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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Willigen gemeint, da Allerhöchst dieselben einestheils vor die Juden eben nicht
M'til't sind, andrertheils aber derselben Handel dem Lande schon zu nachtheilig
finden, als daß Sie selbige noch mit Gelegenheiten zu Einschleppung der Con-
trebande und zum Schleichhandel begünstigen könnten." Eine Emancipation der
Juden widerstrebte dem Könige durchaus. Nach einem Edicte von 1737 mußten
in Preußen die verheirateten Juden Vollbärte tragen, wie es das mosaische
Gesetz vorschreibt. Dem reichen Abraham Posener gefiel das nicht, und so bat
er den König in einer Petition, sich rasiren lassen zu dürfen. Die Antwort
aber, die er erhielt, lautete nach der Ueberlieferung: "Der Jude Posener soll mich
und seinen Bart ungeschoren lassen." 1765 kam der Schutzjude Meder Benja¬
min in dem (zwei Jahre vorher noch für judenfrei erklärten) Magdeburg um
Bewilligung der Rechte christlicher Kaufleute daselbst ein. Die eigenhändige
königliche Marginalresolution lautete orthographisch treu: "Der Jude Sol Sich
So vohrt aus Magdeburg I^usu oder der Lowanäant wird Ihm heraus
Schmeißen."

Nur in vereinzelten Fällen hat Friedrich der Große durch besondere Gnade
jüdische Kaufleute in ihren bürgerlichen Rechten den christlichen Unterthanen
gleichgestellt, theils um sie für ungewöhnliche Geschäftstüchtigkeit und Recht¬
schaffenheit zu belohnen, theils um sie für diese Gewährung einer Ausnahme¬
stellung zu außergewöhnlichen Leistungen für den Staat heranzuziehen; denn
umsonst gab es für Leute dieser Art nichts. Zwei Beispiele hierfür führt der
Verfasser unseres Schriftchens S. 43 bis 45 an. Das eine betrifft die Berliner
Bankiers Salamon Moses Levi Erben, denen nebst ihren schutzfähigen Descen¬
denten im Jahre 1786 die Rechte christlicher Kaufleute in ihrem Handel und
Wandel in und außer den Gerichten ertheilt wurden, weil "besonders auch nach
den Zeugnissen der Banane, der Seehandlung, der Münze, der Post, dieselben
it)re Ooramörc-o mit solcher Ordnung, Accuratesse und Redlichkeit führen, wie es
u"r immer von guten christliche" Kaufleuten geschieht." Für dieses Privileg
"mßte das jüdische Bankhaus 100 Dukaten an die Chargenkasse zahlen, für
500 Thaler Porzellan exportiren und 25000 Mark Silber binnen Jahresfrist
Zum Münzpreise liefern.

Friedrich war durchgehends gerecht gegen die Juden, er verschaffte ihnen
uiancherlei neue Befugnisse und Erleichterungen und gewährte ihnen überhaupt
jede Bitte, die er für billig hielt. Aber in der Hauptsache ging sein Streben
dahin, zwischen Juden und Christen "eine billige ?roxortion zu heissem"
und ihre zu starke Vermehrung im Lande zu verhindern. Die letztere
betrachtete der König aus ganz bestimmten Gründen als einen Nachtheil für
die übrigen Klassen der Bevölkerung, er hielt die Juden von denjenigen Han¬
delszweigen fern, von denen er glaubte, sie würden sich ohne jüdische Concurrenz


Willigen gemeint, da Allerhöchst dieselben einestheils vor die Juden eben nicht
M'til't sind, andrertheils aber derselben Handel dem Lande schon zu nachtheilig
finden, als daß Sie selbige noch mit Gelegenheiten zu Einschleppung der Con-
trebande und zum Schleichhandel begünstigen könnten." Eine Emancipation der
Juden widerstrebte dem Könige durchaus. Nach einem Edicte von 1737 mußten
in Preußen die verheirateten Juden Vollbärte tragen, wie es das mosaische
Gesetz vorschreibt. Dem reichen Abraham Posener gefiel das nicht, und so bat
er den König in einer Petition, sich rasiren lassen zu dürfen. Die Antwort
aber, die er erhielt, lautete nach der Ueberlieferung: „Der Jude Posener soll mich
und seinen Bart ungeschoren lassen." 1765 kam der Schutzjude Meder Benja¬
min in dem (zwei Jahre vorher noch für judenfrei erklärten) Magdeburg um
Bewilligung der Rechte christlicher Kaufleute daselbst ein. Die eigenhändige
königliche Marginalresolution lautete orthographisch treu: „Der Jude Sol Sich
So vohrt aus Magdeburg I^usu oder der Lowanäant wird Ihm heraus
Schmeißen."

