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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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gering und ihrer hohen Preise wegen nur der kleinen bessersitnirten Minderheit
zugänglich. Und doch, welche ungeheueren Schätze animalischer Nahrung ent¬
halten allein unsere europäischen Meere! Ungenützt gehen sie darin zu Grunde,
um sich in ewiger Jugendkraft immer von neuem wieder zu erzeugen. Eine
englische Parlaments-Commission sprach sich einst über den unermeßlichen Fisch-
Reichthum des deutschen Meeres mit folgenden Worten aus: "Das deutsche
Meer ist ertragreicher als unser Ackerland; unsere reichsten Felder sind weniger
fruchtbar an Nahrungsstoffen als Deutschlands Fischereigründe. Ein Morgen
guten Bodens liefert etwa 20 Centner Getreide jährlich oder 3 Centner Fleisch
und Käse; aus einer ebenso großen Wasserfläche mit Fischereigrund kann man
dasselbe Gewicht von Nahrungsgehalt jede Woche schöpfen." Solcher frucht¬
baren Fischereigründe giebt es aber noch unzählige auf der Erde. Die Holländer
verkauften schon 1603 für 30 Millionen Thaler Heringe und hatten 12000
Segelfahrzeuge mit 200000 Mann Besatzung. Die Engländer entsendeten allein
von Wink in Schottland jährlich eine Heringsflotte von 1200 Boten, aus ganz
Schottland aber entsandten sie schon vor 20 Jahren eine Flotte von 12 000
Boten mit 40000 Mann, für welche außerdem noch etwa 94000 Personen
arbeiteten. Außerdem schickt England etwa 14000 Bote mit 50 000 Mann ans
den Meeren umher, Irland 16000 Bote mit 80000 Mann. Die Vereinigten
Staaten mit ihren fruchtbaren Meeresküsten ernten aus der Arbeit auf ihren
Gewässern Hunderte von Procenten. Die Flotte allein, welche die Gewässer
der Freundschaftsinseln mit etwa 1000 Schiffen und 20000 Mann befischt,
bringt einen Reinertrag von 16 Millionen Dollars. 30 Millionen Scheffel
Austern essen die Amerikaner jährlich und haben dabei noch fabelhafte Ueber¬
schüsse für Ausfuhr. In Frankreich steht die Privatfischerei in großer Blüthe.
Alle Küstenfischer zusammen steigerten ihren Jahresgewinn in den letzten 10
Jahren von 10 auf 20 Millionen Francs. Die französische Flotte für Wal¬
fische und Robben mit 150 großen Fahrzeugen erntet mit 15000 Mann binnen
wenigen Monaten 200000 Tonnen Oel und 2'/s Millionen Pfund sonstiger
Fischwerthe. Die Norweger holen sich, weil sie sehr wenig Ackerland haben,
jährlich mehr als zwölf Millionen Thaler an Nahrungswerthen aus dem Wasser.
Ihr Stocksischsang um die Loffoden-Jnseln mit 4000 Boten und 20 -- 30000
Mann Besatzung bildet wohl überhaupt' die großartigste und heroischste Indu¬
strie auf dem Meere. Die Spanier treiben mit beinahe 6000 Schiffen und
etwa 20000 Küstenfahrzeugen großartigen Sardinen-, Thun- und Lachsfischfang.
Belgien bringt es mit 300 Schaluppen und etwa L000 Mann auf jährlich'50 000
Centner Stockfische und 20000 Centner Heringe. Aber wie großartig diese
Angaben auch klingen mögen, so sind es doch nur kleine Anfänge und Versuche
im Verhältniß zu der Entwicklung, welche auf dem Fischerei-Gebiet und dem


gering und ihrer hohen Preise wegen nur der kleinen bessersitnirten Minderheit
zugänglich. Und doch, welche ungeheueren Schätze animalischer Nahrung ent¬
halten allein unsere europäischen Meere! Ungenützt gehen sie darin zu Grunde,
um sich in ewiger Jugendkraft immer von neuem wieder zu erzeugen. Eine
englische Parlaments-Commission sprach sich einst über den unermeßlichen Fisch-
Reichthum des deutschen Meeres mit folgenden Worten aus: „Das deutsche
Meer ist ertragreicher als unser Ackerland; unsere reichsten Felder sind weniger
fruchtbar an Nahrungsstoffen als Deutschlands Fischereigründe. Ein Morgen
guten Bodens liefert etwa 20 Centner Getreide jährlich oder 3 Centner Fleisch
und Käse; aus einer ebenso großen Wasserfläche mit Fischereigrund kann man
dasselbe Gewicht von Nahrungsgehalt jede Woche schöpfen." Solcher frucht¬
baren Fischereigründe giebt es aber noch unzählige auf der Erde. Die Holländer
verkauften schon 1603 für 30 Millionen Thaler Heringe und hatten 12000
Segelfahrzeuge mit 200000 Mann Besatzung. Die Engländer entsendeten allein
von Wink in Schottland jährlich eine Heringsflotte von 1200 Boten, aus ganz
Schottland aber entsandten sie schon vor 20 Jahren eine Flotte von 12 000
Boten mit 40000 Mann, für welche außerdem noch etwa 94000 Personen
arbeiteten. Außerdem schickt England etwa 14000 Bote mit 50 000 Mann ans
den Meeren umher, Irland 16000 Bote mit 80000 Mann. Die Vereinigten
Staaten mit ihren fruchtbaren Meeresküsten ernten aus der Arbeit auf ihren
Gewässern Hunderte von Procenten. Die Flotte allein, welche die Gewässer
der Freundschaftsinseln mit etwa 1000 Schiffen und 20000 Mann befischt,
bringt einen Reinertrag von 16 Millionen Dollars. 30 Millionen Scheffel
Austern essen die Amerikaner jährlich und haben dabei noch fabelhafte Ueber¬
schüsse für Ausfuhr. In Frankreich steht die Privatfischerei in großer Blüthe.
