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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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schon jetzt eines weit größeren Ansehens inner- und außerhalb des Reiches er¬
freuen, als die sogenannten allgemeinen oder internationalen Kunstausstellungen,
welche wir 1879 und Heuer in München und Düsseldorf gesehen haben. That¬
sache ist, daß selbst die Düsseldorfer ihre besten Werke zuerst nach Berlin ge¬
schickt haben.

Düsseldorf ist auch heute noch trotz seiner Fabriken und seiner reich ent¬
wickelten Industrie eine Stadt, in deren einförmige Stille nicht einmal durch
die gegenwärtige GeWerbeausstellung ein rascherer Pulsschlag gekommen ist. In
einer solchen idyllischen Ruhe kann sich ein Porträtmaler nicht zu jener geistigen
Höhe, nicht zu jener Schärfe und Universalität des Blicks emporheben, welche
den Besten seines Faches nicht fehlen dürfen. Den Düsseldorfer Bildnissen
haftet durchweg etwas Spießbürgerliches an. Man vermißt an ihnen nicht die
Aehnlichkeit und Naturwahrheit, wohl aber jene geistige Noblesse, welche den
Porträts eines Richter, eines Angeli, eines Graef, eines Canon eigen ist, und
jene sprühende, unmittelbar packende Lebendigkeit, welche wir an den Bildnissen
Lenbachs bewundern. So kommt es, daß Porträtmaler wie Roeting und Crola,
welche in Düsseldorf sehr geschätzt werden, sich mit den Genannten nicht messen
können, daß ihnen nicht einmal Peter Janssen, der auf dem Felde der monu¬
mentalen Malerei so vorzügliches leistet, nahe kommt, der unglücklichen Ver¬
suche, welche Louis Kötitz, jetzt Director der Kasseler Kunstakademie, seit einiger
Zeit macht, gar nicht zu gedenken.

Ebenso schwach wie die älteren Lehrer der Düsseldorfer Akademie find die
jüngeren vertreten. A. Wittig, der Bildhauer, E. Ducker, der namentlich im
Strandbild ausgezeichnetes leistet, W. Sohn, der treffliche Colorist, welcher in
einer kurzen Lehrthätigkeit schon so tüchtige Schüler wie Bokelmcmn und Kirberg
herangebildet hat, und A. Nikutowsky, der Genremaler, sind gar nicht, Eduard
von Gebhardt, der Bahnbrecher für eine neue, auf der Natur fußende Richtung
in der religiösen Malerei, durch ein Christusbild bei weitem nicht ausreichend
vertreten. Der letztere Meister arbeitet übrigens zur Zeit an einer großen
"Himmelfahrt Mariä", die seine ganze Thätigkeit in Anspruch nehmen mag.

Außer Roeting hat nur ein einziger Lehrer der Akademie, Peter Janssen,
eine Anzahl von Werken ausgestellt, welche uns seine hohe Begabung für den
monumentalen Stil in vollstem Umfange würdigen lassen. Janssen hat eben
erst die Mitte der dreißiger Jahre überschritten. Gleichwohl ist sein künstleri¬
sches Talent bereits vollkommen ausgereift und zu einer Entwicklung gediehen,
wie sie bis jetzt kein zweiter unter den lebenden deutschen Künstlern auf dem
Gebiete der Wandmalerei erreicht hat. In weiteren Kreisen hat er sich zuerst
durch die Ausmalung des zweiten Cornelinssaales der Berliner Nationalgalerie
mit Scenen aus der Prometheusscige bekannt gemacht. Er bekundete darin ein


schon jetzt eines weit größeren Ansehens inner- und außerhalb des Reiches er¬
freuen, als die sogenannten allgemeinen oder internationalen Kunstausstellungen,
welche wir 1879 und Heuer in München und Düsseldorf gesehen haben. That¬
sache ist, daß selbst die Düsseldorfer ihre besten Werke zuerst nach Berlin ge¬
schickt haben.

Düsseldorf ist auch heute noch trotz seiner Fabriken und seiner reich ent¬
wickelten Industrie eine Stadt, in deren einförmige Stille nicht einmal durch
die gegenwärtige GeWerbeausstellung ein rascherer Pulsschlag gekommen ist. In
einer solchen idyllischen Ruhe kann sich ein Porträtmaler nicht zu jener geistigen
Höhe, nicht zu jener Schärfe und Universalität des Blicks emporheben, welche
den Besten seines Faches nicht fehlen dürfen. Den Düsseldorfer Bildnissen
haftet durchweg etwas Spießbürgerliches an. Man vermißt an ihnen nicht die
Aehnlichkeit und Naturwahrheit, wohl aber jene geistige Noblesse, welche den
Porträts eines Richter, eines Angeli, eines Graef, eines Canon eigen ist, und
jene sprühende, unmittelbar packende Lebendigkeit, welche wir an den Bildnissen
Lenbachs bewundern. So kommt es, daß Porträtmaler wie Roeting und Crola,
welche in Düsseldorf sehr geschätzt werden, sich mit den Genannten nicht messen
können, daß ihnen nicht einmal Peter Janssen, der auf dem Felde der monu¬
mentalen Malerei so vorzügliches leistet, nahe kommt, der unglücklichen Ver¬
suche, welche Louis Kötitz, jetzt Director der Kasseler Kunstakademie, seit einiger
Zeit macht, gar nicht zu gedenken.

