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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Die Gräfin von Callenberg war unterdessen selbst nach Breslau gegangen
und suchte hier ihrer Bitte um Wiedererlangung ihrer Tochter und Auslieferung
le Mores besonderen Nachdruck zu geben dadurch, daß sie behauptete, mau habe
ihre Tochter entführt, weil man sie nicht mit einem gewissen katholischen Grafen
verheirathet sehen wolle. Ohne Zweifel gab die Gräfin hierbei den Namen des
Grafen von Althan an, mit dem sie im Kukusbade jedenfalls bekannt geworden
war, und dessen eifrig katholische Familie am kaiserlichen Hose hohes Ansehen
und großen Einfluß besaß. Man sieht, wie gut die Gräfin ihre Zeit kannte
und die Mittel, mit denen sie die einflußreichsten Personen in ihr Interesse
ziehen konnte. So wurde denn die in bester Absicht unternommene Entführung
der jungen Gräfin von Promnitz zu einer Neligionssache gemacht, bei welcher
es sich in erster Linie nicht um die Erziehung, sondern um die Erwerbung der
Gräfin für die katholische Kirche handelte.

Der damalige Vorsitzende des Oberamts in Breslau, Hans Anton Graf
Schafgotsch, mit dem Prvmnitzischen Hause verwandt, suchte die Sache gütlich
beizulegen, indem er vorstellte, daß man der Herzogin von Weißenfels-Dahme,
als einer Reichsfürstin, nichts befehlen könne. So leicht ließ sich jedoch die
Gräfin von Callenberg nicht abfinden. Sie wollte um keinen Preis ihre Tochter
in den Händen der Herzogin lassen, sollte sie auch für immer auf den Besitz
ihrer Tochter verzichten. Wohl bekannt mit der Gesinnung des kaiserlichen
Hoses, wußte sie sehr gut, wie sie durch diesen gegen die Herzogin vorgehen
müsse. Hatte sie schon vor dem Oberamt in Breslau angegeben, ihre Tochter
habe sich mit einem katholischen Grafen verheirathen sollen und sei deshalb ge¬
raubt worden, so ging sie jetzt noch einen Schritt weiter. In einem Schreiben
an die Kaiserin trat sie dieser ihr Mutterrecht ab und bat sie, ihre Tochter
künftig zur Hofdame anzunehmen und nachmals nach Gutdünken an einen katho¬
lischen Grafen zu verheirathen. Die Kaiserin nahm das Anerbieten an, und
unverzüglich wurden die nöthigen Befehle zur Herbeischaffung der jungeu Gräfin
von Promnitz gegeben.

Unterm 29. August 1724 erging aus der, geheimen Hofcanzlei an den
Grafen von Schafgotsch eine Verfügung, in der es heißt: "sintemalen das
taowro. an sich selbst gar stark in das Publikum gedrungen und wider unsere
allerhöchste Landesfürstliche Gerechtsamkeit mit offenbahrer, übelqualificirter Vio-
liruug des lerritor^ laufet, daran aber die in vorgemeldeten Unserem Erb-
hertzogthumb Schlesien über die Promnitzische Pnpillin bestellte Vormünder, ob-
besagter Erdmann Graf von Promnitz und Gottfried Graf von Rhedern allem
Ansehen nach gukte Mitwissenschaft und große Schuld gehabt, da Ihnen im
Gegentheil, als unseren Landes-Jnsassen ans Unsere lorritorial-^urA und die
im Land publicirten Patenten Obacht zu tragen obgelegen, dannenhero wir


Die Gräfin von Callenberg war unterdessen selbst nach Breslau gegangen
und suchte hier ihrer Bitte um Wiedererlangung ihrer Tochter und Auslieferung
le Mores besonderen Nachdruck zu geben dadurch, daß sie behauptete, mau habe
ihre Tochter entführt, weil man sie nicht mit einem gewissen katholischen Grafen
verheirathet sehen wolle. Ohne Zweifel gab die Gräfin hierbei den Namen des
Grafen von Althan an, mit dem sie im Kukusbade jedenfalls bekannt geworden
war, und dessen eifrig katholische Familie am kaiserlichen Hose hohes Ansehen
und großen Einfluß besaß. Man sieht, wie gut die Gräfin ihre Zeit kannte
und die Mittel, mit denen sie die einflußreichsten Personen in ihr Interesse
ziehen konnte. So wurde denn die in bester Absicht unternommene Entführung
der jungen Gräfin von Promnitz zu einer Neligionssache gemacht, bei welcher
es sich in erster Linie nicht um die Erziehung, sondern um die Erwerbung der
Gräfin für die katholische Kirche handelte.

