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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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da Uebertretungen derselben vorkamen, neu eingeschärft, und namentlich verging
kaum ein Jahr während Friedrichs Regierung, ohne daß ein Edict gegen jüdi¬
sche Hausirer auf dem Lande und fremde Betteljuden, besonders gegen die aus
Polen kommenden, erlassen wurde. 1753 z. B. befahl der König, "daß die
schlechten und geringen Juden in den kleinen Städten, sonderlich in denen, so
mitten im Lande liegen, woselbst solche Juden ganz unnöthig oder vielmehr
schädlich sind, bey aller Gelegenheit und nach aller Möglichkeit weggeschaffet
werden." Durch Edict vom 13. Januar 1755 wurde das Verbot des Wuchers
verschärft und der Zinsfuß bei ohne Pfand ausgeliehenem Gelde auf 7, bei
Sicherung des Darlehens durch Pfand auf 6 Procent herabgesetzt. 1761 wurde
den Juden der Handel mit Flachs und Holz verboten, das Jahr darauf erschien
ein Edict, nach welchem fremde Juden sich in einer preußischen Stadt nicht
länger als acht Tage aufhalten durften. 1763 folgte ein anderes, welches ihnen
den Allkauf von Häusern ohne besondere Erlaubniß untersagte. 1764 verbot
eine Cabinetsordre ihnen die Pachtung landwirtschaftlicher Gegenstände mit der
Motivirung: "Allermaßen denen Juden der Schutz hauptsächlich deshalb er¬
stattet wird, um Handel, Commerce, Manufacturen, Fabriquen u. drgl. zu be¬
treiben, anderen als christlichen Leuten aber die Landwirtschaftlichen Sachen
M ihrer Bearbeitung nicht überlassen werden und mithin ein jedes in seinem
Fache bleiben muß."

Den "Leibzoll", d. h. die an den Zollstätten von "unvergleiteten" Juden
für die Erlaubniß zur Durchreise zu erlegende Abgabe, die 1769 in der Provinz
Preußen für den jüdischen Kaufmann 3'/z, für den Knecht 2^ und für den
Jungen 1 '/z Thaler betrug, ließ der König bestehen. Ebenso dauerte das Recht
verschiedener Städte, wie Magdeburg und Stettin, sich von Juden frei halten
Zu dürfen, unter ihm fort.

Da der König wünschte, daß seine jüdischen Unterthanen ihr Vermögen in
Fabriken anlegten, so ertheilte er 1763 den ordentlichen Schutzjuden das Recht,
gegen Errichtung einer neuen Fabrik ihren Schutz auf ein zweites Kind zu ver¬
erben. In demi betreffenden Circular aber verfügt er vorsichtig: "Was die
Häuser betrifft, womit gedachte 2te Kinder der Schutz-Juden sich xosssssionirt
Machen wollen, so ist Unsere Intontion gar nicht, daß dadurch die Anzahl der
christlichen Bürger-Häuser vermindert werden soll, wohl aber wollen wir
geschehen lassen, daß drgl. 2de Kinder neue Häuser erbauen sollen, und zwar
Zu Berlin auf Stellen, die allda an verschiedenen Orten der Stadt noch nicht
bebauet, in anderen Städten aber auf wüsten Stellen." Und weiterhin heißt
es: "Damit Wir aber in unserer Intontion nicht hintergangen, und bei Uns
keine eanooKÄonos erschlichen werden mögen, so üovlarircm Wir hierdurch und
wollen, daß keinen neuen Juden-Familien der Schutz oono^tiree werden soll,


Grenzbow, IN. 1880. 4Z

da Uebertretungen derselben vorkamen, neu eingeschärft, und namentlich verging
kaum ein Jahr während Friedrichs Regierung, ohne daß ein Edict gegen jüdi¬
sche Hausirer auf dem Lande und fremde Betteljuden, besonders gegen die aus
Polen kommenden, erlassen wurde. 1753 z. B. befahl der König, „daß die
schlechten und geringen Juden in den kleinen Städten, sonderlich in denen, so
mitten im Lande liegen, woselbst solche Juden ganz unnöthig oder vielmehr
schädlich sind, bey aller Gelegenheit und nach aller Möglichkeit weggeschaffet
werden." Durch Edict vom 13. Januar 1755 wurde das Verbot des Wuchers
verschärft und der Zinsfuß bei ohne Pfand ausgeliehenem Gelde auf 7, bei
Sicherung des Darlehens durch Pfand auf 6 Procent herabgesetzt. 1761 wurde
den Juden der Handel mit Flachs und Holz verboten, das Jahr darauf erschien
ein Edict, nach welchem fremde Juden sich in einer preußischen Stadt nicht
länger als acht Tage aufhalten durften. 1763 folgte ein anderes, welches ihnen
den Allkauf von Häusern ohne besondere Erlaubniß untersagte. 1764 verbot
eine Cabinetsordre ihnen die Pachtung landwirtschaftlicher Gegenstände mit der
Motivirung: „Allermaßen denen Juden der Schutz hauptsächlich deshalb er¬
stattet wird, um Handel, Commerce, Manufacturen, Fabriquen u. drgl. zu be¬
treiben, anderen als christlichen Leuten aber die Landwirtschaftlichen Sachen
M ihrer Bearbeitung nicht überlassen werden und mithin ein jedes in seinem
Fache bleiben muß."

Den „Leibzoll", d. h. die an den Zollstätten von „unvergleiteten" Juden
für die Erlaubniß zur Durchreise zu erlegende Abgabe, die 1769 in der Provinz
Preußen für den jüdischen Kaufmann 3'/z, für den Knecht 2^ und für den
Jungen 1 '/z Thaler betrug, ließ der König bestehen. Ebenso dauerte das Recht
verschiedener Städte, wie Magdeburg und Stettin, sich von Juden frei halten
Zu dürfen, unter ihm fort.

Da der König wünschte, daß seine jüdischen Unterthanen ihr Vermögen in
Fabriken anlegten, so ertheilte er 1763 den ordentlichen Schutzjuden das Recht,
gegen Errichtung einer neuen Fabrik ihren Schutz auf ein zweites Kind zu ver¬
erben. In demi betreffenden Circular aber verfügt er vorsichtig: „Was die
Häuser betrifft, womit gedachte 2te Kinder der Schutz-Juden sich xosssssionirt
Machen wollen, so ist Unsere Intontion gar nicht, daß dadurch die Anzahl der
christlichen Bürger-Häuser vermindert werden soll, wohl aber wollen wir
geschehen lassen, daß drgl. 2de Kinder neue Häuser erbauen sollen, und zwar
Zu Berlin auf Stellen, die allda an verschiedenen Orten der Stadt noch nicht
bebauet, in anderen Städten aber auf wüsten Stellen." Und weiterhin heißt
es: „Damit Wir aber in unserer Intontion nicht hintergangen, und bei Uns
keine eanooKÄonos erschlichen werden mögen, so üovlarircm Wir hierdurch und
wollen, daß keinen neuen Juden-Familien der Schutz oono^tiree werden soll,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/334>, abgerufen am 23.07.2024.