Ebenso schwach wie die älteren Lehrer der Düsseldorfer Akademie find die
jüngeren vertreten. A. Wittig, der Bildhauer, E. Ducker, der namentlich im
Strandbild ausgezeichnetes leistet, W. Sohn, der treffliche Colorist, welcher in
einer kurzen Lehrthätigkeit schon so tüchtige Schüler wie Bokelmcmn und Kirberg
herangebildet hat, und A. Nikutowsky, der Genremaler, sind gar nicht, Eduard
von Gebhardt, der Bahnbrecher für eine neue, auf der Natur fußende Richtung
in der religiösen Malerei, durch ein Christusbild bei weitem nicht ausreichend
vertreten. Der letztere Meister arbeitet übrigens zur Zeit an einer großen
„Himmelfahrt Mariä", die seine ganze Thätigkeit in Anspruch nehmen mag.

Außer Roeting hat nur ein einziger Lehrer der Akademie, Peter Janssen,
eine Anzahl von Werken ausgestellt, welche uns seine hohe Begabung für den
monumentalen Stil in vollstem Umfange würdigen lassen. Janssen hat eben
erst die Mitte der dreißiger Jahre überschritten. Gleichwohl ist sein künstleri¬
sches Talent bereits vollkommen ausgereift und zu einer Entwicklung gediehen,
wie sie bis jetzt kein zweiter unter den lebenden deutschen Künstlern auf dem
Gebiete der Wandmalerei erreicht hat. In weiteren Kreisen hat er sich zuerst
durch die Ausmalung des zweiten Cornelinssaales der Berliner Nationalgalerie
mit Scenen aus der Prometheusscige bekannt gemacht. Er bekundete darin ein


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[0377] schon jetzt eines weit größeren Ansehens inner- und außerhalb des Reiches er¬ freuen, als die sogenannten allgemeinen oder internationalen Kunstausstellungen, welche wir 1879 und Heuer in München und Düsseldorf gesehen haben. That¬ sache ist, daß selbst die Düsseldorfer ihre besten Werke zuerst nach Berlin ge¬ schickt haben. Düsseldorf ist auch heute noch trotz seiner Fabriken und seiner reich ent¬ wickelten Industrie eine Stadt, in deren einförmige Stille nicht einmal durch die gegenwärtige GeWerbeausstellung ein rascherer Pulsschlag gekommen ist. In einer solchen idyllischen Ruhe kann sich ein Porträtmaler nicht zu jener geistigen Höhe, nicht zu jener Schärfe und Universalität des Blicks emporheben, welche den Besten seines Faches nicht fehlen dürfen. Den Düsseldorfer Bildnissen haftet durchweg etwas Spießbürgerliches an. Man vermißt an ihnen nicht die Aehnlichkeit und Naturwahrheit, wohl aber jene geistige Noblesse, welche den Porträts eines Richter, eines Angeli, eines Graef, eines Canon eigen ist, und jene sprühende, unmittelbar packende Lebendigkeit, welche wir an den Bildnissen Lenbachs bewundern. So kommt es, daß Porträtmaler wie Roeting und Crola, welche in Düsseldorf sehr geschätzt werden, sich mit den Genannten nicht messen können, daß ihnen nicht einmal Peter Janssen, der auf dem Felde der monu¬ mentalen Malerei so vorzügliches leistet, nahe kommt, der unglücklichen Ver¬ suche, welche Louis Kötitz, jetzt Director der Kasseler Kunstakademie, seit einiger Zeit macht, gar nicht zu gedenken. Ebenso schwach wie die älteren Lehrer der Düsseldorfer Akademie find die jüngeren vertreten. A. Wittig, der Bildhauer, E. Ducker, der namentlich im Strandbild ausgezeichnetes leistet, W. Sohn, der treffliche Colorist, welcher in einer kurzen Lehrthätigkeit schon so tüchtige Schüler wie Bokelmcmn und Kirberg herangebildet hat, und A. Nikutowsky, der Genremaler, sind gar nicht, Eduard von Gebhardt, der Bahnbrecher für eine neue, auf der Natur fußende Richtung in der religiösen Malerei, durch ein Christusbild bei weitem nicht ausreichend vertreten. Der letztere Meister arbeitet übrigens zur Zeit an einer großen „Himmelfahrt Mariä", die seine ganze Thätigkeit in Anspruch nehmen mag. Außer Roeting hat nur ein einziger Lehrer der Akademie, Peter Janssen, eine Anzahl von Werken ausgestellt, welche uns seine hohe Begabung für den monumentalen Stil in vollstem Umfange würdigen lassen. Janssen hat eben erst die Mitte der dreißiger Jahre überschritten. Gleichwohl ist sein künstleri¬ sches Talent bereits vollkommen ausgereift und zu einer Entwicklung gediehen, wie sie bis jetzt kein zweiter unter den lebenden deutschen Künstlern auf dem Gebiete der Wandmalerei erreicht hat. In weiteren Kreisen hat er sich zuerst durch die Ausmalung des zweiten Cornelinssaales der Berliner Nationalgalerie mit Scenen aus der Prometheusscige bekannt gemacht. Er bekundete darin ein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/377>, abgerufen am 23.07.2024.