grundidee ein lebensfähiger Staatssocialis¬ mus sich sehr wohl würde entwickeln lassen, wenn es gelänge, das Fundament solcher Productiv-Associationen nicht auf der Basis der heutigen Capital¬ wirthschaft zu gründen, wie dies Lassalle wollte und womit er seine Ideen ins Blaue mußte verlaufen lassen, sondern auf genossenschaftlicher Glie¬ derung ohne capitalistische Grundlage, wie dies neuerdings mehrfach ange- rathen und unter anderem auch in meinem Buche „Die dreistufige Arbeit und der deutsche Genossenschafts-Staat" in eingehender, statutarischer Form versucht wordeu ist. Stets waren die Gemäßigten unter den Socialdemokraten der Meinung, daß es besser sei dem Staate überall da die Hand zu bieten, wo derselbe socia¬ listischen Zielen zustrebe, als principielle Opposition zu machen und das praktische reformatorische Wirken bis auf den Untergang der heutigen Staats-Organisation zu verschieben. In diesem Sinne konnte auch der gemäßigte Fritsche im Reichs¬ tage sagen: als Arbeiter sei er für das Tabaksmonopol, als Parteimann da¬ gegen. Erkennt denn die jetzt in den Vordergrund getretene kleine gemäßigte socialdemokratische Gemeinde nicht, daß gerade die Staatsregierung es ist, welche die staatliche Fürsorge und Hilfe zur Hebung und Sicherung der Arbeiter als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/548>, abgerufen am 23.07.2024.