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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Auch der syrische Juppiter Dolichenus und der ägyptische Serapis haben hier
Verehrer gefunden. Wollte aber ein Nvriker seiner Andacht Genüge leisten, so
that er es ganz in römischer Weise; er bekundete durch Denksteine, daß er ein
Gelübde übernommen und gelöst habe. Und kam es zum Sterben, so setzte er
nach dem Vorbilde seiner Herren den Todten einen Stein zum Gedächtniß.
Dieser Sitte verdanken wir bei weitem das meiste von dem wenigen, was wir
von Virunnm wissen. Denn sehr kurz zwar sind diese Grabschriften fast immer,
aber sie geben wenigstens den Stand und mitunter auch das Alter oder einige
Lebensumstände des Verstorbenen an, und zuweilen lassen sie in einem herzlichen
Beiwort die Liebe der Hinterbliebenen zu den Geschiedenen hervortreten; "dem
besten Gatten," "dem unbescholtensten Manne/' "der theuren, der züchtigen
Gattin" sind die Steine gewidmet. Mitunter möchte man eine ganze Familien¬
geschichte aus diesen kargen Zeilen herauslesen. Da hat z. B. ein geborener
Stadtrömer, C. Mestrius Athenio, eine Bürgerin der großen Handelsstadt Aqui-
leja geheirathet und ist mit ihr nach Viruuum gezogen, aber nur, um dort seine
Frau im 25. Jahre ihres Alters und deu dreijährige" Sohn mit ihr zu be¬
graben. Aehnliches Leid hat ein Virunenser des Namens Jngenuus erfahren,
der seiue Frau Bahia Secunda im Alter von noch nicht 17 Jahren verlor und
nun gemeinschaftlich mit den Schwiegereltern "der theuersten Gattin" einen Denk¬
stein setzte.

Auch alles, was mit geselliger Unterhaltung zusammenhing, war von römi¬
schem Brauche beherrscht. Zwar haben sich von Theater oder Cirms bisher
in Virunnm so wenig Spuren gefunden wie sonst in Noricum, aber an Schau¬
stellungen von Gladiatoren und Tänzerinnen hat es gewiß nicht gefehlt, sonst
würde man ihnen nicht in heimischen Darstellungen hier wie anderwärts begegnen.

Wenn aber in Bildung, Glauben und Sitte zu Viruuum die römische
Weise überwog, wie hätte dies vollends da anders sein können, wo die antike
Civilisation sich am sichtbarsten und gewinnendsten entfaltete, auf dem Gebiete
künstlerischer und gewerblicher Thätigkeit! Was wollte doch -- ausgenommen
etwa die altüberlieferte Bearbeitung der Metalle, besonders des Eisens -- gegen¬
über ihrer hochentwickelten Technik, ihrem vollendeten Geschmack das wenige be¬
deuten, was einheimische Uebung etwa zu Stande brachte! So tritt uns denn
in den zahlreichen Fundstücken durchaus italische Civilisation entgegen. Römisch
war der Comfort, mit dem der gebildete Virunenser sich umgab. Dem immer¬
hin schon rauhen Klima gemäß versah er sein Haus mit jenen trefflichen unter¬
irdischen Heizungsanlagen (Hypokausten), die den Römerbauten der nordischen
Länder selten fehlen; er umgab sich mit reichlichem, geschmackvollem Hausgeräth
vom derben Thongeschirr bis zur Schale aus vielfarbigem Glas oder feinster
tsri-ö. siAillatÄ. Marmorstuck oder Mosaiken bedeckten den Fußboden seiner


Auch der syrische Juppiter Dolichenus und der ägyptische Serapis haben hier
Verehrer gefunden. Wollte aber ein Nvriker seiner Andacht Genüge leisten, so
that er es ganz in römischer Weise; er bekundete durch Denksteine, daß er ein
Gelübde übernommen und gelöst habe. Und kam es zum Sterben, so setzte er
nach dem Vorbilde seiner Herren den Todten einen Stein zum Gedächtniß.
Dieser Sitte verdanken wir bei weitem das meiste von dem wenigen, was wir
von Virunnm wissen. Denn sehr kurz zwar sind diese Grabschriften fast immer,
aber sie geben wenigstens den Stand und mitunter auch das Alter oder einige
Lebensumstände des Verstorbenen an, und zuweilen lassen sie in einem herzlichen
Beiwort die Liebe der Hinterbliebenen zu den Geschiedenen hervortreten; „dem
besten Gatten," „dem unbescholtensten Manne/' „der theuren, der züchtigen
Gattin" sind die Steine gewidmet. Mitunter möchte man eine ganze Familien¬
geschichte aus diesen kargen Zeilen herauslesen. Da hat z. B. ein geborener
Stadtrömer, C. Mestrius Athenio, eine Bürgerin der großen Handelsstadt Aqui-
leja geheirathet und ist mit ihr nach Viruuum gezogen, aber nur, um dort seine
Frau im 25. Jahre ihres Alters und deu dreijährige» Sohn mit ihr zu be¬
graben. Aehnliches Leid hat ein Virunenser des Namens Jngenuus erfahren,
der seiue Frau Bahia Secunda im Alter von noch nicht 17 Jahren verlor und
nun gemeinschaftlich mit den Schwiegereltern „der theuersten Gattin" einen Denk¬
stein setzte.

