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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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besser der Mittelmeercivilisation sehr nachdrücklich fühlbar gemacht. Die Stadt
lag an der großen Straßenlinie, welche die Adria und Italien mit der Donau
verbindet und erst in der neuesten Zeit durch die Eröffnung der Kronprinz-
Rudolf- und der Pontafel - (Pontebba-) Bahn wieder zur Geltung gebracht
worden ist. Von Aquileja her, der Vorgängerin des heutigen Trieft, führte die
große Römerstraße das Thal der Fella hinauf über Pontafel und Vliland am
Wörthersee vorüber nach Virunum und dann über die niedrige Wasserscheide
zwischen Gurk (Drau) und Mur weiter nach Juvavum (Salzburg) und Ovilava
(Wels). spätestens unter Kaiser Claudius (41--54 n. Chr.), der Juvavum
und Virunum mit römischem Stadtrechte bewidmete, mag sie ausgebaut worden
sein, aber anderthalb Jahrhunderte vor ihm bereits hat ein römisches Heer diese
Linie betreten, um bei Noreja (vielleicht identisch mit dem steirischen Neumarkt)
von den Cimbern sich schlagen zu lassen (113 v. Chr.). Eben die Nähe dieses
Hauptortes des norischen Eisenbergbaues war es, welche Virunum eine noch
weitergehende Bedeutung verlieh. Hier hatten, wie es scheint, die kaiserlichen
Aufsichtsbeamten für den wichtigen Betrieb, die xroouratorss tsrrariaruin N"ri-
earum, ihren Sitz, hier lebten gelegentlich auch die Pächter (conäuetorizs) der
Eisengruben. Es war also natürlich, daß sich hier ein beträchtliches Beamten¬
personal ansammelte, daß große kaiserliche Kassen sich hier befanden, wie denn
Zahlmeister, Kassirer und Secretäre des norischen Staatsfiscus (äispsus^lor,
aroarius, tÄduIarius rsAni Uorioi oder pg,er1in0nil rsAiü Noriei) und anderer¬
seits die Verwalter der fünfprocentigen Erbschaftssteuer, einer der ergiebigsten
Einnahmequellen des Kaisers (xroeurator?iA6Zirm,s Ksrsäi<ZaÄura), erwähnt
werden. Die römische Reichspost, welche namentlich in der späteren Kaiserzeit,
freilich fast ausschließlich für das Staatsinteresse, eine so bedeutende Ausbildung
erfuhr, mußte dann weiter dazu beitragen, Virunum an Italien zu knüpfen.
Zufällig ist uns gerade aus Virunum der Name eines kaiserlichen Postmeisters
erhalten (xrÄktsews vsliiorüoruin); der Mann hieß Ulpius Gaianus und hat
seinen Namen dadurch auf die Nachwelt gebracht, daß er dem vielverehrten
iranischen Lichtgotte Mithras einen Stein setzen ließ.

Wenn es dann richtig ist, daß der Magdalenenberg eine römische Befesti¬
gung trug, so hat frühzeitig hier auch eine kleine römische Besatzung gelegen,
die von dem weitumschauenden Gipfel des Berges aus die ganze Gegend auf
Meilen hinaus, vor allem die große Straße beherrschte.

Doch das römische Element hat sich hier keineswegs auf kleine Colonien
von Beamten und Soldaten beschränkt. Vielmehr hat sehr frühzeitig die Zu¬
wanderung bürgerlicher Ansiedler aus Italien begonnen. Denn einzelne In¬
schriften weisen durch den Charakter ihrer Buchstaben oder durch sprachliche
Eigenthümlichkeiten auf die Zeit des Augustus hin, wie dasselbe beiläufig auch


besser der Mittelmeercivilisation sehr nachdrücklich fühlbar gemacht. Die Stadt
lag an der großen Straßenlinie, welche die Adria und Italien mit der Donau
verbindet und erst in der neuesten Zeit durch die Eröffnung der Kronprinz-
Rudolf- und der Pontafel - (Pontebba-) Bahn wieder zur Geltung gebracht
worden ist. Von Aquileja her, der Vorgängerin des heutigen Trieft, führte die
große Römerstraße das Thal der Fella hinauf über Pontafel und Vliland am
Wörthersee vorüber nach Virunum und dann über die niedrige Wasserscheide
zwischen Gurk (Drau) und Mur weiter nach Juvavum (Salzburg) und Ovilava
(Wels). spätestens unter Kaiser Claudius (41—54 n. Chr.), der Juvavum
und Virunum mit römischem Stadtrechte bewidmete, mag sie ausgebaut worden
sein, aber anderthalb Jahrhunderte vor ihm bereits hat ein römisches Heer diese
Linie betreten, um bei Noreja (vielleicht identisch mit dem steirischen Neumarkt)
von den Cimbern sich schlagen zu lassen (113 v. Chr.). Eben die Nähe dieses
Hauptortes des norischen Eisenbergbaues war es, welche Virunum eine noch
weitergehende Bedeutung verlieh. Hier hatten, wie es scheint, die kaiserlichen
Aufsichtsbeamten für den wichtigen Betrieb, die xroouratorss tsrrariaruin N»ri-
earum, ihren Sitz, hier lebten gelegentlich auch die Pächter (conäuetorizs) der
Eisengruben. Es war also natürlich, daß sich hier ein beträchtliches Beamten¬
personal ansammelte, daß große kaiserliche Kassen sich hier befanden, wie denn
Zahlmeister, Kassirer und Secretäre des norischen Staatsfiscus (äispsus^lor,
aroarius, tÄduIarius rsAni Uorioi oder pg,er1in0nil rsAiü Noriei) und anderer¬
seits die Verwalter der fünfprocentigen Erbschaftssteuer, einer der ergiebigsten
Einnahmequellen des Kaisers (xroeurator?iA6Zirm,s Ksrsäi<ZaÄura), erwähnt
werden. Die römische Reichspost, welche namentlich in der späteren Kaiserzeit,
freilich fast ausschließlich für das Staatsinteresse, eine so bedeutende Ausbildung
erfuhr, mußte dann weiter dazu beitragen, Virunum an Italien zu knüpfen.
Zufällig ist uns gerade aus Virunum der Name eines kaiserlichen Postmeisters
erhalten (xrÄktsews vsliiorüoruin); der Mann hieß Ulpius Gaianus und hat
seinen Namen dadurch auf die Nachwelt gebracht, daß er dem vielverehrten
iranischen Lichtgotte Mithras einen Stein setzen ließ.

