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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Stils hinausgehen. Das riesige Bild ist merkwürdigerweise -- ich weiß nicht,
aus welchen Grunde -- braun in brann gemalt, so daß der Pilotyschnler (ein
solcher scheint Pichler zu sein) die Langweiligkeit der wehklagenden Gestalten
nicht einmal durch coloristische Reize vermindert hat. Den Hauptaccent auf
das Colorit hat dagegen Max Michael, der Vorsteher der Malklasse an
unserer Akademie, in seinem "Hiob" gelegt. Der Künstler, von dem wir bis¬
her nur kleine Genrebilder aus dem italienischen Volksleben von trüber Fär¬
bung mit einem Stich ins Grünliche gesehen hatten, mußte endlich einmal einen
Nachweis liefern, der seine Berufung an die Akademie rechtfertigte. Ein solcher
ist durch seinen "Hiob" nun erfolgt. Der greisenhafte Körper des geschlagenen
Knechtes Gottes ist mit großer Meisterschaft gezeichnet und in der Farbe ge¬
schickt durchgeführt. Das Interesse, welches uns derselbe einflößt, ist freilich,
wie man sich leicht denken kann, ein mehr pathologisches. Indessen hilft der
edle ausdrucksvolle Kopf des Greises über diesen nicht angenehmen Eindruck
hinweg, und die in kräftigen Tönen gehaltenen Gewänder der drei Freunde,
welche sich mit Hiob zu einer trefflich componirter Gruppe vereinigen, tragen
ebenfalls dazu bei, daß der fahle, gebrechliche Leib des Alten nicht zur Domi¬
naute des Bildes wird. Auch die Köpfe der Freunde sind voll Ausdruck und
Leben. Nur findet man in ihnen jene graugrünen Töne wieder, die Michael
für die zur Modellirung nöthigen Halbschatten unerläßlich hält. Ein Genre¬
bild -- ein kleines Mädchen "an der Quelle" -- ist denn auch wieder ganz in
der verblasenen und unbestimmten Manier gemalt, welche dem Künstler schon
bei seinem ersten Auftreten vor fünfundzwanzig Jahren die herbsten Rügen der
Kritik zugezogen hat.

Stoffe aus dem Neuen Testament haben nur drei Maler behandelt: Gustav
Spangenberg, Albert Baur und Eduard vonHagen (Erfurt). Es scheint,
als hätte Spangenberg mit seinem stimmungsvollen "Zuge des Todes" der ihm
1877 die große goldene Medaille einbrachte, seine Productionskraft vollständig
erschöpft. Von Jahr zu Jahr sind seine Leistungen schwächer geworden. Ich
glaube nicht, daß er noch einen Schritt tiefer steigen kann, als er es mit den
"Drei Frauen am Grabe des Herrn" gethan hat. Die Scene ist wieder in
das Altdeutsche übertragen. Die drei Frauen, welche am Eingange der Höhle
vor der blendenden Erscheinung des Engels zurückschrecken, sind ganz in jener
Holbein-Dürerschen Art behandelt, in welcher Spangenberg den höchsten Aus¬
druck der Kunst zu finden vermeint. Ihre Köpfe sind, wie gewöhnlich bei Span¬
genberg, flach und ausdruckslos. Die Hauptwirkung des Bildes liegt aber nicht
in ihnen, sondern in dem vom lichten Glänze umflossenen Engel, welcher im
Hintergrunde der Felsenhöhle auf dem leeren Sarkophage sitzt und mit der
Linken nach oben weist. Spangenbergs eoloristischen Fähigkeiten sind von er-


Stils hinausgehen. Das riesige Bild ist merkwürdigerweise — ich weiß nicht,
aus welchen Grunde — braun in brann gemalt, so daß der Pilotyschnler (ein
solcher scheint Pichler zu sein) die Langweiligkeit der wehklagenden Gestalten
nicht einmal durch coloristische Reize vermindert hat. Den Hauptaccent auf
das Colorit hat dagegen Max Michael, der Vorsteher der Malklasse an
unserer Akademie, in seinem „Hiob" gelegt. Der Künstler, von dem wir bis¬
her nur kleine Genrebilder aus dem italienischen Volksleben von trüber Fär¬
bung mit einem Stich ins Grünliche gesehen hatten, mußte endlich einmal einen
Nachweis liefern, der seine Berufung an die Akademie rechtfertigte. Ein solcher
ist durch seinen „Hiob" nun erfolgt. Der greisenhafte Körper des geschlagenen
Knechtes Gottes ist mit großer Meisterschaft gezeichnet und in der Farbe ge¬
schickt durchgeführt. Das Interesse, welches uns derselbe einflößt, ist freilich,
wie man sich leicht denken kann, ein mehr pathologisches. Indessen hilft der
edle ausdrucksvolle Kopf des Greises über diesen nicht angenehmen Eindruck
hinweg, und die in kräftigen Tönen gehaltenen Gewänder der drei Freunde,
welche sich mit Hiob zu einer trefflich componirter Gruppe vereinigen, tragen
ebenfalls dazu bei, daß der fahle, gebrechliche Leib des Alten nicht zur Domi¬
naute des Bildes wird. Auch die Köpfe der Freunde sind voll Ausdruck und
Leben. Nur findet man in ihnen jene graugrünen Töne wieder, die Michael
für die zur Modellirung nöthigen Halbschatten unerläßlich hält. Ein Genre¬
bild — ein kleines Mädchen „an der Quelle" — ist denn auch wieder ganz in
der verblasenen und unbestimmten Manier gemalt, welche dem Künstler schon
bei seinem ersten Auftreten vor fünfundzwanzig Jahren die herbsten Rügen der
Kritik zugezogen hat.

