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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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auf Stein und Metall, dann steigt vielleicht ein plastischer Rest, eine Inschrift,
ein geschmackvolles Hausgeräth ans Licht des Tages. So weiß auch das Volk
ringsum von der versunkenen Römerstadt zu reden, wenn es auch ihren Namen
nicht kennt.

In ganz derselben Lage ist freilich auch der Gelehrte, wem: er den Blick
nordostwärts wendet. Dort ragt hoch über der hügligen Landschaft die flache
Pyramide eines ansehnlichen, ganz isolirten Berges. Dichter Wald verhüllt heute
seiue Abhänge auf allen Seiten, von seiner Spitze schaut eine Wallfahrtskirche
hernieder. Das ist der Magdalenen- oder Heimenberg, und auch er hat einst
eine römische Niederlassung getragen, der Gipfel wahrscheinlich sogar eine starke
Befestigung, deren Reste wenigstens die Grundlagen der uralten Mauer zu sein
scheinen, welche die Kirche umgeben. Denn die einwandernden Slaven haben
hier die Trümmer einer antiken Festung vorgefunden; darauf deutet der Name
des nächsten Gehöftes, das unter ihrem Schutze erbaut worden, Gradischnigg,
d. i. der Schloßbauer. Den Namen aber dieses Platzes weiß keine Ueberliefe¬
rung und kein Jnschriftensteiu bis jetzt zu melden, und sie als einen Theil von
Virunum zu betrachten verbietet die immerhin nicht unbedeutende Entfernung,
wenn auch beide Orte zu einander in engster Beziehung gestanden haben müssen.

Erwägt man die Anlage Virunums auf einem umfänglichen Plateau mit
fast nach allen Seiten rasch abfallenden Rändern, so wird man unwillkürlich
an gallische Stadtanlagen erinnert, wie sie Cäsar, freilich großartiger, etwa in
Alesia oder Gergovia vor sich sah. Diese Position schützte Virunum ebenso vor
einem kriegerischen Angriff wie vor den Ueberfluthungew der Glan, in deren
zum Theil noch heute versumpfter Thalebene, dem "Zollfelde", bedeutende Orte
überhaupt kaum liegen. Und Kelten sind es auch ohne Frage gewesen, die hier
zuerst sich ansiedelten und auch den vorüberziehenden Fluß benannten (kymr.
ZIAn, rein, hell). Denn als die Römer Noricum eroberten oder vielmehr wenig¬
stens größtenteils friedlich occupirten (l5 v. Chr.), da hielten schon seit etwa
vier Jahrhunderten die keltischen Taurisker das Land besetzt, und gerade dieser
Strich Kärntens nach der steirischen Grenze zu um Noreja war das Herz ihres
Gebietes. Auf keltischer Grundlage also hat sich auch hier die römische Civili¬
sation angesiedelt und hier wie anderwärts eine eigenthümliche römisch-keltische
Mischcultur ins Leben gerufen, die in Gallien nach Th. Moinmsens feiner Be¬
merkung die Grundlage der mittelalterlichen Bildung geworden ist. Von diesem
Gesichtspunkte aus werden auch die unscheinbaren Reste Virunnms interessant,
denn die Elemente dieser Mischcultur lassen sich hier sehr deutlich nachweisen,
während in den großen Lagerstätten an der Donau das römische Wesen fast
ausschließlich geherrscht hat.

Gewiß hat sich auch in und um Virunum die Wucht der römischen oder


auf Stein und Metall, dann steigt vielleicht ein plastischer Rest, eine Inschrift,
ein geschmackvolles Hausgeräth ans Licht des Tages. So weiß auch das Volk
ringsum von der versunkenen Römerstadt zu reden, wenn es auch ihren Namen
nicht kennt.

In ganz derselben Lage ist freilich auch der Gelehrte, wem: er den Blick
nordostwärts wendet. Dort ragt hoch über der hügligen Landschaft die flache
Pyramide eines ansehnlichen, ganz isolirten Berges. Dichter Wald verhüllt heute
seiue Abhänge auf allen Seiten, von seiner Spitze schaut eine Wallfahrtskirche
hernieder. Das ist der Magdalenen- oder Heimenberg, und auch er hat einst
eine römische Niederlassung getragen, der Gipfel wahrscheinlich sogar eine starke
Befestigung, deren Reste wenigstens die Grundlagen der uralten Mauer zu sein
scheinen, welche die Kirche umgeben. Denn die einwandernden Slaven haben
hier die Trümmer einer antiken Festung vorgefunden; darauf deutet der Name
des nächsten Gehöftes, das unter ihrem Schutze erbaut worden, Gradischnigg,
d. i. der Schloßbauer. Den Namen aber dieses Platzes weiß keine Ueberliefe¬
rung und kein Jnschriftensteiu bis jetzt zu melden, und sie als einen Theil von
Virunum zu betrachten verbietet die immerhin nicht unbedeutende Entfernung,
wenn auch beide Orte zu einander in engster Beziehung gestanden haben müssen.

Erwägt man die Anlage Virunums auf einem umfänglichen Plateau mit
fast nach allen Seiten rasch abfallenden Rändern, so wird man unwillkürlich
an gallische Stadtanlagen erinnert, wie sie Cäsar, freilich großartiger, etwa in
Alesia oder Gergovia vor sich sah. Diese Position schützte Virunum ebenso vor
einem kriegerischen Angriff wie vor den Ueberfluthungew der Glan, in deren
zum Theil noch heute versumpfter Thalebene, dem „Zollfelde", bedeutende Orte
überhaupt kaum liegen. Und Kelten sind es auch ohne Frage gewesen, die hier
zuerst sich ansiedelten und auch den vorüberziehenden Fluß benannten (kymr.
ZIAn, rein, hell). Denn als die Römer Noricum eroberten oder vielmehr wenig¬
stens größtenteils friedlich occupirten (l5 v. Chr.), da hielten schon seit etwa
vier Jahrhunderten die keltischen Taurisker das Land besetzt, und gerade dieser
Strich Kärntens nach der steirischen Grenze zu um Noreja war das Herz ihres
Gebietes. Auf keltischer Grundlage also hat sich auch hier die römische Civili¬
sation angesiedelt und hier wie anderwärts eine eigenthümliche römisch-keltische
Mischcultur ins Leben gerufen, die in Gallien nach Th. Moinmsens feiner Be¬
merkung die Grundlage der mittelalterlichen Bildung geworden ist. Von diesem
Gesichtspunkte aus werden auch die unscheinbaren Reste Virunnms interessant,
denn die Elemente dieser Mischcultur lassen sich hier sehr deutlich nachweisen,
während in den großen Lagerstätten an der Donau das römische Wesen fast
ausschließlich geherrscht hat.

Gewiß hat sich auch in und um Virunum die Wucht der römischen oder


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/436>, abgerufen am 23.07.2024.