Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.
Die Armseligkeit dieser modernen Männerwelt tritt besonders voll ins Licht
Durch die Veröffentlichung dieses ersten Gesanges machte sich Parmi nicht
Die Armseligkeit dieser modernen Männerwelt tritt besonders voll ins Licht
Durch die Veröffentlichung dieses ersten Gesanges machte sich Parmi nicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0224" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147318"/> <quote> <lg xml:id="POEMID_3" type="poem"> <l> O würdige Weide einer großen Seele!<lb/> O klarer, edler Geist! Mit Fug und Recht<lb/> Mag voll Verehrung sich der Haufe neigen.<lb/> Gewärtig der Orakel. Wer doch wäre<lb/> So thöricht, daß er heimlich dich verspotte,<lb/> Wenn, fußend auf so hehren Studien,<lb/> Des eignen Landes Dummheit du verklagst.<lb/> Zu heben suchst mit deinem Zauberglanz<lb/> Die gotische Finsterniß, die lange Zeit<lb/> Dem armen Volk das Aug' umwoben hielt?</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_587"> Die Armseligkeit dieser modernen Männerwelt tritt besonders voll ins Licht<lb/> durch den gelegentlichen Vergleich mit den rühmlichen Vorfahren. „O tapfrer<lb/> Held" wird der Stutzer gepriesen, der in einer Wolke von Puder dasteht; „so<lb/> stand einst dein großer Ahn zwischen dem Rauch und Feuer des wüthenden<lb/> Mars, als er die heimischen Laren vertheidigte und den trotzigen Feind in die<lb/> Flucht schlug. Aber freilich kehrte er in wenig anmuthigen Zustande heim,<lb/> mit Blut und Schweiß bedeckt und mit wirrem Haar, während dn einen reiz¬<lb/> vollen Anblick darbieten wirst, wenn du nun hinausschreitest, um die Augen des<lb/> theuren Vaterlandes zu beglücken." Nachdem die Toilette bis aufs kleinste voll¬<lb/> endet, giebt der Dichter seinem Zögling das Geleit mit den Worten:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_4" type="poem"> <l> Jetzt lebe wohl,<lb/> Der Menschen Augenweide, deines Stammes<lb/> Und deines Vaterlandes Ruhm und Hort!<lb/> Dort harren in zwei Reihen deine Diener,<lb/> Dich zu empfangen; hurtig läuft ein andrer<lb/> Voraus, der Welt zu künden, daß du nun<lb/> Sie zu beglücken kommst; ein andrer hält dich<lb/> Zaghaft am Arm, indeß du in die goldne<lb/> Carosse steigst und schweigsam dich und ernst<lb/> In eine Ecke streckst. Gieb Raum, o Volk,<lb/> Und weiche vor dem Thron, auf welchem Platz<lb/> Mein Herr genommen! Wehe dir, du Pack,<lb/> Wenn deinetwegen er verlieren sollte<lb/> Nur eine seiner kostbaren Minuten I<lb/> Den Kutscher fürchte, welchen kein Gesetz,<lb/> Noch Strick und Ruthe zähmt; die Räder fürchte,<lb/> Die manches Mal schon deine Glieder ja<lb/> Fort mit sich schleiften und, befleckt mit deinem<lb/> Unreinen Blut, mit einem langen streife» —<lb/> schmachvoller Anblick! — zeichneten den Boden.</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_588" next="#ID_589"> Durch die Veröffentlichung dieses ersten Gesanges machte sich Parmi nicht<lb/> nur gefürchtet bei den mächtigen Familien, sondern eroberte sich zugleich in der<lb/> literarischen Welt mit einem Schlage eine hervorragende Stellung. Außerdem</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0224]
O würdige Weide einer großen Seele!
O klarer, edler Geist! Mit Fug und Recht
Mag voll Verehrung sich der Haufe neigen.
Gewärtig der Orakel. Wer doch wäre
So thöricht, daß er heimlich dich verspotte,
Wenn, fußend auf so hehren Studien,
Des eignen Landes Dummheit du verklagst.
Zu heben suchst mit deinem Zauberglanz
Die gotische Finsterniß, die lange Zeit
Dem armen Volk das Aug' umwoben hielt?
Die Armseligkeit dieser modernen Männerwelt tritt besonders voll ins Licht
durch den gelegentlichen Vergleich mit den rühmlichen Vorfahren. „O tapfrer
Held" wird der Stutzer gepriesen, der in einer Wolke von Puder dasteht; „so
stand einst dein großer Ahn zwischen dem Rauch und Feuer des wüthenden
Mars, als er die heimischen Laren vertheidigte und den trotzigen Feind in die
Flucht schlug. Aber freilich kehrte er in wenig anmuthigen Zustande heim,
mit Blut und Schweiß bedeckt und mit wirrem Haar, während dn einen reiz¬
vollen Anblick darbieten wirst, wenn du nun hinausschreitest, um die Augen des
theuren Vaterlandes zu beglücken." Nachdem die Toilette bis aufs kleinste voll¬
endet, giebt der Dichter seinem Zögling das Geleit mit den Worten:
Jetzt lebe wohl,
Der Menschen Augenweide, deines Stammes
Und deines Vaterlandes Ruhm und Hort!
Dort harren in zwei Reihen deine Diener,
Dich zu empfangen; hurtig läuft ein andrer
Voraus, der Welt zu künden, daß du nun
Sie zu beglücken kommst; ein andrer hält dich
Zaghaft am Arm, indeß du in die goldne
Carosse steigst und schweigsam dich und ernst
In eine Ecke streckst. Gieb Raum, o Volk,
Und weiche vor dem Thron, auf welchem Platz
Mein Herr genommen! Wehe dir, du Pack,
Wenn deinetwegen er verlieren sollte
Nur eine seiner kostbaren Minuten I
Den Kutscher fürchte, welchen kein Gesetz,
Noch Strick und Ruthe zähmt; die Räder fürchte,
Die manches Mal schon deine Glieder ja
Fort mit sich schleiften und, befleckt mit deinem
Unreinen Blut, mit einem langen streife» —
schmachvoller Anblick! — zeichneten den Boden.
Durch die Veröffentlichung dieses ersten Gesanges machte sich Parmi nicht
nur gefürchtet bei den mächtigen Familien, sondern eroberte sich zugleich in der
literarischen Welt mit einem Schlage eine hervorragende Stellung. Außerdem
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |