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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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zustellen, wie groß die Schäden und Schmerzen sind, welche ihnen aus derselben
erwachsen. Das Reich muß dem gegenüber wie der klar sehende Arzt handeln,
der heilende Schnitt darf nicht unterlassen werden, weil er Schmerzen verursacht;
er ist lediglich zu prüfen auf seiue Nothwendigkeit und seine Heilkraft." So
der Verfasser, dem wir in allen Stücken beistimmen.

Mosle betrachtet nun eingehend die drei Hauptpunkte, welche bei Einfüh¬
rung des Unterscheidnugszolles zu berücksichtigen sind: die Freihafeustelluug der
Hansestädte, die geographische Lage der Rhein- und Moselgegenden und ihr
Verhältniß zu den holländischen und belgischen Hafenplätzen, endlich die Ems-
und die Ostseehäfen. Indem wir uns vorbehalten, das, was der Verfasser über
die beiden letzten Punkte bemerkt, später einmal auszugsweise mitzutheilen, geben
wir hier im wesentlichen bloß das wieder, was er über den ersten Punkt sagt.

Die Aufhebung der Zollschranken im deutschen Binnenlande hat einen
großen wirthschaftlichen Aufschwung zur Folge gehabt, eine Erstarkung der Pro-
ductions- und Consnmtionskraft, die den Seestädten direct zu gute gekommen
ist. Ebenso würde aber auch die Wegräumung der um die Seestädte gezognen
Zollbarrieren dem Binnenlande zum Vortheile gereichen; denn dieselbe trägt
wesentlich zur Erleichterung desjenigen freien Verkehrs bei, dessen das Hinter¬
land zum Absatz der Erzeugnisse seiner Industrie bedarf. In allen Ländern
der Welt sind die großen Seestädte Handels- und zollpolitisch mit ihrem Hinter¬
kante vereinigt. Nur Trieft und die deutschen Zollausschlttsse machen noch eine
Ausnahme von der Regel. Aber Trieft schickt sich an, sein Freihafen-Monopol
aufzugeben, und Bremen und Hamburg können, wenn sie ihren Bortheil und
den ihrer Ernährer im Hinterkante recht verstehen, auch nicht länger damit
zögern. Sie müssen endlich mit dem Eintritt in das Zollgebiet Ernst machen
und mit einem Zustande aufräumen, welcher gegenüber der neuen nationalen
Handelspolitik und der Erstarkung des Reiches unhaltbar geworden ist. Durch
die Zollschranken, welche um Hamburg und Bremen gezogen sind, hat das
deutsche Reich das Handinhandgehen des Einfuhrhandels mit dem Ausfuhr¬
handel, die Versorgung des Inlandes mit den Erzeugnissen des Auslandes und
die des Auslandes mit denen des Inlandes, die eigentliche Aufgabe der See¬
städte, wesentlich erschwert, und andererseits hat es durch die Belassung der
beiden Hansestädte bei ihrer Eigenschaft als Freihafen, die der Einfuhr und dem
Vertrieb fremder Jndustrieerzeugnisse die Thür geöffnet, Handwerk und Indu¬
strie in diesen Städten schwerer Beeinträchtigung überlassen. Der Werth der
allein aus Großbritannien in Hamburg eingeführten Waaren betrug 1878
426821230 Mark, und darunter befanden sich für circa 230 Millionen Mark
englische Industrie-Erzeugnisse. Während Hamburg also eine sehr starke Ein¬
fuhr solcher Waaren betreibt, klagen die überseeischen Einkäufer der Producte


zustellen, wie groß die Schäden und Schmerzen sind, welche ihnen aus derselben
erwachsen. Das Reich muß dem gegenüber wie der klar sehende Arzt handeln,
der heilende Schnitt darf nicht unterlassen werden, weil er Schmerzen verursacht;
er ist lediglich zu prüfen auf seiue Nothwendigkeit und seine Heilkraft." So
der Verfasser, dem wir in allen Stücken beistimmen.

Mosle betrachtet nun eingehend die drei Hauptpunkte, welche bei Einfüh¬
rung des Unterscheidnugszolles zu berücksichtigen sind: die Freihafeustelluug der
Hansestädte, die geographische Lage der Rhein- und Moselgegenden und ihr
Verhältniß zu den holländischen und belgischen Hafenplätzen, endlich die Ems-
und die Ostseehäfen. Indem wir uns vorbehalten, das, was der Verfasser über
die beiden letzten Punkte bemerkt, später einmal auszugsweise mitzutheilen, geben
wir hier im wesentlichen bloß das wieder, was er über den ersten Punkt sagt.

Die Aufhebung der Zollschranken im deutschen Binnenlande hat einen
großen wirthschaftlichen Aufschwung zur Folge gehabt, eine Erstarkung der Pro-
ductions- und Consnmtionskraft, die den Seestädten direct zu gute gekommen
ist. Ebenso würde aber auch die Wegräumung der um die Seestädte gezognen
Zollbarrieren dem Binnenlande zum Vortheile gereichen; denn dieselbe trägt
wesentlich zur Erleichterung desjenigen freien Verkehrs bei, dessen das Hinter¬
land zum Absatz der Erzeugnisse seiner Industrie bedarf. In allen Ländern
der Welt sind die großen Seestädte Handels- und zollpolitisch mit ihrem Hinter¬
kante vereinigt. Nur Trieft und die deutschen Zollausschlttsse machen noch eine
Ausnahme von der Regel. Aber Trieft schickt sich an, sein Freihafen-Monopol
aufzugeben, und Bremen und Hamburg können, wenn sie ihren Bortheil und
den ihrer Ernährer im Hinterkante recht verstehen, auch nicht länger damit
zögern. Sie müssen endlich mit dem Eintritt in das Zollgebiet Ernst machen
und mit einem Zustande aufräumen, welcher gegenüber der neuen nationalen
Handelspolitik und der Erstarkung des Reiches unhaltbar geworden ist. Durch
die Zollschranken, welche um Hamburg und Bremen gezogen sind, hat das
deutsche Reich das Handinhandgehen des Einfuhrhandels mit dem Ausfuhr¬
handel, die Versorgung des Inlandes mit den Erzeugnissen des Auslandes und
die des Auslandes mit denen des Inlandes, die eigentliche Aufgabe der See¬
städte, wesentlich erschwert, und andererseits hat es durch die Belassung der
beiden Hansestädte bei ihrer Eigenschaft als Freihafen, die der Einfuhr und dem
Vertrieb fremder Jndustrieerzeugnisse die Thür geöffnet, Handwerk und Indu¬
strie in diesen Städten schwerer Beeinträchtigung überlassen. Der Werth der
allein aus Großbritannien in Hamburg eingeführten Waaren betrug 1878
426821230 Mark, und darunter befanden sich für circa 230 Millionen Mark
englische Industrie-Erzeugnisse. Während Hamburg also eine sehr starke Ein¬
fuhr solcher Waaren betreibt, klagen die überseeischen Einkäufer der Producte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/311>, abgerufen am 23.07.2024.