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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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großen englisch sprechenden Länder trennt, sich erheblich gemildert hat. 1824
erhielt er von seinem Vetter, der zu dieser Zeit im britischen Cabinet die aus¬
wärtigen Angelegenheiten leitete, die Weisung, als außerordentlicher Gesandter
an den Hof von Se. Petersburg zu gehen. Angeblich sollte er dort die Ver¬
mittlung in dem Streite der Vereinigten Staaten und Rußlands über deren
amerikanische Grenze übernehmen, in Wirklichkeit aber war er beauftragt, mit
den osteuropäischen Großmächten Verhandlungen über die griechischen Angelegen¬
heiten anzuknüpfen, weswegen er auf dem Hinwege Wien und auf der Rück¬
reise Berlin berührte.

Im Mai 1825 von dieser Mission nach London zurückgekehrt, wurde er,
der in Petersburg ohne Zweifel Gelegenheit gefunden, sich über die russischen
Pläne in Betreff des Bosporus nähere Kenntniß zu verschaffen, an Lord
Strangfords Stelle zum britischen Botschafter in Konstantinopel ernannt. Da
seine Regierung den Sieg der türkischen Waffen über die damals im Aufstande
begriffenen Griechen erwartete, machte er auf seiner Reise mehrmals ans
griechischem Boden Hält, um die Vorgänge aus der Nähe zu beobachten. Im
Januar 1826 landete er auf der Insel Hydra, verweilte dann einige Zeit auf
Korfu und traf erst zu Ende des Februar in der türkischen Hauptstadt ein.
In ganz Europa gab es damals eine starke Partei, welche den Griechen den
Sieg wünschte, Canning gehörte ihr an, und sein Vetter Sir Stratford war
angewiesen, danach zu handeln. Er nahm die hellenische Sache gerade zu
einer Zeit in die Hand, wo die Pforte, nachdem Missolunghi im April 1826
gefallen, weniger als je zum Nachgeben bereit war, und so wurden die zwischen
England und Rußland vereinbarten Vorschläge zur Beruhigung Griechenlands
und das Verlangen der beiden Mächte nach vorläufiger Einstellung der Feind¬
seligkeiten von Großwessir schroff zurückgewiesen. Weil der Erfolg der Be¬
mühungen Sir Stratfords zum Theil von der Beilegung des Streites der
Pforte mit dem Cabinet von Se. Petersburg abhing, welches letztere auf Er¬
füllung des Friedens von Bukarest drang, wirkte er mit Eifer für das Zustande¬
kommen der Conferenzen zu Akjerman, wo denn auch schließlich ein Ueberein¬
kommen erzielt wurde. Seit dein Februar 1827 setzte er die Verhandlungen
über die griechische Frage in Verbindung mit den französischen Gesandten
Ribeaupierre und Guilleminot fort. Indeß erregte der Vorschlag der Mächte,
nach welchem nur die Morea von der türkischen Herrschaft befreit werden sollte,
unter den Griechen und ihren Freunden so allgemeines Mißfallen, daß es zu
keinem friedlichen Ausgleich kam. Als die Pforte nach dem untovg.ra Sohne von
Navarino, welches die türkische Flotte vernichtete, sich nur hartnäckiger weigerte,
dem Vertrage der Mächte vom Juli 1827 beizutreten, brach Sir Stratford
im Verein mit dem französischen Gesandten am 8. December jenes Jahres alle


großen englisch sprechenden Länder trennt, sich erheblich gemildert hat. 1824
erhielt er von seinem Vetter, der zu dieser Zeit im britischen Cabinet die aus¬
wärtigen Angelegenheiten leitete, die Weisung, als außerordentlicher Gesandter
an den Hof von Se. Petersburg zu gehen. Angeblich sollte er dort die Ver¬
mittlung in dem Streite der Vereinigten Staaten und Rußlands über deren
amerikanische Grenze übernehmen, in Wirklichkeit aber war er beauftragt, mit
den osteuropäischen Großmächten Verhandlungen über die griechischen Angelegen¬
heiten anzuknüpfen, weswegen er auf dem Hinwege Wien und auf der Rück¬
reise Berlin berührte.

Im Mai 1825 von dieser Mission nach London zurückgekehrt, wurde er,
der in Petersburg ohne Zweifel Gelegenheit gefunden, sich über die russischen
Pläne in Betreff des Bosporus nähere Kenntniß zu verschaffen, an Lord
Strangfords Stelle zum britischen Botschafter in Konstantinopel ernannt. Da
seine Regierung den Sieg der türkischen Waffen über die damals im Aufstande
begriffenen Griechen erwartete, machte er auf seiner Reise mehrmals ans
griechischem Boden Hält, um die Vorgänge aus der Nähe zu beobachten. Im
Januar 1826 landete er auf der Insel Hydra, verweilte dann einige Zeit auf
Korfu und traf erst zu Ende des Februar in der türkischen Hauptstadt ein.
In ganz Europa gab es damals eine starke Partei, welche den Griechen den
Sieg wünschte, Canning gehörte ihr an, und sein Vetter Sir Stratford war
angewiesen, danach zu handeln. Er nahm die hellenische Sache gerade zu
einer Zeit in die Hand, wo die Pforte, nachdem Missolunghi im April 1826
gefallen, weniger als je zum Nachgeben bereit war, und so wurden die zwischen
England und Rußland vereinbarten Vorschläge zur Beruhigung Griechenlands
und das Verlangen der beiden Mächte nach vorläufiger Einstellung der Feind¬
seligkeiten von Großwessir schroff zurückgewiesen. Weil der Erfolg der Be¬
mühungen Sir Stratfords zum Theil von der Beilegung des Streites der
Pforte mit dem Cabinet von Se. Petersburg abhing, welches letztere auf Er¬
füllung des Friedens von Bukarest drang, wirkte er mit Eifer für das Zustande¬
kommen der Conferenzen zu Akjerman, wo denn auch schließlich ein Ueberein¬
kommen erzielt wurde. Seit dein Februar 1827 setzte er die Verhandlungen
über die griechische Frage in Verbindung mit den französischen Gesandten
Ribeaupierre und Guilleminot fort. Indeß erregte der Vorschlag der Mächte,
nach welchem nur die Morea von der türkischen Herrschaft befreit werden sollte,
unter den Griechen und ihren Freunden so allgemeines Mißfallen, daß es zu
keinem friedlichen Ausgleich kam. Als die Pforte nach dem untovg.ra Sohne von
Navarino, welches die türkische Flotte vernichtete, sich nur hartnäckiger weigerte,
dem Vertrage der Mächte vom Juli 1827 beizutreten, brach Sir Stratford
im Verein mit dem französischen Gesandten am 8. December jenes Jahres alle


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/395>, abgerufen am 23.07.2024.