Stoffe aus dem Neuen Testament haben nur drei Maler behandelt: Gustav
Spangenberg, Albert Baur und Eduard vonHagen (Erfurt). Es scheint,
als hätte Spangenberg mit seinem stimmungsvollen „Zuge des Todes" der ihm
1877 die große goldene Medaille einbrachte, seine Productionskraft vollständig
erschöpft. Von Jahr zu Jahr sind seine Leistungen schwächer geworden. Ich
glaube nicht, daß er noch einen Schritt tiefer steigen kann, als er es mit den
„Drei Frauen am Grabe des Herrn" gethan hat. Die Scene ist wieder in
das Altdeutsche übertragen. Die drei Frauen, welche am Eingange der Höhle
vor der blendenden Erscheinung des Engels zurückschrecken, sind ganz in jener
Holbein-Dürerschen Art behandelt, in welcher Spangenberg den höchsten Aus¬
druck der Kunst zu finden vermeint. Ihre Köpfe sind, wie gewöhnlich bei Span¬
genberg, flach und ausdruckslos. Die Hauptwirkung des Bildes liegt aber nicht
in ihnen, sondern in dem vom lichten Glänze umflossenen Engel, welcher im
Hintergrunde der Felsenhöhle auf dem leeren Sarkophage sitzt und mit der
Linken nach oben weist. Spangenbergs eoloristischen Fähigkeiten sind von er-


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[0505] Stils hinausgehen. Das riesige Bild ist merkwürdigerweise — ich weiß nicht, aus welchen Grunde — braun in brann gemalt, so daß der Pilotyschnler (ein solcher scheint Pichler zu sein) die Langweiligkeit der wehklagenden Gestalten nicht einmal durch coloristische Reize vermindert hat. Den Hauptaccent auf das Colorit hat dagegen Max Michael, der Vorsteher der Malklasse an unserer Akademie, in seinem „Hiob" gelegt. Der Künstler, von dem wir bis¬ her nur kleine Genrebilder aus dem italienischen Volksleben von trüber Fär¬ bung mit einem Stich ins Grünliche gesehen hatten, mußte endlich einmal einen Nachweis liefern, der seine Berufung an die Akademie rechtfertigte. Ein solcher ist durch seinen „Hiob" nun erfolgt. Der greisenhafte Körper des geschlagenen Knechtes Gottes ist mit großer Meisterschaft gezeichnet und in der Farbe ge¬ schickt durchgeführt. Das Interesse, welches uns derselbe einflößt, ist freilich, wie man sich leicht denken kann, ein mehr pathologisches. Indessen hilft der edle ausdrucksvolle Kopf des Greises über diesen nicht angenehmen Eindruck hinweg, und die in kräftigen Tönen gehaltenen Gewänder der drei Freunde, welche sich mit Hiob zu einer trefflich componirter Gruppe vereinigen, tragen ebenfalls dazu bei, daß der fahle, gebrechliche Leib des Alten nicht zur Domi¬ naute des Bildes wird. Auch die Köpfe der Freunde sind voll Ausdruck und Leben. Nur findet man in ihnen jene graugrünen Töne wieder, die Michael für die zur Modellirung nöthigen Halbschatten unerläßlich hält. Ein Genre¬ bild — ein kleines Mädchen „an der Quelle" — ist denn auch wieder ganz in der verblasenen und unbestimmten Manier gemalt, welche dem Künstler schon bei seinem ersten Auftreten vor fünfundzwanzig Jahren die herbsten Rügen der Kritik zugezogen hat. Stoffe aus dem Neuen Testament haben nur drei Maler behandelt: Gustav Spangenberg, Albert Baur und Eduard vonHagen (Erfurt). Es scheint, als hätte Spangenberg mit seinem stimmungsvollen „Zuge des Todes" der ihm 1877 die große goldene Medaille einbrachte, seine Productionskraft vollständig erschöpft. Von Jahr zu Jahr sind seine Leistungen schwächer geworden. Ich glaube nicht, daß er noch einen Schritt tiefer steigen kann, als er es mit den „Drei Frauen am Grabe des Herrn" gethan hat. Die Scene ist wieder in das Altdeutsche übertragen. Die drei Frauen, welche am Eingange der Höhle vor der blendenden Erscheinung des Engels zurückschrecken, sind ganz in jener Holbein-Dürerschen Art behandelt, in welcher Spangenberg den höchsten Aus¬ druck der Kunst zu finden vermeint. Ihre Köpfe sind, wie gewöhnlich bei Span¬ genberg, flach und ausdruckslos. Die Hauptwirkung des Bildes liegt aber nicht in ihnen, sondern in dem vom lichten Glänze umflossenen Engel, welcher im Hintergrunde der Felsenhöhle auf dem leeren Sarkophage sitzt und mit der Linken nach oben weist. Spangenbergs eoloristischen Fähigkeiten sind von er-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/505>, abgerufen am 23.07.2024.