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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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ihre Schätze bewundert zu sehen, immer ein mächtiger Motor ist. Andrerseits
erlahmt auch das Interesse der Besucher, d. h. derjenigen, welche sich mit dem
Studium der Alterthümer sei es zu wissenschaftlichen oder zu praktischen Zwecken
beschäftigen, uicht so leicht, weil die alte Kunst so unerschöpflich reich an Reizen
ist, daß man bei jeder Begegnung mit einem alten Kunstwerke immer neue
Anregungen empfängt oder Anlaß zu neuen Beobachtungen findet. Drittens
endlich hat das seit unserer nationalen Einigung wieder erwachte Interesse für
die Werke unserer Väter die erfreuliche Folge gehabt, daß man mit früher nie
gekanntem Eifer die entlegensten Winkel der Kirchen und öffentlichen Gebäude,
die fürstlichen Schatzkammern und die Depots der Stadtgemeinden durchstöbert,
in der Hoffnung, noch etwas zu finden, was die Raublust der Feinde oder
der Stumpfsinn und die Gleichgültigkeit der Bewohner verschont hat. Es ist
erstaunlich, welche Schätze auch heute uoch -- trotz der häufigen Raubzüge der
als Träger der höchsten Cultur sich gerirenden Franzosen -- jahrhunderte¬
langer Verborgenheit entzogen werden und welch ein glänzendes Licht durch
solche Funde und Entdeckungen auf den Reichthum, die Kunstfertigkeit und die
hohe Civilisation unserer Altvordern geworfen wird. Und obwohl gerade die
Rheinlande am meisten den räuberischen Einfällen jener Kulturträger ausgesetzt
gewesen sind, hat sich gerade hier noch außerordentlich viel von den Kunstschätzen
der Vorzeit erhalten, mehr als in irgend einem anderm Gau des deutschen
Vaterlandes. Diese Thatsache liefert uns ein neues Zeugniß für die üppige
Blüthe, deren sich Handel und Wandel während des Mittelalters und der
Renciissame in den Rheingegenden zu erfreuen hatte. Bis in die kleinste Pro-
vinzicilstadt, die heute uur noch ein armseliges Leben als Ackerstädtchen fristet,
hatte sich dieser Kunstfleiß eingebürgert. Die Kirchen von Paderborn und Soest
könnten davon erzählen, wenn ihre Schätze nicht im Jahre 1806 nach Magdeburg
geflüchtet worden wären, wo man sie im Schutze der Festungswülle sicherer
wähnte als in den offenen Landstädten. Es ist bekannt, wie bitter man sich
getäuscht hatte. Während Paderborn und Soest fast unbehelligt blieben, fiel
dem Feinde mit der Festung auch der anvertraute Schatz von silbernen und
goldenen Prachtgefäßen in die Hände, und die Pioniere der Cultur schmolzen
sie schleunigst ein.

Wenn wir uns von diesen Bildern einer trüben Vergangenheit abwenden,
wird unser Blick mit desto hellerer Freude auf dem Erhaltenen ruhen, welches
uns die Ausstellungen in Frankfurt a. M. (1875), in Cöln (1876), in Münster
und Offenbach (1879) und die gegenwärtige in Düsseldorf (1880) vorgeführt
haben. Ein Blick ans die Verzeichnisse dieser Ausstellungen, von denen die
Cölner wohl die reichhaltigste und vielseitigste war, lehrt uns, wie weit der
Sammeleifer unter der gebildeten Bevölkerung der Rheinland" verbreitet ist,


Grenzboten III. 1880. 63

ihre Schätze bewundert zu sehen, immer ein mächtiger Motor ist. Andrerseits
erlahmt auch das Interesse der Besucher, d. h. derjenigen, welche sich mit dem
Studium der Alterthümer sei es zu wissenschaftlichen oder zu praktischen Zwecken
beschäftigen, uicht so leicht, weil die alte Kunst so unerschöpflich reich an Reizen
ist, daß man bei jeder Begegnung mit einem alten Kunstwerke immer neue
Anregungen empfängt oder Anlaß zu neuen Beobachtungen findet. Drittens
endlich hat das seit unserer nationalen Einigung wieder erwachte Interesse für
die Werke unserer Väter die erfreuliche Folge gehabt, daß man mit früher nie
gekanntem Eifer die entlegensten Winkel der Kirchen und öffentlichen Gebäude,
die fürstlichen Schatzkammern und die Depots der Stadtgemeinden durchstöbert,
in der Hoffnung, noch etwas zu finden, was die Raublust der Feinde oder
der Stumpfsinn und die Gleichgültigkeit der Bewohner verschont hat. Es ist
erstaunlich, welche Schätze auch heute uoch — trotz der häufigen Raubzüge der
als Träger der höchsten Cultur sich gerirenden Franzosen — jahrhunderte¬
langer Verborgenheit entzogen werden und welch ein glänzendes Licht durch
solche Funde und Entdeckungen auf den Reichthum, die Kunstfertigkeit und die
hohe Civilisation unserer Altvordern geworfen wird. Und obwohl gerade die
Rheinlande am meisten den räuberischen Einfällen jener Kulturträger ausgesetzt
gewesen sind, hat sich gerade hier noch außerordentlich viel von den Kunstschätzen
der Vorzeit erhalten, mehr als in irgend einem anderm Gau des deutschen
Vaterlandes. Diese Thatsache liefert uns ein neues Zeugniß für die üppige
Blüthe, deren sich Handel und Wandel während des Mittelalters und der
Renciissame in den Rheingegenden zu erfreuen hatte. Bis in die kleinste Pro-
vinzicilstadt, die heute uur noch ein armseliges Leben als Ackerstädtchen fristet,
hatte sich dieser Kunstfleiß eingebürgert. Die Kirchen von Paderborn und Soest
könnten davon erzählen, wenn ihre Schätze nicht im Jahre 1806 nach Magdeburg
geflüchtet worden wären, wo man sie im Schutze der Festungswülle sicherer
wähnte als in den offenen Landstädten. Es ist bekannt, wie bitter man sich
getäuscht hatte. Während Paderborn und Soest fast unbehelligt blieben, fiel
dem Feinde mit der Festung auch der anvertraute Schatz von silbernen und
goldenen Prachtgefäßen in die Hände, und die Pioniere der Cultur schmolzen
sie schleunigst ein.