Der damalige Vorsitzende des Oberamts in Breslau, Hans Anton Graf
Schafgotsch, mit dem Prvmnitzischen Hause verwandt, suchte die Sache gütlich
beizulegen, indem er vorstellte, daß man der Herzogin von Weißenfels-Dahme,
als einer Reichsfürstin, nichts befehlen könne. So leicht ließ sich jedoch die
Gräfin von Callenberg nicht abfinden. Sie wollte um keinen Preis ihre Tochter
in den Händen der Herzogin lassen, sollte sie auch für immer auf den Besitz
ihrer Tochter verzichten. Wohl bekannt mit der Gesinnung des kaiserlichen
Hoses, wußte sie sehr gut, wie sie durch diesen gegen die Herzogin vorgehen
müsse. Hatte sie schon vor dem Oberamt in Breslau angegeben, ihre Tochter
habe sich mit einem katholischen Grafen verheirathen sollen und sei deshalb ge¬
raubt worden, so ging sie jetzt noch einen Schritt weiter. In einem Schreiben
an die Kaiserin trat sie dieser ihr Mutterrecht ab und bat sie, ihre Tochter
künftig zur Hofdame anzunehmen und nachmals nach Gutdünken an einen katho¬
lischen Grafen zu verheirathen. Die Kaiserin nahm das Anerbieten an, und
unverzüglich wurden die nöthigen Befehle zur Herbeischaffung der jungeu Gräfin
von Promnitz gegeben.

Unterm 29. August 1724 erging aus der, geheimen Hofcanzlei an den
Grafen von Schafgotsch eine Verfügung, in der es heißt: „sintemalen das
taowro. an sich selbst gar stark in das Publikum gedrungen und wider unsere
allerhöchste Landesfürstliche Gerechtsamkeit mit offenbahrer, übelqualificirter Vio-
liruug des lerritor^ laufet, daran aber die in vorgemeldeten Unserem Erb-
hertzogthumb Schlesien über die Promnitzische Pnpillin bestellte Vormünder, ob-
besagter Erdmann Graf von Promnitz und Gottfried Graf von Rhedern allem
Ansehen nach gukte Mitwissenschaft und große Schuld gehabt, da Ihnen im
Gegentheil, als unseren Landes-Jnsassen ans Unsere lorritorial-^urA und die
im Land publicirten Patenten Obacht zu tragen obgelegen, dannenhero wir


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[0216] Die Gräfin von Callenberg war unterdessen selbst nach Breslau gegangen und suchte hier ihrer Bitte um Wiedererlangung ihrer Tochter und Auslieferung le Mores besonderen Nachdruck zu geben dadurch, daß sie behauptete, mau habe ihre Tochter entführt, weil man sie nicht mit einem gewissen katholischen Grafen verheirathet sehen wolle. Ohne Zweifel gab die Gräfin hierbei den Namen des Grafen von Althan an, mit dem sie im Kukusbade jedenfalls bekannt geworden war, und dessen eifrig katholische Familie am kaiserlichen Hose hohes Ansehen und großen Einfluß besaß. Man sieht, wie gut die Gräfin ihre Zeit kannte und die Mittel, mit denen sie die einflußreichsten Personen in ihr Interesse ziehen konnte. So wurde denn die in bester Absicht unternommene Entführung der jungen Gräfin von Promnitz zu einer Neligionssache gemacht, bei welcher es sich in erster Linie nicht um die Erziehung, sondern um die Erwerbung der Gräfin für die katholische Kirche handelte. Der damalige Vorsitzende des Oberamts in Breslau, Hans Anton Graf Schafgotsch, mit dem Prvmnitzischen Hause verwandt, suchte die Sache gütlich beizulegen, indem er vorstellte, daß man der Herzogin von Weißenfels-Dahme, als einer Reichsfürstin, nichts befehlen könne. So leicht ließ sich jedoch die Gräfin von Callenberg nicht abfinden. Sie wollte um keinen Preis ihre Tochter in den Händen der Herzogin lassen, sollte sie auch für immer auf den Besitz ihrer Tochter verzichten. Wohl bekannt mit der Gesinnung des kaiserlichen Hoses, wußte sie sehr gut, wie sie durch diesen gegen die Herzogin vorgehen müsse. Hatte sie schon vor dem Oberamt in Breslau angegeben, ihre Tochter habe sich mit einem katholischen Grafen verheirathen sollen und sei deshalb ge¬ raubt worden, so ging sie jetzt noch einen Schritt weiter. In einem Schreiben an die Kaiserin trat sie dieser ihr Mutterrecht ab und bat sie, ihre Tochter künftig zur Hofdame anzunehmen und nachmals nach Gutdünken an einen katho¬ lischen Grafen zu verheirathen. Die Kaiserin nahm das Anerbieten an, und unverzüglich wurden die nöthigen Befehle zur Herbeischaffung der jungeu Gräfin von Promnitz gegeben. Unterm 29. August 1724 erging aus der, geheimen Hofcanzlei an den Grafen von Schafgotsch eine Verfügung, in der es heißt: „sintemalen das taowro. an sich selbst gar stark in das Publikum gedrungen und wider unsere allerhöchste Landesfürstliche Gerechtsamkeit mit offenbahrer, übelqualificirter Vio- liruug des lerritor^ laufet, daran aber die in vorgemeldeten Unserem Erb- hertzogthumb Schlesien über die Promnitzische Pnpillin bestellte Vormünder, ob- besagter Erdmann Graf von Promnitz und Gottfried Graf von Rhedern allem Ansehen nach gukte Mitwissenschaft und große Schuld gehabt, da Ihnen im Gegentheil, als unseren Landes-Jnsassen ans Unsere lorritorial-^urA und die im Land publicirten Patenten Obacht zu tragen obgelegen, dannenhero wir

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/216>, abgerufen am 23.07.2024.