Nur in vereinzelten Fällen hat Friedrich der Große durch besondere Gnade
jüdische Kaufleute in ihren bürgerlichen Rechten den christlichen Unterthanen
gleichgestellt, theils um sie für ungewöhnliche Geschäftstüchtigkeit und Recht¬
schaffenheit zu belohnen, theils um sie für diese Gewährung einer Ausnahme¬
stellung zu außergewöhnlichen Leistungen für den Staat heranzuziehen; denn
umsonst gab es für Leute dieser Art nichts. Zwei Beispiele hierfür führt der
Verfasser unseres Schriftchens S. 43 bis 45 an. Das eine betrifft die Berliner
Bankiers Salamon Moses Levi Erben, denen nebst ihren schutzfähigen Descen¬
denten im Jahre 1786 die Rechte christlicher Kaufleute in ihrem Handel und
Wandel in und außer den Gerichten ertheilt wurden, weil „besonders auch nach
den Zeugnissen der Banane, der Seehandlung, der Münze, der Post, dieselben
it)re Ooramörc-o mit solcher Ordnung, Accuratesse und Redlichkeit führen, wie es
u»r immer von guten christliche» Kaufleuten geschieht." Für dieses Privileg
"mßte das jüdische Bankhaus 100 Dukaten an die Chargenkasse zahlen, für
500 Thaler Porzellan exportiren und 25000 Mark Silber binnen Jahresfrist
Zum Münzpreise liefern.

Friedrich war durchgehends gerecht gegen die Juden, er verschaffte ihnen
uiancherlei neue Befugnisse und Erleichterungen und gewährte ihnen überhaupt
jede Bitte, die er für billig hielt. Aber in der Hauptsache ging sein Streben
dahin, zwischen Juden und Christen „eine billige ?roxortion zu heissem"
und ihre zu starke Vermehrung im Lande zu verhindern. Die letztere
betrachtete der König aus ganz bestimmten Gründen als einen Nachtheil für
die übrigen Klassen der Bevölkerung, er hielt die Juden von denjenigen Han¬
delszweigen fern, von denen er glaubte, sie würden sich ohne jüdische Concurrenz


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[0336] Willigen gemeint, da Allerhöchst dieselben einestheils vor die Juden eben nicht M'til't sind, andrertheils aber derselben Handel dem Lande schon zu nachtheilig finden, als daß Sie selbige noch mit Gelegenheiten zu Einschleppung der Con- trebande und zum Schleichhandel begünstigen könnten." Eine Emancipation der Juden widerstrebte dem Könige durchaus. Nach einem Edicte von 1737 mußten in Preußen die verheirateten Juden Vollbärte tragen, wie es das mosaische Gesetz vorschreibt. Dem reichen Abraham Posener gefiel das nicht, und so bat er den König in einer Petition, sich rasiren lassen zu dürfen. Die Antwort aber, die er erhielt, lautete nach der Ueberlieferung: „Der Jude Posener soll mich und seinen Bart ungeschoren lassen." 1765 kam der Schutzjude Meder Benja¬ min in dem (zwei Jahre vorher noch für judenfrei erklärten) Magdeburg um Bewilligung der Rechte christlicher Kaufleute daselbst ein. Die eigenhändige königliche Marginalresolution lautete orthographisch treu: „Der Jude Sol Sich So vohrt aus Magdeburg I^usu oder der Lowanäant wird Ihm heraus Schmeißen." Nur in vereinzelten Fällen hat Friedrich der Große durch besondere Gnade jüdische Kaufleute in ihren bürgerlichen Rechten den christlichen Unterthanen gleichgestellt, theils um sie für ungewöhnliche Geschäftstüchtigkeit und Recht¬ schaffenheit zu belohnen, theils um sie für diese Gewährung einer Ausnahme¬ stellung zu außergewöhnlichen Leistungen für den Staat heranzuziehen; denn umsonst gab es für Leute dieser Art nichts. Zwei Beispiele hierfür führt der Verfasser unseres Schriftchens S. 43 bis 45 an. Das eine betrifft die Berliner Bankiers Salamon Moses Levi Erben, denen nebst ihren schutzfähigen Descen¬ denten im Jahre 1786 die Rechte christlicher Kaufleute in ihrem Handel und Wandel in und außer den Gerichten ertheilt wurden, weil „besonders auch nach den Zeugnissen der Banane, der Seehandlung, der Münze, der Post, dieselben it)re Ooramörc-o mit solcher Ordnung, Accuratesse und Redlichkeit führen, wie es u»r immer von guten christliche» Kaufleuten geschieht." Für dieses Privileg "mßte das jüdische Bankhaus 100 Dukaten an die Chargenkasse zahlen, für 500 Thaler Porzellan exportiren und 25000 Mark Silber binnen Jahresfrist Zum Münzpreise liefern. Friedrich war durchgehends gerecht gegen die Juden, er verschaffte ihnen uiancherlei neue Befugnisse und Erleichterungen und gewährte ihnen überhaupt jede Bitte, die er für billig hielt. Aber in der Hauptsache ging sein Streben dahin, zwischen Juden und Christen „eine billige ?roxortion zu heissem" und ihre zu starke Vermehrung im Lande zu verhindern. Die letztere betrachtete der König aus ganz bestimmten Gründen als einen Nachtheil für die übrigen Klassen der Bevölkerung, er hielt die Juden von denjenigen Han¬ delszweigen fern, von denen er glaubte, sie würden sich ohne jüdische Concurrenz

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/336>, abgerufen am 23.07.2024.