Wenn es dann richtig ist, daß der Magdalenenberg eine römische Befesti¬
gung trug, so hat frühzeitig hier auch eine kleine römische Besatzung gelegen,
die von dem weitumschauenden Gipfel des Berges aus die ganze Gegend auf
Meilen hinaus, vor allem die große Straße beherrschte.

Doch das römische Element hat sich hier keineswegs auf kleine Colonien
von Beamten und Soldaten beschränkt. Vielmehr hat sehr frühzeitig die Zu¬
wanderung bürgerlicher Ansiedler aus Italien begonnen. Denn einzelne In¬
schriften weisen durch den Charakter ihrer Buchstaben oder durch sprachliche
Eigenthümlichkeiten auf die Zeit des Augustus hin, wie dasselbe beiläufig auch


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[0437] besser der Mittelmeercivilisation sehr nachdrücklich fühlbar gemacht. Die Stadt lag an der großen Straßenlinie, welche die Adria und Italien mit der Donau verbindet und erst in der neuesten Zeit durch die Eröffnung der Kronprinz- Rudolf- und der Pontafel - (Pontebba-) Bahn wieder zur Geltung gebracht worden ist. Von Aquileja her, der Vorgängerin des heutigen Trieft, führte die große Römerstraße das Thal der Fella hinauf über Pontafel und Vliland am Wörthersee vorüber nach Virunum und dann über die niedrige Wasserscheide zwischen Gurk (Drau) und Mur weiter nach Juvavum (Salzburg) und Ovilava (Wels). spätestens unter Kaiser Claudius (41—54 n. Chr.), der Juvavum und Virunum mit römischem Stadtrechte bewidmete, mag sie ausgebaut worden sein, aber anderthalb Jahrhunderte vor ihm bereits hat ein römisches Heer diese Linie betreten, um bei Noreja (vielleicht identisch mit dem steirischen Neumarkt) von den Cimbern sich schlagen zu lassen (113 v. Chr.). Eben die Nähe dieses Hauptortes des norischen Eisenbergbaues war es, welche Virunum eine noch weitergehende Bedeutung verlieh. Hier hatten, wie es scheint, die kaiserlichen Aufsichtsbeamten für den wichtigen Betrieb, die xroouratorss tsrrariaruin N»ri- earum, ihren Sitz, hier lebten gelegentlich auch die Pächter (conäuetorizs) der Eisengruben. Es war also natürlich, daß sich hier ein beträchtliches Beamten¬ personal ansammelte, daß große kaiserliche Kassen sich hier befanden, wie denn Zahlmeister, Kassirer und Secretäre des norischen Staatsfiscus (äispsus^lor, aroarius, tÄduIarius rsAni Uorioi oder pg,er1in0nil rsAiü Noriei) und anderer¬ seits die Verwalter der fünfprocentigen Erbschaftssteuer, einer der ergiebigsten Einnahmequellen des Kaisers (xroeurator?iA6Zirm,s Ksrsäi<ZaÄura), erwähnt werden. Die römische Reichspost, welche namentlich in der späteren Kaiserzeit, freilich fast ausschließlich für das Staatsinteresse, eine so bedeutende Ausbildung erfuhr, mußte dann weiter dazu beitragen, Virunum an Italien zu knüpfen. Zufällig ist uns gerade aus Virunum der Name eines kaiserlichen Postmeisters erhalten (xrÄktsews vsliiorüoruin); der Mann hieß Ulpius Gaianus und hat seinen Namen dadurch auf die Nachwelt gebracht, daß er dem vielverehrten iranischen Lichtgotte Mithras einen Stein setzen ließ. Wenn es dann richtig ist, daß der Magdalenenberg eine römische Befesti¬ gung trug, so hat frühzeitig hier auch eine kleine römische Besatzung gelegen, die von dem weitumschauenden Gipfel des Berges aus die ganze Gegend auf Meilen hinaus, vor allem die große Straße beherrschte. Doch das römische Element hat sich hier keineswegs auf kleine Colonien von Beamten und Soldaten beschränkt. Vielmehr hat sehr frühzeitig die Zu¬ wanderung bürgerlicher Ansiedler aus Italien begonnen. Denn einzelne In¬ schriften weisen durch den Charakter ihrer Buchstaben oder durch sprachliche Eigenthümlichkeiten auf die Zeit des Augustus hin, wie dasselbe beiläufig auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/437>, abgerufen am 23.07.2024.