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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Prunkräume wie in Pompeji, Wandmalereien schmückten die Wände, oder sie
wurden mit dünngeschnittenen, feinpolirten Platten prachtvollen, vielfarbigen
Marmors bekleidet, der vielleicht aus Italien oder Nord-Afrika stammte. Auch
plastische Kunstwerke wollte der Virunenser nicht missen. Was an Grabsteinen
derart hervortritt, verräth freilich in den meisten Fällen sehr handwerksmäßige
Ausführung heimischer Steinmetzen, aber auf der anderen Seite sind die schön¬
sten statuarischen Reste, welche die Ostalpenlande aus dem Alterthume aufzu¬
weisen haben, gerade hier zu Tage gekommen, zufällig, wie fast alles auf diesem
Boden: so drei trefflich gearbeitete athletische Figuren etwa in halber Lebens¬
größe, ein Hermes Logios in Bronce, das Bruchstück wahrscheinlich eines tan¬
zenden Faun von carrarischem Marmor, die Porträtstatue eines Knaben in
guter Ausführung u. a. Auch an öffentlichen Gebäuden hat es nicht gefehlt:
die Reste eiues Bades und einer Basilica (Gerichtshalle) glaubt man mit ziem¬
licher Sicherheit gefunden zu haben; daß Göttertempel vorhanden waren, ver¬
steht sich vou selbst.

Kurz, alles verräth ein Dasein, welches an Behaglichkeit und künstlerischer
Veredlung sicherlich dem in keiner Provinzialstadt nachstand, die meisten wahr¬
scheinlich übertraf. Und wie schön war doch die Lage der Stadt! Von ihrer
Höhe schweifte der Blick nordwärts zum Magdalenenberge mit seiner Festung,
westwärts über das breite grüne Thal der Glan, und die Heerstraße, welche
Wagen und Rosse, Reiter und Fußgänger, daun und wann auch eine Heeres¬
abtheilung belebten, hinüber zu grünen bewaldeten Hügeln, über die wiederum
der Ulrichsberg seinen abgestumpften Kegel erhebt. Im Süden aber fesselte
das Auge die zackige Kette der Karavanken, grauweiß im hellen Lichte des Tages,
mattrosa gefärbt von der sinkenden Sonne und in dunkles Blau sich sullent,
wenn die Schatten des Abends sich darüber lagerten, oder dem Anblick ganz
entzogen durch tiefschleifendes Regengewölk. Wer dies Virunum in seiner besten
Zeit, im ersten und zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung, betrat, der hatte
denn auch sicherlich den Eindruck einer durchaus italischen Stadt. Italisch war
die Bauweise und die Ausschmückung der Häuser, italisch vielfach Glaube und
Sitte, Sprache und Bildung, italisch vor allem staatliche und städtische Ordnung.
Was Jahrhunderte später in diesen Ostalpenlanden so bemerkenswerth hervorge¬
treten ist, der Einfluß italienischer Kunstübung und italienischen Glaubens, was
noch heute z. B. Salzburg seinen architectonischen Charakter aufdrückt und die
österreichischen Lande bei der römischen Kirche erhalten oder ihr zurückerobert
hat, das ist ganz ähnlich schon einmal in der römischen Kaiserzeit vorhanden
gewesen, und die norischen Kelten hatten diesem südländischen Einfluß unver¬
gleichlich viel weniger entgegenzusetzen, als die deutschen Oesterreicher des 16.
und 17. Jahrhunderts. Kein Wunder, daß sie ihm erlagen, mindestens da, wo


Prunkräume wie in Pompeji, Wandmalereien schmückten die Wände, oder sie
wurden mit dünngeschnittenen, feinpolirten Platten prachtvollen, vielfarbigen
Marmors bekleidet, der vielleicht aus Italien oder Nord-Afrika stammte. Auch
plastische Kunstwerke wollte der Virunenser nicht missen. Was an Grabsteinen
derart hervortritt, verräth freilich in den meisten Fällen sehr handwerksmäßige
Ausführung heimischer Steinmetzen, aber auf der anderen Seite sind die schön¬
sten statuarischen Reste, welche die Ostalpenlande aus dem Alterthume aufzu¬
weisen haben, gerade hier zu Tage gekommen, zufällig, wie fast alles auf diesem
Boden: so drei trefflich gearbeitete athletische Figuren etwa in halber Lebens¬
größe, ein Hermes Logios in Bronce, das Bruchstück wahrscheinlich eines tan¬
zenden Faun von carrarischem Marmor, die Porträtstatue eines Knaben in
guter Ausführung u. a. Auch an öffentlichen Gebäuden hat es nicht gefehlt:
die Reste eiues Bades und einer Basilica (Gerichtshalle) glaubt man mit ziem¬
licher Sicherheit gefunden zu haben; daß Göttertempel vorhanden waren, ver¬
steht sich vou selbst.

Kurz, alles verräth ein Dasein, welches an Behaglichkeit und künstlerischer
Veredlung sicherlich dem in keiner Provinzialstadt nachstand, die meisten wahr¬
scheinlich übertraf. Und wie schön war doch die Lage der Stadt! Von ihrer
Höhe schweifte der Blick nordwärts zum Magdalenenberge mit seiner Festung,
westwärts über das breite grüne Thal der Glan, und die Heerstraße, welche
Wagen und Rosse, Reiter und Fußgänger, daun und wann auch eine Heeres¬
abtheilung belebten, hinüber zu grünen bewaldeten Hügeln, über die wiederum
der Ulrichsberg seinen abgestumpften Kegel erhebt. Im Süden aber fesselte
das Auge die zackige Kette der Karavanken, grauweiß im hellen Lichte des Tages,
mattrosa gefärbt von der sinkenden Sonne und in dunkles Blau sich sullent,
wenn die Schatten des Abends sich darüber lagerten, oder dem Anblick ganz
entzogen durch tiefschleifendes Regengewölk. Wer dies Virunum in seiner besten
Zeit, im ersten und zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung, betrat, der hatte
denn auch sicherlich den Eindruck einer durchaus italischen Stadt. Italisch war
die Bauweise und die Ausschmückung der Häuser, italisch vielfach Glaube und
Sitte, Sprache und Bildung, italisch vor allem staatliche und städtische Ordnung.
Was Jahrhunderte später in diesen Ostalpenlanden so bemerkenswerth hervorge¬
treten ist, der Einfluß italienischer Kunstübung und italienischen Glaubens, was
noch heute z. B. Salzburg seinen architectonischen Charakter aufdrückt und die
österreichischen Lande bei der römischen Kirche erhalten oder ihr zurückerobert
hat, das ist ganz ähnlich schon einmal in der römischen Kaiserzeit vorhanden
gewesen, und die norischen Kelten hatten diesem südländischen Einfluß unver¬
gleichlich viel weniger entgegenzusetzen, als die deutschen Oesterreicher des 16.
und 17. Jahrhunderts. Kein Wunder, daß sie ihm erlagen, mindestens da, wo


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/443>, abgerufen am 23.07.2024.