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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Stil bekanntlich am längsten erhalten -- ans dem Hanse des Cölner Bürger¬
meisters Gerhard von Pilgrnm (1571 -- 1593) her, und ebenso läßt sich noch
manches andere Stück bis auf den ersten Eigenthümer zurückverfolgen. Einige
Stücke sind auch mit Jahreszahlen bezeichnet, wie der überaus merkwürdige
Eichenhvlzschrank des Bürgermeisters Thewalt von 1533. Dieses auch kunst-
histvrisch wichtige Möbel zeigt uns, mit welcher Klugheit die Handwerker die
gothischen Cvnstruetionselemente.mit den neu auftauchenden Zierformen der
"antikischen Art", wie Dürer sagte, zu verschmelzen wußten. Soviel ich weiß,
existirt in Deutschland kein früheres datirtes Werk eines Kunstschreiners, ans
welchem bereits das Renaissance-Ornament eine gleich hervorragende Rolle spielt.
Mit voller Entschiedenheit bricht der neue Stil in den Porträtmedaillons und
den fast frei herausgeschnitzten Figuren der oberen Schranketage durch. Zwei
Prachtrüstungen aus der Zeit Kaiser Maximilians (im Besitze des Goldschmieds
Vasters in Aachen) legen auch hier beredtes Zeugniß von der erstaunlichen
Kunstfertigkeit der deutschen Plattner oder Harnischmacher ab, die so wenig im
Auslande ihres Gleichen fanden, daß sogar die französischen Könige Franz 1.
und Heinrich II., was seit der Auffindung der Entwürfe im Münchener Kupfer-
stichkabinet durch Hefuer o. Alteneck feststeht, sich ihre Prachtrüstungen von Mei¬
stern in Augsburg, München und Innsbruck anfertigen ließen. Mit ihnen kann
sich, was die Feinheit der Ausführung und die Eleganz des Ornaments betrifft,
die ebenfalls im Reuaissaneezimmer ausgestellte Rüstung des Markgrafen Albrecht
Achilles (Burg Rheinstein) messen, die freilich einer bedeutend früheren Epoche
angehört. Ein Meisterwerk der Hochrenaissance ist dagegen die mit eingeätzten
Goldstreifen pompös decorirte Rüstung des Markgrafen Georg Friedrich von
Brandenburg, welche laut Monogramm eine Arbeit des Nürnberger Harnisch¬
machers Valentin siebenbürger ist. Man findet dieselbe Rüstung auch auf dem
Sarkophage des Markgrafen in Heilbronn in Marmor nachgebildet.

Ich nannte oben unter den Städten, welche durch ihre Plattner berühmt
waren, auch Innsbruck, eine Stadt, die doch neben Augsburg und Nürnberg
eine sehr bescheidene Rolle gespielt hat. Und doch hat selbst in den winzigsten
Städten Rheinlands und Westfalens ein Kunstleben geblüht, von dem wir uns
heute nur eine ganz vage Vorstellung machen können, die ab und zu durch einen
glücklichen Gelegeuheitsfuud eine festere Gestalt gewinnt So wissen wir erst
seit einem Jahre, daß das kleine westfälische Städtchen Warburg, welches heute
noch keine 5000 Einwohner zählt, einen Goldschmied beherbergte, mit dem sich
der abenteuerliche Prahlhans Cellini, was die Solidität der Arbeit und die
Feinheit des Geschmacks anbetrifft, nicht messen kann. Auf der kunstgewerblichen
Ausstellung in Münster (1879) kamen zum ersten Male die Meisterwerke des
Warburger Goldschmieds Antonius Eisenhoit, den man bis dahin nur als


Stil bekanntlich am längsten erhalten — ans dem Hanse des Cölner Bürger¬
meisters Gerhard von Pilgrnm (1571 — 1593) her, und ebenso läßt sich noch
manches andere Stück bis auf den ersten Eigenthümer zurückverfolgen. Einige
Stücke sind auch mit Jahreszahlen bezeichnet, wie der überaus merkwürdige
Eichenhvlzschrank des Bürgermeisters Thewalt von 1533. Dieses auch kunst-
histvrisch wichtige Möbel zeigt uns, mit welcher Klugheit die Handwerker die
gothischen Cvnstruetionselemente.mit den neu auftauchenden Zierformen der
„antikischen Art", wie Dürer sagte, zu verschmelzen wußten. Soviel ich weiß,
existirt in Deutschland kein früheres datirtes Werk eines Kunstschreiners, ans
welchem bereits das Renaissance-Ornament eine gleich hervorragende Rolle spielt.
Mit voller Entschiedenheit bricht der neue Stil in den Porträtmedaillons und
den fast frei herausgeschnitzten Figuren der oberen Schranketage durch. Zwei
Prachtrüstungen aus der Zeit Kaiser Maximilians (im Besitze des Goldschmieds
Vasters in Aachen) legen auch hier beredtes Zeugniß von der erstaunlichen
Kunstfertigkeit der deutschen Plattner oder Harnischmacher ab, die so wenig im
Auslande ihres Gleichen fanden, daß sogar die französischen Könige Franz 1.
und Heinrich II., was seit der Auffindung der Entwürfe im Münchener Kupfer-
stichkabinet durch Hefuer o. Alteneck feststeht, sich ihre Prachtrüstungen von Mei¬
stern in Augsburg, München und Innsbruck anfertigen ließen. Mit ihnen kann
sich, was die Feinheit der Ausführung und die Eleganz des Ornaments betrifft,
die ebenfalls im Reuaissaneezimmer ausgestellte Rüstung des Markgrafen Albrecht
Achilles (Burg Rheinstein) messen, die freilich einer bedeutend früheren Epoche
angehört. Ein Meisterwerk der Hochrenaissance ist dagegen die mit eingeätzten
Goldstreifen pompös decorirte Rüstung des Markgrafen Georg Friedrich von
Brandenburg, welche laut Monogramm eine Arbeit des Nürnberger Harnisch¬
machers Valentin siebenbürger ist. Man findet dieselbe Rüstung auch auf dem
Sarkophage des Markgrafen in Heilbronn in Marmor nachgebildet.

