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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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nicht unserer Tage kann es bei Prüfung der Art und Weise, wie im besprochenen
Falle ein Fra Bartvlommeo zu der Leistung des Perugino Stellung nahm, nicht
genug betont werden, wie sehr es in jenem goldenen Zeitalter einem Künstler
anstatt zum Nachtheil, zu hohem Vortheil gereichte, große Vorgänger zu haben.

Aber nicht nur Fra Bartvlommeo ließ die Composition des Perugino auf
sich wirken. Kein Geringerer als Raffael wurde, als er sich mit dem von
Atalante Baglioni erhaltenen Auftrag beschäftigte, dessen schließliche Frucht die
berühmte Grablegung der Galerie Borghese war, anfänglich von der Pietü seines
Lehrers zu mehreren Entwürfen inspirirt*), und auch das im Palazzo Pitti be¬
findliche Gemälde des Andrea del Sarto (Ur. 58) folgt im wesentlichen
demselben Vorbilde. Von Fra Bartvlommeo beeinflußt, wenn anch zwei andere
Figuren hinzugefügt find und der Leichnam hier der Mutter im Schoße ruht,
erweist sich die Pieta in der Akademie der Künste zu Florenz**) von der Hand
seines Schülers Fra Paolino da Pistoja, der nach dem Tode des Meisters
das Erbe seiner unvollendet gelassenen Arbeiten und künstlerischen Entwürfe
antrat; die ebendaselbst (Ur. 74) bewahrte Composition der Nonne Plautilla
Nelli dagegen folgt in der äußeren Anordnung fast durchgängig dem nämlichen
Vorbilde, während die mangelhafte Ausführung einen Vergleich mit demselben
nicht im entferntesten gestattet.

Wie die von Perugino und Fra Bartolommeo vertretene Auffassung auch
für andere Kunstgattungen maßgebend wurde, zeigt z. B. das schöne Terraeotta-
relief, welches die Lünette eines aus S. Maria degli Jnnocenti stammenden,
jetzt im Bargello befindlichen Altares von Andrea della Robbia einnimmt.
Die Madonna, der Leichnam und die den letzteren stützende links knieende Ge¬
stalt sind fast unverändert der Composition des Fra Bartolommeo entnommen.***)

Kehren wir indeß von diesen Arbeiten, die bereits dem 16. Jahrhundert
angehören, zum Ouattroeento zurück, in dessen letztes Jahr die Vollendung der
berühmten Marmorgruppe des Michel Angelo in S. Pietro fällt. In diesem
Werke, dessen allgemeine Bekanntheit eine Beschreibung der Composition über¬
flüssig macht, haben wir schon in formaler Beziehung den Abschluß des einen
Schemas zu erblicken, welches wir bereits mehrfach verwendet fanden, ohne daß
freilich die Schwierigkeit, die in einer derartigen Vereinigung der beiden Gestalten
zu einer Gruppe liegt, in irgend einer früheren plastischen oder malerischen Dar¬
stellung überwunden worden wäre. In allen früheren Kunstwerken, die den





*) Eingehend besprochen von Springer, Raffael und Michel Angelo, S, 90 fg., vgl.
auch die daselbst S. S3 veröffentlichte Zeichnung des Louvre.
Kalt, ciel gMclri xr-tllcll Ur. 63.
Auch das andere Schema, zu dem wir im Folgenden kommen werden, haben die
Robbia in einem eben daselbst befindlichen Relief verwerthet.

nicht unserer Tage kann es bei Prüfung der Art und Weise, wie im besprochenen
Falle ein Fra Bartvlommeo zu der Leistung des Perugino Stellung nahm, nicht
genug betont werden, wie sehr es in jenem goldenen Zeitalter einem Künstler
anstatt zum Nachtheil, zu hohem Vortheil gereichte, große Vorgänger zu haben.

Aber nicht nur Fra Bartvlommeo ließ die Composition des Perugino auf
sich wirken. Kein Geringerer als Raffael wurde, als er sich mit dem von
Atalante Baglioni erhaltenen Auftrag beschäftigte, dessen schließliche Frucht die
berühmte Grablegung der Galerie Borghese war, anfänglich von der Pietü seines
Lehrers zu mehreren Entwürfen inspirirt*), und auch das im Palazzo Pitti be¬
findliche Gemälde des Andrea del Sarto (Ur. 58) folgt im wesentlichen
demselben Vorbilde. Von Fra Bartvlommeo beeinflußt, wenn anch zwei andere
Figuren hinzugefügt find und der Leichnam hier der Mutter im Schoße ruht,
erweist sich die Pieta in der Akademie der Künste zu Florenz**) von der Hand
seines Schülers Fra Paolino da Pistoja, der nach dem Tode des Meisters
das Erbe seiner unvollendet gelassenen Arbeiten und künstlerischen Entwürfe
antrat; die ebendaselbst (Ur. 74) bewahrte Composition der Nonne Plautilla
Nelli dagegen folgt in der äußeren Anordnung fast durchgängig dem nämlichen
Vorbilde, während die mangelhafte Ausführung einen Vergleich mit demselben
nicht im entferntesten gestattet.

Wie die von Perugino und Fra Bartolommeo vertretene Auffassung auch
für andere Kunstgattungen maßgebend wurde, zeigt z. B. das schöne Terraeotta-
relief, welches die Lünette eines aus S. Maria degli Jnnocenti stammenden,
jetzt im Bargello befindlichen Altares von Andrea della Robbia einnimmt.
Die Madonna, der Leichnam und die den letzteren stützende links knieende Ge¬
stalt sind fast unverändert der Composition des Fra Bartolommeo entnommen.***)

Kehren wir indeß von diesen Arbeiten, die bereits dem 16. Jahrhundert
angehören, zum Ouattroeento zurück, in dessen letztes Jahr die Vollendung der
berühmten Marmorgruppe des Michel Angelo in S. Pietro fällt. In diesem
Werke, dessen allgemeine Bekanntheit eine Beschreibung der Composition über¬
flüssig macht, haben wir schon in formaler Beziehung den Abschluß des einen
Schemas zu erblicken, welches wir bereits mehrfach verwendet fanden, ohne daß
freilich die Schwierigkeit, die in einer derartigen Vereinigung der beiden Gestalten
zu einer Gruppe liegt, in irgend einer früheren plastischen oder malerischen Dar¬
stellung überwunden worden wäre. In allen früheren Kunstwerken, die den





*) Eingehend besprochen von Springer, Raffael und Michel Angelo, S, 90 fg., vgl.
auch die daselbst S. S3 veröffentlichte Zeichnung des Louvre.
Kalt, ciel gMclri xr-tllcll Ur. 63.
Auch das andere Schema, zu dem wir im Folgenden kommen werden, haben die
Robbia in einem eben daselbst befindlichen Relief verwerthet.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/40>, abgerufen am 23.07.2024.