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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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lösen sich einzelne Gruppen ab, welche uns den Ernst und die schwerwiegende
Bedeutung des Entscheidungskampfes versinnlichen helfen.

Alle diese fein berechneten Einzelheiten fehlen auf dem Wernerschem Bilde,
welches wohl eine correcte Abschrift der Natur sein mag, in welchem man aber
das Walten eiues fein ausgebildeten, künstlerischen Sinnes vermißt. Das große
Gemälde ist von zwei Porträts des Fürsten Bismarck und des Grafen Moltke
in ganzer Figur flcmkirt. Die Porträtmalerei ist bekanntlich A. v. Werners
Sache niemals gewesen. Ein liebevolles Eindringen in eine Individualität, eine
tiefe Ergründung ihres Seelenlebens hat ihm stets fern gelegen, und fo find
auch diese beiden Bildnisse wie ein ebenfalls auf der Ausstellung befindliches,
mit Kreide gezeichnetes Porträt des Kaisers nichts weniger als geistig erschöp¬
fend. Sie geben eben uur den flüchtigen Eindruck der Persönlichkeiten in kräf¬
tigen, aber groben Umrissen wieder.

Ein kleines Salonbild, auf welchem A. v. Werner, wie es scheint, mit
Menzel zu wetteifern sucht und welches auch ganz von seiner Eigenart abweicht,
ist sehr viel glücklicher gelungen, vielleicht schon deshalb, weil es bedeutend be¬
scheidener auftritt. Eine Taufe im Hause des Künstlers, bei welcher der Kron¬
prinz und die Kronprinzessin, die Prinzessin Albrecht, Graf Moltke und viele
Amts- und Kunstgenossen des Malers zugegen waren, hat das Motiv geliefert.
In einem von Kerzenlicht und einer Gaskrone erleuchteten Raume, der mit
Teppichen, Draperien, Palmen und blühenden Gewächsen ausgestattet ist, geht
die heilige Handlung vor sich. Den Lichterglanz und die opalartig leuchtenden
Glasglocken hat Werner nun freilich nicht mit jener Virtuosität darzustellen
vermocht, welche Menzel nach unablässigen Studien erreicht hat. Seine Technik
ist denn doch nicht elastisch genug, um Schwierigkeiten, wie sie ein brennendes
Licht dem Maler bietet, zu überwinden. Wenn er nun aber auch in der Dar¬
stellung der Lichtquellen nicht besonders glücklich war, so hat er doch ihre Wir¬
kungen, namentlich das Spiel des Helldunkels, ausgiebig zur Anschauung ge¬
bracht. Die meisten der kaum spannenlangen Figürchen zeichnen sich auch durch
große Porträtähnlichkeit aus, und das ist am Ende alles, was man von einem
derartigen Bilde, dessen Charakter ein fast ausschließlich privater ist, billig er¬
warten darf. Noch einmal macht uns der Künstler mit seiner Familie bekannt
ans einem Aquarell, welches ihn und die Seinigen auf der Veranda einer Villa
am Strande von Heringsdorf zeigt. Lag es in der Absicht des Malers, uns
die Oede und Langweiligkeit solcher Stranddvrfer durch die Trockenheit und
Monotonie des Colorits zu versinnlichen?

Sonst ist die Landschaft, die Marine sowohl wie die Landschaft im
eigentlichen Wortsinn, in so vorzüglicher Güte vertreten, daß sie gewissermaßen
die Signatur der Ausstellung von 1880 bildet. Es fehlt nicht ein einziger von


lösen sich einzelne Gruppen ab, welche uns den Ernst und die schwerwiegende
Bedeutung des Entscheidungskampfes versinnlichen helfen.

Alle diese fein berechneten Einzelheiten fehlen auf dem Wernerschem Bilde,
welches wohl eine correcte Abschrift der Natur sein mag, in welchem man aber
das Walten eiues fein ausgebildeten, künstlerischen Sinnes vermißt. Das große
Gemälde ist von zwei Porträts des Fürsten Bismarck und des Grafen Moltke
in ganzer Figur flcmkirt. Die Porträtmalerei ist bekanntlich A. v. Werners
Sache niemals gewesen. Ein liebevolles Eindringen in eine Individualität, eine
tiefe Ergründung ihres Seelenlebens hat ihm stets fern gelegen, und fo find
auch diese beiden Bildnisse wie ein ebenfalls auf der Ausstellung befindliches,
mit Kreide gezeichnetes Porträt des Kaisers nichts weniger als geistig erschöp¬
fend. Sie geben eben uur den flüchtigen Eindruck der Persönlichkeiten in kräf¬
tigen, aber groben Umrissen wieder.

Ein kleines Salonbild, auf welchem A. v. Werner, wie es scheint, mit
Menzel zu wetteifern sucht und welches auch ganz von seiner Eigenart abweicht,
ist sehr viel glücklicher gelungen, vielleicht schon deshalb, weil es bedeutend be¬
scheidener auftritt. Eine Taufe im Hause des Künstlers, bei welcher der Kron¬
prinz und die Kronprinzessin, die Prinzessin Albrecht, Graf Moltke und viele
Amts- und Kunstgenossen des Malers zugegen waren, hat das Motiv geliefert.
In einem von Kerzenlicht und einer Gaskrone erleuchteten Raume, der mit
Teppichen, Draperien, Palmen und blühenden Gewächsen ausgestattet ist, geht
die heilige Handlung vor sich. Den Lichterglanz und die opalartig leuchtenden
Glasglocken hat Werner nun freilich nicht mit jener Virtuosität darzustellen
vermocht, welche Menzel nach unablässigen Studien erreicht hat. Seine Technik
ist denn doch nicht elastisch genug, um Schwierigkeiten, wie sie ein brennendes
Licht dem Maler bietet, zu überwinden. Wenn er nun aber auch in der Dar¬
stellung der Lichtquellen nicht besonders glücklich war, so hat er doch ihre Wir¬
kungen, namentlich das Spiel des Helldunkels, ausgiebig zur Anschauung ge¬
bracht. Die meisten der kaum spannenlangen Figürchen zeichnen sich auch durch
große Porträtähnlichkeit aus, und das ist am Ende alles, was man von einem
derartigen Bilde, dessen Charakter ein fast ausschließlich privater ist, billig er¬
warten darf. Noch einmal macht uns der Künstler mit seiner Familie bekannt
ans einem Aquarell, welches ihn und die Seinigen auf der Veranda einer Villa
am Strande von Heringsdorf zeigt. Lag es in der Absicht des Malers, uns
die Oede und Langweiligkeit solcher Stranddvrfer durch die Trockenheit und
Monotonie des Colorits zu versinnlichen?

Sonst ist die Landschaft, die Marine sowohl wie die Landschaft im
eigentlichen Wortsinn, in so vorzüglicher Güte vertreten, daß sie gewissermaßen
die Signatur der Ausstellung von 1880 bildet. Es fehlt nicht ein einziger von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/539>, abgerufen am 23.07.2024.