Ich nannte oben unter den Städten, welche durch ihre Plattner berühmt
waren, auch Innsbruck, eine Stadt, die doch neben Augsburg und Nürnberg
eine sehr bescheidene Rolle gespielt hat. Und doch hat selbst in den winzigsten
Städten Rheinlands und Westfalens ein Kunstleben geblüht, von dem wir uns
heute nur eine ganz vage Vorstellung machen können, die ab und zu durch einen
glücklichen Gelegeuheitsfuud eine festere Gestalt gewinnt So wissen wir erst
seit einem Jahre, daß das kleine westfälische Städtchen Warburg, welches heute
noch keine 5000 Einwohner zählt, einen Goldschmied beherbergte, mit dem sich
der abenteuerliche Prahlhans Cellini, was die Solidität der Arbeit und die
Feinheit des Geschmacks anbetrifft, nicht messen kann. Auf der kunstgewerblichen
Ausstellung in Münster (1879) kamen zum ersten Male die Meisterwerke des
Warburger Goldschmieds Antonius Eisenhoit, den man bis dahin nur als


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[0458] Stil bekanntlich am längsten erhalten — ans dem Hanse des Cölner Bürger¬ meisters Gerhard von Pilgrnm (1571 — 1593) her, und ebenso läßt sich noch manches andere Stück bis auf den ersten Eigenthümer zurückverfolgen. Einige Stücke sind auch mit Jahreszahlen bezeichnet, wie der überaus merkwürdige Eichenhvlzschrank des Bürgermeisters Thewalt von 1533. Dieses auch kunst- histvrisch wichtige Möbel zeigt uns, mit welcher Klugheit die Handwerker die gothischen Cvnstruetionselemente.mit den neu auftauchenden Zierformen der „antikischen Art", wie Dürer sagte, zu verschmelzen wußten. Soviel ich weiß, existirt in Deutschland kein früheres datirtes Werk eines Kunstschreiners, ans welchem bereits das Renaissance-Ornament eine gleich hervorragende Rolle spielt. Mit voller Entschiedenheit bricht der neue Stil in den Porträtmedaillons und den fast frei herausgeschnitzten Figuren der oberen Schranketage durch. Zwei Prachtrüstungen aus der Zeit Kaiser Maximilians (im Besitze des Goldschmieds Vasters in Aachen) legen auch hier beredtes Zeugniß von der erstaunlichen Kunstfertigkeit der deutschen Plattner oder Harnischmacher ab, die so wenig im Auslande ihres Gleichen fanden, daß sogar die französischen Könige Franz 1. und Heinrich II., was seit der Auffindung der Entwürfe im Münchener Kupfer- stichkabinet durch Hefuer o. Alteneck feststeht, sich ihre Prachtrüstungen von Mei¬ stern in Augsburg, München und Innsbruck anfertigen ließen. Mit ihnen kann sich, was die Feinheit der Ausführung und die Eleganz des Ornaments betrifft, die ebenfalls im Reuaissaneezimmer ausgestellte Rüstung des Markgrafen Albrecht Achilles (Burg Rheinstein) messen, die freilich einer bedeutend früheren Epoche angehört. Ein Meisterwerk der Hochrenaissance ist dagegen die mit eingeätzten Goldstreifen pompös decorirte Rüstung des Markgrafen Georg Friedrich von Brandenburg, welche laut Monogramm eine Arbeit des Nürnberger Harnisch¬ machers Valentin siebenbürger ist. Man findet dieselbe Rüstung auch auf dem Sarkophage des Markgrafen in Heilbronn in Marmor nachgebildet. Ich nannte oben unter den Städten, welche durch ihre Plattner berühmt waren, auch Innsbruck, eine Stadt, die doch neben Augsburg und Nürnberg eine sehr bescheidene Rolle gespielt hat. Und doch hat selbst in den winzigsten Städten Rheinlands und Westfalens ein Kunstleben geblüht, von dem wir uns heute nur eine ganz vage Vorstellung machen können, die ab und zu durch einen glücklichen Gelegeuheitsfuud eine festere Gestalt gewinnt So wissen wir erst seit einem Jahre, daß das kleine westfälische Städtchen Warburg, welches heute noch keine 5000 Einwohner zählt, einen Goldschmied beherbergte, mit dem sich der abenteuerliche Prahlhans Cellini, was die Solidität der Arbeit und die Feinheit des Geschmacks anbetrifft, nicht messen kann. Auf der kunstgewerblichen Ausstellung in Münster (1879) kamen zum ersten Male die Meisterwerke des Warburger Goldschmieds Antonius Eisenhoit, den man bis dahin nur als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/458>, abgerufen am 23.07.2024.