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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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wäre doch insofern wichtig, als sich dadurch statistisch nachweisen ließe, was für
gewisse Leute aNein beweiskräftig ist, daß allgemeine Kunstausstellungen viel
zu rasch aufeinander folgen, als daß nicht die Theilnahme der Künstler ebenso
rasch erlahmen sollte.

Für den aufmerksamen Beobachter unseres Kunstlebens freilich bedarf es
eines solchen durch Zahlen geführten Nachweises nicht mehr. Fehlte ihm noch
ein Glied in der Kette seiner Folgerungen, so lieferte es ihm die vierte allge¬
meine deutsche Kunstausstellung in Düsseldorf, welche ein so überaus trauriges
Bild von der deutschen Kunst entwirft, daß, wenn dasselbe der Wahrheit ent¬
spräche, ein Klagelied darüber im Stile Jeremia noch wie eitel Lobgesang klänge.

Es sind 1188 Kunstwerke ausgestellt, also ungefähr so viel, wie eine mäßig
beschickte akademische Ausstellung in Berlin vorzuführen Pflegt, und allem An¬
schein nach ist die Jury in der Sichtung der ausgestellten Kunstwerke nicht
allzu streng gewesen. Kann eine so geringe Quantität ein auch nur halbwegs
vollständiges Bild der deutschen Kunst entwerfen? Repräsentiren 42 Bildhauer
mit 87 Werken, von denen die Hälfte aus Porträtbüsten und Nippessachen für
Schreibtisch und Kamin besteht, die deutsche Plastik? Und welch einen Begriff
können zehn, sage zehn Architekten mit 47 Blatt Entwürfen von der deutschen
Baukunst gewähren, welche sich gerade in dem letzten Jahrzehnt so stolz und
prächtig entfaltet, welche aus der Neugestaltung des deutschen Reiches so kräf¬
tige Impulse erhalten hat wie keine ihrer Schwesterkünste?

Dieses harte Urtheil über die Düsseldorfer Ausstellung ist um so noth¬
wendiger, als eine große Anzahl von Berichterstattern für die Tagesblätter,
denen entweder eine genügende Erfahrung nicht zur Seite stand, oder die von
dem gewiß berechtigten Wohlwollen geleitet waren, das Unternehmen, welches
so viele Opfer gekostet, nicht durch eine herbe Kritik zu discreditiren, die Kunst¬
ausstellung mit begeisterten Lobeserhebungen gefeiert haben. Dies Urtheil ist
ferner nöthig, weil über kurz oder lang in müßigen Köpfen wiederum der Ge¬
danke auftauchen könnte, eine neue allgemeine deutsche Kunstausstellung zu arran-
giren, nachdem die Düsseldorfer wenigstens in materieller Hinsicht große Erfolge
erzielt hat.

Letzteres beweist zu Gunsten ihres künstlerischen Werthes natürlich so gut
wie nichts. Als Annex der großen Industrieausstellung werden die Bildersäle
von denselben Massen besucht, welche sich um die riesigen Kohlenblöcke der
rheinisch-westfälischen Hütten, um die Maschinen und die Kruppsche Riesen¬
kanone schaaren, und man darf voraussetzen, daß die überwiegende Majorität
der Besucher, die aus den dichtbevölkerten Nachbardistrikten Düsseldorfs durch
Extrazüge zu Tausenden in die Stadt gezogen worden, aus der Kunstausstel-


wäre doch insofern wichtig, als sich dadurch statistisch nachweisen ließe, was für
gewisse Leute aNein beweiskräftig ist, daß allgemeine Kunstausstellungen viel
zu rasch aufeinander folgen, als daß nicht die Theilnahme der Künstler ebenso
rasch erlahmen sollte.

Für den aufmerksamen Beobachter unseres Kunstlebens freilich bedarf es
eines solchen durch Zahlen geführten Nachweises nicht mehr. Fehlte ihm noch
ein Glied in der Kette seiner Folgerungen, so lieferte es ihm die vierte allge¬
meine deutsche Kunstausstellung in Düsseldorf, welche ein so überaus trauriges
Bild von der deutschen Kunst entwirft, daß, wenn dasselbe der Wahrheit ent¬
spräche, ein Klagelied darüber im Stile Jeremia noch wie eitel Lobgesang klänge.

Es sind 1188 Kunstwerke ausgestellt, also ungefähr so viel, wie eine mäßig
beschickte akademische Ausstellung in Berlin vorzuführen Pflegt, und allem An¬
schein nach ist die Jury in der Sichtung der ausgestellten Kunstwerke nicht
allzu streng gewesen. Kann eine so geringe Quantität ein auch nur halbwegs
vollständiges Bild der deutschen Kunst entwerfen? Repräsentiren 42 Bildhauer
mit 87 Werken, von denen die Hälfte aus Porträtbüsten und Nippessachen für
Schreibtisch und Kamin besteht, die deutsche Plastik? Und welch einen Begriff
können zehn, sage zehn Architekten mit 47 Blatt Entwürfen von der deutschen
Baukunst gewähren, welche sich gerade in dem letzten Jahrzehnt so stolz und
prächtig entfaltet, welche aus der Neugestaltung des deutschen Reiches so kräf¬
tige Impulse erhalten hat wie keine ihrer Schwesterkünste?

Dieses harte Urtheil über die Düsseldorfer Ausstellung ist um so noth¬
wendiger, als eine große Anzahl von Berichterstattern für die Tagesblätter,
denen entweder eine genügende Erfahrung nicht zur Seite stand, oder die von
dem gewiß berechtigten Wohlwollen geleitet waren, das Unternehmen, welches
so viele Opfer gekostet, nicht durch eine herbe Kritik zu discreditiren, die Kunst¬
ausstellung mit begeisterten Lobeserhebungen gefeiert haben. Dies Urtheil ist
ferner nöthig, weil über kurz oder lang in müßigen Köpfen wiederum der Ge¬
danke auftauchen könnte, eine neue allgemeine deutsche Kunstausstellung zu arran-
giren, nachdem die Düsseldorfer wenigstens in materieller Hinsicht große Erfolge
erzielt hat.

Letzteres beweist zu Gunsten ihres künstlerischen Werthes natürlich so gut
wie nichts. Als Annex der großen Industrieausstellung werden die Bildersäle
von denselben Massen besucht, welche sich um die riesigen Kohlenblöcke der
rheinisch-westfälischen Hütten, um die Maschinen und die Kruppsche Riesen¬
kanone schaaren, und man darf voraussetzen, daß die überwiegende Majorität
der Besucher, die aus den dichtbevölkerten Nachbardistrikten Düsseldorfs durch
Extrazüge zu Tausenden in die Stadt gezogen worden, aus der Kunstausstel-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/375>, abgerufen am 23.07.2024.