Wenn wir uns von diesen Bildern einer trüben Vergangenheit abwenden,
wird unser Blick mit desto hellerer Freude auf dem Erhaltenen ruhen, welches
uns die Ausstellungen in Frankfurt a. M. (1875), in Cöln (1876), in Münster
und Offenbach (1879) und die gegenwärtige in Düsseldorf (1880) vorgeführt
haben. Ein Blick ans die Verzeichnisse dieser Ausstellungen, von denen die
Cölner wohl die reichhaltigste und vielseitigste war, lehrt uns, wie weit der
Sammeleifer unter der gebildeten Bevölkerung der Rheinland« verbreitet ist,


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[0454] ihre Schätze bewundert zu sehen, immer ein mächtiger Motor ist. Andrerseits erlahmt auch das Interesse der Besucher, d. h. derjenigen, welche sich mit dem Studium der Alterthümer sei es zu wissenschaftlichen oder zu praktischen Zwecken beschäftigen, uicht so leicht, weil die alte Kunst so unerschöpflich reich an Reizen ist, daß man bei jeder Begegnung mit einem alten Kunstwerke immer neue Anregungen empfängt oder Anlaß zu neuen Beobachtungen findet. Drittens endlich hat das seit unserer nationalen Einigung wieder erwachte Interesse für die Werke unserer Väter die erfreuliche Folge gehabt, daß man mit früher nie gekanntem Eifer die entlegensten Winkel der Kirchen und öffentlichen Gebäude, die fürstlichen Schatzkammern und die Depots der Stadtgemeinden durchstöbert, in der Hoffnung, noch etwas zu finden, was die Raublust der Feinde oder der Stumpfsinn und die Gleichgültigkeit der Bewohner verschont hat. Es ist erstaunlich, welche Schätze auch heute uoch — trotz der häufigen Raubzüge der als Träger der höchsten Cultur sich gerirenden Franzosen — jahrhunderte¬ langer Verborgenheit entzogen werden und welch ein glänzendes Licht durch solche Funde und Entdeckungen auf den Reichthum, die Kunstfertigkeit und die hohe Civilisation unserer Altvordern geworfen wird. Und obwohl gerade die Rheinlande am meisten den räuberischen Einfällen jener Kulturträger ausgesetzt gewesen sind, hat sich gerade hier noch außerordentlich viel von den Kunstschätzen der Vorzeit erhalten, mehr als in irgend einem anderm Gau des deutschen Vaterlandes. Diese Thatsache liefert uns ein neues Zeugniß für die üppige Blüthe, deren sich Handel und Wandel während des Mittelalters und der Renciissame in den Rheingegenden zu erfreuen hatte. Bis in die kleinste Pro- vinzicilstadt, die heute uur noch ein armseliges Leben als Ackerstädtchen fristet, hatte sich dieser Kunstfleiß eingebürgert. Die Kirchen von Paderborn und Soest könnten davon erzählen, wenn ihre Schätze nicht im Jahre 1806 nach Magdeburg geflüchtet worden wären, wo man sie im Schutze der Festungswülle sicherer wähnte als in den offenen Landstädten. Es ist bekannt, wie bitter man sich getäuscht hatte. Während Paderborn und Soest fast unbehelligt blieben, fiel dem Feinde mit der Festung auch der anvertraute Schatz von silbernen und goldenen Prachtgefäßen in die Hände, und die Pioniere der Cultur schmolzen sie schleunigst ein. Wenn wir uns von diesen Bildern einer trüben Vergangenheit abwenden, wird unser Blick mit desto hellerer Freude auf dem Erhaltenen ruhen, welches uns die Ausstellungen in Frankfurt a. M. (1875), in Cöln (1876), in Münster und Offenbach (1879) und die gegenwärtige in Düsseldorf (1880) vorgeführt haben. Ein Blick ans die Verzeichnisse dieser Ausstellungen, von denen die Cölner wohl die reichhaltigste und vielseitigste war, lehrt uns, wie weit der Sammeleifer unter der gebildeten Bevölkerung der Rheinland« verbreitet ist, Grenzboten III. 1880. 63

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/454>, abgerufen am 23.07.2024.