Auch alles, was mit geselliger Unterhaltung zusammenhing, war von römi¬
schem Brauche beherrscht. Zwar haben sich von Theater oder Cirms bisher
in Virunnm so wenig Spuren gefunden wie sonst in Noricum, aber an Schau¬
stellungen von Gladiatoren und Tänzerinnen hat es gewiß nicht gefehlt, sonst
würde man ihnen nicht in heimischen Darstellungen hier wie anderwärts begegnen.

Wenn aber in Bildung, Glauben und Sitte zu Viruuum die römische
Weise überwog, wie hätte dies vollends da anders sein können, wo die antike
Civilisation sich am sichtbarsten und gewinnendsten entfaltete, auf dem Gebiete
künstlerischer und gewerblicher Thätigkeit! Was wollte doch — ausgenommen
etwa die altüberlieferte Bearbeitung der Metalle, besonders des Eisens — gegen¬
über ihrer hochentwickelten Technik, ihrem vollendeten Geschmack das wenige be¬
deuten, was einheimische Uebung etwa zu Stande brachte! So tritt uns denn
in den zahlreichen Fundstücken durchaus italische Civilisation entgegen. Römisch
war der Comfort, mit dem der gebildete Virunenser sich umgab. Dem immer¬
hin schon rauhen Klima gemäß versah er sein Haus mit jenen trefflichen unter¬
irdischen Heizungsanlagen (Hypokausten), die den Römerbauten der nordischen
Länder selten fehlen; er umgab sich mit reichlichem, geschmackvollem Hausgeräth
vom derben Thongeschirr bis zur Schale aus vielfarbigem Glas oder feinster
tsri-ö. siAillatÄ. Marmorstuck oder Mosaiken bedeckten den Fußboden seiner


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[0442] Auch der syrische Juppiter Dolichenus und der ägyptische Serapis haben hier Verehrer gefunden. Wollte aber ein Nvriker seiner Andacht Genüge leisten, so that er es ganz in römischer Weise; er bekundete durch Denksteine, daß er ein Gelübde übernommen und gelöst habe. Und kam es zum Sterben, so setzte er nach dem Vorbilde seiner Herren den Todten einen Stein zum Gedächtniß. Dieser Sitte verdanken wir bei weitem das meiste von dem wenigen, was wir von Virunnm wissen. Denn sehr kurz zwar sind diese Grabschriften fast immer, aber sie geben wenigstens den Stand und mitunter auch das Alter oder einige Lebensumstände des Verstorbenen an, und zuweilen lassen sie in einem herzlichen Beiwort die Liebe der Hinterbliebenen zu den Geschiedenen hervortreten; „dem besten Gatten," „dem unbescholtensten Manne/' „der theuren, der züchtigen Gattin" sind die Steine gewidmet. Mitunter möchte man eine ganze Familien¬ geschichte aus diesen kargen Zeilen herauslesen. Da hat z. B. ein geborener Stadtrömer, C. Mestrius Athenio, eine Bürgerin der großen Handelsstadt Aqui- leja geheirathet und ist mit ihr nach Viruuum gezogen, aber nur, um dort seine Frau im 25. Jahre ihres Alters und deu dreijährige» Sohn mit ihr zu be¬ graben. Aehnliches Leid hat ein Virunenser des Namens Jngenuus erfahren, der seiue Frau Bahia Secunda im Alter von noch nicht 17 Jahren verlor und nun gemeinschaftlich mit den Schwiegereltern „der theuersten Gattin" einen Denk¬ stein setzte. Auch alles, was mit geselliger Unterhaltung zusammenhing, war von römi¬ schem Brauche beherrscht. Zwar haben sich von Theater oder Cirms bisher in Virunnm so wenig Spuren gefunden wie sonst in Noricum, aber an Schau¬ stellungen von Gladiatoren und Tänzerinnen hat es gewiß nicht gefehlt, sonst würde man ihnen nicht in heimischen Darstellungen hier wie anderwärts begegnen. Wenn aber in Bildung, Glauben und Sitte zu Viruuum die römische Weise überwog, wie hätte dies vollends da anders sein können, wo die antike Civilisation sich am sichtbarsten und gewinnendsten entfaltete, auf dem Gebiete künstlerischer und gewerblicher Thätigkeit! Was wollte doch — ausgenommen etwa die altüberlieferte Bearbeitung der Metalle, besonders des Eisens — gegen¬ über ihrer hochentwickelten Technik, ihrem vollendeten Geschmack das wenige be¬ deuten, was einheimische Uebung etwa zu Stande brachte! So tritt uns denn in den zahlreichen Fundstücken durchaus italische Civilisation entgegen. Römisch war der Comfort, mit dem der gebildete Virunenser sich umgab. Dem immer¬ hin schon rauhen Klima gemäß versah er sein Haus mit jenen trefflichen unter¬ irdischen Heizungsanlagen (Hypokausten), die den Römerbauten der nordischen Länder selten fehlen; er umgab sich mit reichlichem, geschmackvollem Hausgeräth vom derben Thongeschirr bis zur Schale aus vielfarbigem Glas oder feinster tsri-ö. siAillatÄ. Marmorstuck oder Mosaiken bedeckten den Fußboden seiner

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/442>, abgerufen am 23.07.2024.