Alle Küstenfischer zusammen steigerten ihren Jahresgewinn in den letzten 10
Jahren von 10 auf 20 Millionen Francs. Die französische Flotte für Wal¬
fische und Robben mit 150 großen Fahrzeugen erntet mit 15000 Mann binnen
wenigen Monaten 200000 Tonnen Oel und 2'/s Millionen Pfund sonstiger
Fischwerthe. Die Norweger holen sich, weil sie sehr wenig Ackerland haben,
jährlich mehr als zwölf Millionen Thaler an Nahrungswerthen aus dem Wasser.
Ihr Stocksischsang um die Loffoden-Jnseln mit 4000 Boten und 20 — 30000
Mann Besatzung bildet wohl überhaupt' die großartigste und heroischste Indu¬
strie auf dem Meere. Die Spanier treiben mit beinahe 6000 Schiffen und
etwa 20000 Küstenfahrzeugen großartigen Sardinen-, Thun- und Lachsfischfang.
Belgien bringt es mit 300 Schaluppen und etwa L000 Mann auf jährlich'50 000
Centner Stockfische und 20000 Centner Heringe. Aber wie großartig diese
Angaben auch klingen mögen, so sind es doch nur kleine Anfänge und Versuche
im Verhältniß zu der Entwicklung, welche auf dem Fischerei-Gebiet und dem


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[0497] gering und ihrer hohen Preise wegen nur der kleinen bessersitnirten Minderheit zugänglich. Und doch, welche ungeheueren Schätze animalischer Nahrung ent¬ halten allein unsere europäischen Meere! Ungenützt gehen sie darin zu Grunde, um sich in ewiger Jugendkraft immer von neuem wieder zu erzeugen. Eine englische Parlaments-Commission sprach sich einst über den unermeßlichen Fisch- Reichthum des deutschen Meeres mit folgenden Worten aus: „Das deutsche Meer ist ertragreicher als unser Ackerland; unsere reichsten Felder sind weniger fruchtbar an Nahrungsstoffen als Deutschlands Fischereigründe. Ein Morgen guten Bodens liefert etwa 20 Centner Getreide jährlich oder 3 Centner Fleisch und Käse; aus einer ebenso großen Wasserfläche mit Fischereigrund kann man dasselbe Gewicht von Nahrungsgehalt jede Woche schöpfen." Solcher frucht¬ baren Fischereigründe giebt es aber noch unzählige auf der Erde. Die Holländer verkauften schon 1603 für 30 Millionen Thaler Heringe und hatten 12000 Segelfahrzeuge mit 200000 Mann Besatzung. Die Engländer entsendeten allein von Wink in Schottland jährlich eine Heringsflotte von 1200 Boten, aus ganz Schottland aber entsandten sie schon vor 20 Jahren eine Flotte von 12 000 Boten mit 40000 Mann, für welche außerdem noch etwa 94000 Personen arbeiteten. Außerdem schickt England etwa 14000 Bote mit 50 000 Mann ans den Meeren umher, Irland 16000 Bote mit 80000 Mann. Die Vereinigten Staaten mit ihren fruchtbaren Meeresküsten ernten aus der Arbeit auf ihren Gewässern Hunderte von Procenten. Die Flotte allein, welche die Gewässer der Freundschaftsinseln mit etwa 1000 Schiffen und 20000 Mann befischt, bringt einen Reinertrag von 16 Millionen Dollars. 30 Millionen Scheffel Austern essen die Amerikaner jährlich und haben dabei noch fabelhafte Ueber¬ schüsse für Ausfuhr. In Frankreich steht die Privatfischerei in großer Blüthe. Alle Küstenfischer zusammen steigerten ihren Jahresgewinn in den letzten 10 Jahren von 10 auf 20 Millionen Francs. Die französische Flotte für Wal¬ fische und Robben mit 150 großen Fahrzeugen erntet mit 15000 Mann binnen wenigen Monaten 200000 Tonnen Oel und 2'/s Millionen Pfund sonstiger Fischwerthe. Die Norweger holen sich, weil sie sehr wenig Ackerland haben, jährlich mehr als zwölf Millionen Thaler an Nahrungswerthen aus dem Wasser. Ihr Stocksischsang um die Loffoden-Jnseln mit 4000 Boten und 20 — 30000 Mann Besatzung bildet wohl überhaupt' die großartigste und heroischste Indu¬ strie auf dem Meere. Die Spanier treiben mit beinahe 6000 Schiffen und etwa 20000 Küstenfahrzeugen großartigen Sardinen-, Thun- und Lachsfischfang. Belgien bringt es mit 300 Schaluppen und etwa L000 Mann auf jährlich'50 000 Centner Stockfische und 20000 Centner Heringe. Aber wie großartig diese Angaben auch klingen mögen, so sind es doch nur kleine Anfänge und Versuche im Verhältniß zu der Entwicklung, welche auf dem Fischerei-Gebiet und dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/497>, abgerufen am 23.07.2024.