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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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unter unmittelbarer Hamburgischer Verfassung stehen, nicht ein Hektar Land
sollte einer Privatgesellschaft überlassen werden." Im "Fremdenblatt" spukte so¬
gar das Gespenst einer handelspolitischen Trippelallianz Frankreich, England und
-- Hamburg. Viel schädlicher als solches Gerede war das Todtschweigen dessen,
was die Gegenpartei geltend machen konnte. Kein Hamburger Blatt hat es in
dieser Zeit für gut gesunden, die wichtigen Ausführungen, die andere Organe
der Presse in Bezug auf die staatsrechtliche Seite der Freihafenfrage brachten,
auch nur mitzutheilen. So blieb der größte Theil des Publikums über diesen
Gegenstand im Unklaren, und als dann der obenerwähnte Antrag Preußens an
den Bundesrath gelangte, mußte er als etwas Urplötzliches, als Ueberrumpelung
der öffentlichen Meinung erscheinen. Während seit 1867 und 1871 alle von der
Zollanschlußpartei ausgegangenen Bestrebungen auf Enqnote unbeachtet blieben,
wird plötzlich nach dreizehnjähriger Verschleppung in Hamburg Miene gemacht,
als sei man zu einer Enquvte bereit. Die Zvllauschlußpnrtei aber erblickt darin
nur ein neues Verschleppuugsmauöver, mit welchem man die jetzige deutsche
Wirthschaftspolitik zu überdauern hofft, und eine Verkümmerung der Lebensbe-
dingungen des größten Theils der Hamburger Bevölkerung.

Nach der Meinung derselben Partei könnte es sich jetzt lediglich um die
Erörterung der Modalitäten handeln, unter welchen der Eintritt der Freihafen
Deutschlands in das Reichszollgebiet auf ersprießliche Weise zu bewirken wäre.
Sie verwirft die in Hamburg und Bremen künstlich herangebildete Ansicht, als
ob Reichskanzler und Bundesrath nicht geneigt sein sollten, diejenigen Ein¬
richtungen gesetzlich festzustellen, welche geeignet sind, den Handel und die mit
diesem verbundene Industrie der in das Zollgebiet des Reichs eintretenden freien
Städte in ihrer Blüthe zu erhalten und zu fördern. Sie ist durchdrungen von
dem Bedürfniß der Zugehörigkeit dieser Städte zum großen Vaterlande, nicht
nur in deren eignem Interesse, sondern auch in demjenigen des deutschen Exports
und im Hinblick auf eine bessere Versorgung des deutschen Jmportmarktes.

Und wie stellt sich dazu die preußische Regierung? Hören wir, was das
Flugblatt den preußischen Finanzminister sagen läßt. Derselbe bemerkte dem
Comite bei der anfangs erwähnten Unterredung: Wenn der Senat Hamburgs
auf Erhaltung des dortigen Freihafens in seiner jetzigen Ausdehnung bestehe,
so könne man daran nichts ändern. Preußen werde aber die im Princip bereits
beschlossene Einverleibung sämmtlicher preußischer Gebiete in die Zollgrenzen des
Reiches ungesäumt durchführen, und es sei überzeugt, daß Hamburg sich in der
Absonderung von Deutschland weniger gut stehen werde als in der Verbindung
mit demselben. Darüber, daß für den Fall des Anschlusses Hamburgs an das
deutsche Zollgebiet ein gewisser Theil des ersteren Freihafen bleiben solle, herrsche
keine Meinungsverschiedenheit. Nach Ansicht der preußischen und der Neichsregie-


unter unmittelbarer Hamburgischer Verfassung stehen, nicht ein Hektar Land
sollte einer Privatgesellschaft überlassen werden." Im „Fremdenblatt" spukte so¬
gar das Gespenst einer handelspolitischen Trippelallianz Frankreich, England und
— Hamburg. Viel schädlicher als solches Gerede war das Todtschweigen dessen,
was die Gegenpartei geltend machen konnte. Kein Hamburger Blatt hat es in
dieser Zeit für gut gesunden, die wichtigen Ausführungen, die andere Organe
der Presse in Bezug auf die staatsrechtliche Seite der Freihafenfrage brachten,
auch nur mitzutheilen. So blieb der größte Theil des Publikums über diesen
Gegenstand im Unklaren, und als dann der obenerwähnte Antrag Preußens an
den Bundesrath gelangte, mußte er als etwas Urplötzliches, als Ueberrumpelung
der öffentlichen Meinung erscheinen. Während seit 1867 und 1871 alle von der
Zollanschlußpartei ausgegangenen Bestrebungen auf Enqnote unbeachtet blieben,
wird plötzlich nach dreizehnjähriger Verschleppung in Hamburg Miene gemacht,
als sei man zu einer Enquvte bereit. Die Zvllauschlußpnrtei aber erblickt darin
nur ein neues Verschleppuugsmauöver, mit welchem man die jetzige deutsche
Wirthschaftspolitik zu überdauern hofft, und eine Verkümmerung der Lebensbe-
dingungen des größten Theils der Hamburger Bevölkerung.

Nach der Meinung derselben Partei könnte es sich jetzt lediglich um die
Erörterung der Modalitäten handeln, unter welchen der Eintritt der Freihafen
Deutschlands in das Reichszollgebiet auf ersprießliche Weise zu bewirken wäre.
Sie verwirft die in Hamburg und Bremen künstlich herangebildete Ansicht, als
ob Reichskanzler und Bundesrath nicht geneigt sein sollten, diejenigen Ein¬
richtungen gesetzlich festzustellen, welche geeignet sind, den Handel und die mit
diesem verbundene Industrie der in das Zollgebiet des Reichs eintretenden freien
Städte in ihrer Blüthe zu erhalten und zu fördern. Sie ist durchdrungen von
dem Bedürfniß der Zugehörigkeit dieser Städte zum großen Vaterlande, nicht
nur in deren eignem Interesse, sondern auch in demjenigen des deutschen Exports
und im Hinblick auf eine bessere Versorgung des deutschen Jmportmarktes.

Und wie stellt sich dazu die preußische Regierung? Hören wir, was das
Flugblatt den preußischen Finanzminister sagen läßt. Derselbe bemerkte dem
Comite bei der anfangs erwähnten Unterredung: Wenn der Senat Hamburgs
auf Erhaltung des dortigen Freihafens in seiner jetzigen Ausdehnung bestehe,
so könne man daran nichts ändern. Preußen werde aber die im Princip bereits
beschlossene Einverleibung sämmtlicher preußischer Gebiete in die Zollgrenzen des
Reiches ungesäumt durchführen, und es sei überzeugt, daß Hamburg sich in der
Absonderung von Deutschland weniger gut stehen werde als in der Verbindung
mit demselben. Darüber, daß für den Fall des Anschlusses Hamburgs an das
deutsche Zollgebiet ein gewisser Theil des ersteren Freihafen bleiben solle, herrsche
keine Meinungsverschiedenheit. Nach Ansicht der preußischen und der Neichsregie-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/255>, abgerufen am 03.07.2024.