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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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wie Geistliche und Laien, deren Interessen auf den Gebieten des politischen und
socialen Lebens so weit auseinander gehen, mit einander wetteifern, zu retten,
zu erhalten und das so erworbene zum Gemeingute des Volkes zu machen.
Wie eine glückliche Insel, die von keinem Sturme berührt wird, hebt sich die
Liebe zu einer ruhmvollen künstlerischen Vergangenheit aus dem häßlichen Ge-
woge der Parteileidenschaften empor. In den rauchigen Fabrikstädten der Kohlen-
uud Eisendistrikte, in den stillen Landstädtchen Westfalens, in den kleinen para¬
diesischen Orten, welche wie köstliche Perlen die Ufer des Rheins umsäumen --
überall leben fleißige Sammler, die ruhelos spüren und forschen, wo die Stürme
der Zeit nicht gar zu arg gehaust haben. Auch der Klugheit der Geistlichen,
welche das Kirchengut fast stets zu rechter Zeit in Sicherheit zu bringen wußten,
gebührt der Dank der Nachwelt. Die gegenwärtigen Hüter dieser Schätze wissen
freilich aus dieser kostbaren Hinterlassenschaft Kapital zu schlagen, und nicht
allen von ihnen kann man die Hochherzigkeit nachrühmen, daß sie die gegen¬
wärtige Bewegung im Kunstgewerbe durch Darleihung des ihnen zur Obhut
anvertrauten Gutes unterstützen. Die Herren mögen nicht gern auf die hohen
Einnahmen verzichten, welche ihnen aus der Besichtigung der Neliquienschreine
und Kirchengeräthe durch die Fremden erwachsen, die bekanntlich ein fast überall
sehr hoch bemessenes Eintrittsgeld dafür entrichten müssen. So sucht man z. B.
auch auf der Düsseldorfer Ausstellung die Prachtstücke der Dome von Cöln und
Aachen vergeblich.

Was die Ausstellung kunstgewerblicher Alterthümer in Düsseldorf zunächst
von ihren Vorgängerinnen unterscheidet, ist die Einrichtung von fünf Räumen,
die sich, nach der einen Seite geöffnet, um ein Octogon gruppiren, im Ge¬
schmacke vou ebenso viel Stilperioden. In München war im Jahre 1876 ein
solcher Versuch zuerst gemacht worden und zwar mit solchem Erfolge, daß er
zunächst auf die modernen Kunstgewerbe-Ausstellungen übertragen wurde, auf
welchen die vollständigen Zimmereinrichtungen -- namentlich in Leipzig und
Berlin -- bekanntlich viel Glück machten. Als Repräsentantin der romanischen
Epoche hat man in Düsseldorf eine dreischiffige Kapelle gewühlt, welche in
ihren architektonischen Grundformen getreu der östlichen Hälfte der Deutsch¬
ordenskapelle von Ramersdorf nachgebildet worden ist, die bekanntlich durch
E. v. Lassaulx nach dem Bonner Friedhof übergeführt und dadurch vor dem
Untergange gerettet worden ist. Vor dem Abbrüche entdeckte man die Reste
von Wand- und Gewölbemalereien, die zum Theil sorgfältig durchgepaust, zum
Theil wenigstens skizzirt wurden. Was sich davon noch herstellen ließ, ist in
der Düsseldorfer Kapelle copirt worden. Für die Glasfenster und den Fu߬
bodenbelag, welcher in sehr lehrreicher Weise alle gebräuchlichen Arten "von
der einfarbigen Tonplatte bis zur reichen Stistmosaik und dem glänzenden


wie Geistliche und Laien, deren Interessen auf den Gebieten des politischen und
socialen Lebens so weit auseinander gehen, mit einander wetteifern, zu retten,
zu erhalten und das so erworbene zum Gemeingute des Volkes zu machen.
Wie eine glückliche Insel, die von keinem Sturme berührt wird, hebt sich die
Liebe zu einer ruhmvollen künstlerischen Vergangenheit aus dem häßlichen Ge-
woge der Parteileidenschaften empor. In den rauchigen Fabrikstädten der Kohlen-
uud Eisendistrikte, in den stillen Landstädtchen Westfalens, in den kleinen para¬
diesischen Orten, welche wie köstliche Perlen die Ufer des Rheins umsäumen —
überall leben fleißige Sammler, die ruhelos spüren und forschen, wo die Stürme
der Zeit nicht gar zu arg gehaust haben. Auch der Klugheit der Geistlichen,
welche das Kirchengut fast stets zu rechter Zeit in Sicherheit zu bringen wußten,
gebührt der Dank der Nachwelt. Die gegenwärtigen Hüter dieser Schätze wissen
freilich aus dieser kostbaren Hinterlassenschaft Kapital zu schlagen, und nicht
allen von ihnen kann man die Hochherzigkeit nachrühmen, daß sie die gegen¬
wärtige Bewegung im Kunstgewerbe durch Darleihung des ihnen zur Obhut
anvertrauten Gutes unterstützen. Die Herren mögen nicht gern auf die hohen
Einnahmen verzichten, welche ihnen aus der Besichtigung der Neliquienschreine
und Kirchengeräthe durch die Fremden erwachsen, die bekanntlich ein fast überall
sehr hoch bemessenes Eintrittsgeld dafür entrichten müssen. So sucht man z. B.
auch auf der Düsseldorfer Ausstellung die Prachtstücke der Dome von Cöln und
Aachen vergeblich.

Was die Ausstellung kunstgewerblicher Alterthümer in Düsseldorf zunächst
von ihren Vorgängerinnen unterscheidet, ist die Einrichtung von fünf Räumen,
die sich, nach der einen Seite geöffnet, um ein Octogon gruppiren, im Ge¬
schmacke vou ebenso viel Stilperioden. In München war im Jahre 1876 ein
solcher Versuch zuerst gemacht worden und zwar mit solchem Erfolge, daß er
zunächst auf die modernen Kunstgewerbe-Ausstellungen übertragen wurde, auf
welchen die vollständigen Zimmereinrichtungen — namentlich in Leipzig und
Berlin — bekanntlich viel Glück machten. Als Repräsentantin der romanischen
Epoche hat man in Düsseldorf eine dreischiffige Kapelle gewühlt, welche in
ihren architektonischen Grundformen getreu der östlichen Hälfte der Deutsch¬
ordenskapelle von Ramersdorf nachgebildet worden ist, die bekanntlich durch
E. v. Lassaulx nach dem Bonner Friedhof übergeführt und dadurch vor dem
Untergange gerettet worden ist. Vor dem Abbrüche entdeckte man die Reste
von Wand- und Gewölbemalereien, die zum Theil sorgfältig durchgepaust, zum
Theil wenigstens skizzirt wurden. Was sich davon noch herstellen ließ, ist in
der Düsseldorfer Kapelle copirt worden. Für die Glasfenster und den Fu߬
bodenbelag, welcher in sehr lehrreicher Weise alle gebräuchlichen Arten „von
der einfarbigen Tonplatte bis zur reichen Stistmosaik und dem glänzenden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/455>, abgerufen am 23.07.2024.