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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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rend er in früherer Zeit den Republikanern angehörte, hat seit einigen Jahren
die demokratische Partei dort die Oberhand gewonnen. Die rabiatesten Papier¬
geldleute und verbissensten Demokraten vertreten gegenwärtig Jndiana im Kon¬
gresse, und um den Staat nicht bei der Präsidentenwahl zu verlieren, hat die
demokratische Partei neben dem Präsidentschasts - Candidaten Winfield S.
Hancock den dort wohnhaften früheren Congreß - Repräsentanten William
H. English als Candidaten für das Vice-Präsidenteuamt aufgestellt. Da nun
das deutsche Element stark in Jndiana vertreten und der demokratischen Wirth¬
schaft ziemlich müde ist, so darf es in der That als ein geschickter Zug ange¬
sehen werden, daß man den Deutsch-Amerikaner Schurz in Indianapolis als
Redner hat auftreten lassen. Hierzu kommt aber noch der Umstand, daß Schurz
als Minister des Innern aufs engste mit der Hayesadministration in Verbin¬
dung steht. Seine Rede zu Indianapolis ist mithin allerseits als ein schlagender
Beweis dasür angesehen worden, daß die gegenwärtige Regierung der Vereinig¬
ten Staaten sich lebhaft für die Erwählung der republikanischen Präsidentschafts-
Candidaten James A. Garfield und Ehester A. Arthur interessirt.
Auch wird durch das Auftreten von Schurz dargethan, daß sich die Admini¬
stration des Präsidenten Hayes nicht scheut, die öffentliche Kritik herauszufor¬
dern. Herr Hayes und seine Minister mögen in einzelnen Fällen von mehr
untergeordneter Bedeutung geirrt und Mißgriffe gethan haben, aber die repu¬
blikanische Partei hat es nicht nöthig, die von ihr gewählte Regierung zu ver¬
theidigen, sie braucht nicht den bei Wahlen stets unvorteilhaften Standpunkt
der Defensive einzunehmen, sondern kann kühn und energisch zum Angriff gegen
ihre Gegner vorangehen. Die Rede von Schurz ist insofern ein Meisterstück
der politischen Beredtsamkeit, als sie das bisherige Verhalten der Regierung in
allen wesentlichen Punkten nicht nur vollkommen rechtfertigt, sondern auch die
Mängel und Fehler der Gegner scharf bloßlegt, in großen Zügen die Momente
hervorhebt, auf welche es bei dem gegenwärtigen Wahlkampfe ankommt, und
die Hauptgründe anführt, weshalb ein Wechsel in den Regierungsgrundsätzen
durch Erwählung der demokratischen Präsidentschafts-Candidaten für die Union
und das amerikanische Volk von den traurigsten Folgen begleitet sein würde.
Wir wollen versuchen, im Nachstehenden einige Hauptpunkte aus der Schurzschen
Rede hervorzuheben.

Schurz nimmt einen entschieden conservativen Standpunkt ein und erklärt,
er werde nicht an die Leidenschaften, sondern an die gesunde Vernunft appelliren
und in möglichster Ruhe und Einfachheit sprechen. Die Sprache des Partei¬
kampfes pflege zu übertreiben, um einen starken Eindruck zu machen, die Sprache
der Vernunft halte sich von allen Uebertreibungen fern. Der gegenwärtige
Wahlkampf entscheide nicht über Bestehen oder Untergehen der Union, aber er


Grenzboten III. 1880. L4

rend er in früherer Zeit den Republikanern angehörte, hat seit einigen Jahren
die demokratische Partei dort die Oberhand gewonnen. Die rabiatesten Papier¬
geldleute und verbissensten Demokraten vertreten gegenwärtig Jndiana im Kon¬
gresse, und um den Staat nicht bei der Präsidentenwahl zu verlieren, hat die
demokratische Partei neben dem Präsidentschasts - Candidaten Winfield S.
Hancock den dort wohnhaften früheren Congreß - Repräsentanten William
H. English als Candidaten für das Vice-Präsidenteuamt aufgestellt. Da nun
das deutsche Element stark in Jndiana vertreten und der demokratischen Wirth¬
schaft ziemlich müde ist, so darf es in der That als ein geschickter Zug ange¬
sehen werden, daß man den Deutsch-Amerikaner Schurz in Indianapolis als
Redner hat auftreten lassen. Hierzu kommt aber noch der Umstand, daß Schurz
als Minister des Innern aufs engste mit der Hayesadministration in Verbin¬
dung steht. Seine Rede zu Indianapolis ist mithin allerseits als ein schlagender
Beweis dasür angesehen worden, daß die gegenwärtige Regierung der Vereinig¬
ten Staaten sich lebhaft für die Erwählung der republikanischen Präsidentschafts-
Candidaten James A. Garfield und Ehester A. Arthur interessirt.
Auch wird durch das Auftreten von Schurz dargethan, daß sich die Admini¬
stration des Präsidenten Hayes nicht scheut, die öffentliche Kritik herauszufor¬
dern. Herr Hayes und seine Minister mögen in einzelnen Fällen von mehr
untergeordneter Bedeutung geirrt und Mißgriffe gethan haben, aber die repu¬
blikanische Partei hat es nicht nöthig, die von ihr gewählte Regierung zu ver¬
theidigen, sie braucht nicht den bei Wahlen stets unvorteilhaften Standpunkt
der Defensive einzunehmen, sondern kann kühn und energisch zum Angriff gegen
ihre Gegner vorangehen. Die Rede von Schurz ist insofern ein Meisterstück
der politischen Beredtsamkeit, als sie das bisherige Verhalten der Regierung in
allen wesentlichen Punkten nicht nur vollkommen rechtfertigt, sondern auch die
Mängel und Fehler der Gegner scharf bloßlegt, in großen Zügen die Momente
hervorhebt, auf welche es bei dem gegenwärtigen Wahlkampfe ankommt, und
die Hauptgründe anführt, weshalb ein Wechsel in den Regierungsgrundsätzen
durch Erwählung der demokratischen Präsidentschafts-Candidaten für die Union
und das amerikanische Volk von den traurigsten Folgen begleitet sein würde.
Wir wollen versuchen, im Nachstehenden einige Hauptpunkte aus der Schurzschen
Rede hervorzuheben.

Schurz nimmt einen entschieden conservativen Standpunkt ein und erklärt,
er werde nicht an die Leidenschaften, sondern an die gesunde Vernunft appelliren
und in möglichster Ruhe und Einfachheit sprechen. Die Sprache des Partei¬
kampfes pflege zu übertreiben, um einen starken Eindruck zu machen, die Sprache
der Vernunft halte sich von allen Uebertreibungen fern. Der gegenwärtige
Wahlkampf entscheide nicht über Bestehen oder Untergehen der Union, aber er


Grenzboten III. 1880. L4
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/422>, abgerufen am 23.07.2024.