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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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gräflich promnitzische Tochter überall, wo sie angetroffen werden mochte, wie
auch diejenigen, fo mit ihr entwichen, alsogleich anzuhalten und in gewahrsamb"
zu nehmen. Derselbe Befehl erging an die "?raHla>ttisQ, Herren, Sie, Euch
und Jedermänniglich".

Wie schwerfällig trotz des energischen Angriffs die Verfolgung gehandhabt
wurde, erhellt aus dem Bericht des Bürgermeisters und Raths der Stadt Bunz-
lau. Diese berichten 14 Tage nach der Flucht (!) am 18. August 1724 an das
Königliche Oberamt, daß sie die nöthigen Dispositionen zur Festnahme gedachter
Personen gleich nach dem Eintreffen der Oberamts - Verordnung am 5. August
getroffen hätten- Dabei theilen sie mit, daß Leute, die vor ein paar Tagen auf
dem Jahrmärkte getroffen worden wären, erzählt hätten, daß die L^torss ihren
Oourg von Steinau gegen Wohlan genommen und bei Leubuß vorbeigegangen,
hernach aber sich gegen Heynau zugewendet und durch die Heyden bis an die
Lausnitzische Grenze gegangen seien, zu Halbau aber sich kurze Zeit aufgehalten,
daselbst gespeiset und endlich die oftgedachte Gräfliche Freyle Ihrer in der
Niederlausitz wohnenden väterlichen Frau Großmutter zugeführt haben sollen.

Während man so von Seiten der Behörden die Zeit hatte verstreichen
lassen, war sie von den Bedienten der Gräfin besser benutzt worden. Le Fevre,
der natürlich am 3. August ebenfalls das Weite gesucht hatte, war unbegreif¬
licherweise sorglos genug, sich nicht zu sehr zu beeilen- Mag ihn das Gelingen
seines Auftrages übermüthig gemacht haben, kurz, er hatte sich in Neumarkt,
bis wohin er unbeanstandet gekommen war, länger als nöthig ausgehalten.
Gerade als er zum Frühstück sich niedersetzen wollte, drang der katholische
Kammerdiener der Gräfin Callenberg mit aufgezogenen Pistolen in die Stube
und rief ihm zu: "Du lutherischer Hund, warum hast du die einzige Tochter
meiner Frau Gräfin gestohlen? Ich habe von meiner Frau Gräfin Befehl,
dich entweder todt oder lebendig zu liefern. Gleich fort mit mir, oder ich er¬
schieße dich. Du hast die Kaiserliche Landeshoheit verletzt und bist des Todes
schuldig." Hierauf riß er ihn zu Boden und schlug im Verein mit seinen Ge¬
fährten unbarmherzig auf ihn los, ermunterte auch die herzugelaufene Menge,
den lutherischen Hund zu schlagen, der eine katholische Gräfin entführt habe.
Die Betheuerung seiner Unschuld half le Fevre auch vor dem inzwischen er¬
schienenen Magistrat nichts, da die von der Gräfin dem Bedienten mitgegebenen
Steckbriefe genau auf ihn paßten. Durch flehentliches Bitten erreichte er nnr
soviel, daß er nicht der Gräfin von Callenberg ausgeliefert, sondern vom Magi¬
strat zu Neumarkt in Gewahrsam genommen wurde. Erst jetzt erfuhren die
Herzogin von Weißenfels und Graf Erdmann von Promnitz auf Sorau von
le Fevre und seinem Mißgeschick. Doch war es ihnen trotz aller Bitten und
Vorstellungen unmöglich, etwas für ihn zu thun.


gräflich promnitzische Tochter überall, wo sie angetroffen werden mochte, wie
auch diejenigen, fo mit ihr entwichen, alsogleich anzuhalten und in gewahrsamb"
zu nehmen. Derselbe Befehl erging an die „?raHla>ttisQ, Herren, Sie, Euch
und Jedermänniglich".

Wie schwerfällig trotz des energischen Angriffs die Verfolgung gehandhabt
wurde, erhellt aus dem Bericht des Bürgermeisters und Raths der Stadt Bunz-
lau. Diese berichten 14 Tage nach der Flucht (!) am 18. August 1724 an das
Königliche Oberamt, daß sie die nöthigen Dispositionen zur Festnahme gedachter
Personen gleich nach dem Eintreffen der Oberamts - Verordnung am 5. August
getroffen hätten- Dabei theilen sie mit, daß Leute, die vor ein paar Tagen auf
dem Jahrmärkte getroffen worden wären, erzählt hätten, daß die L^torss ihren
Oourg von Steinau gegen Wohlan genommen und bei Leubuß vorbeigegangen,
hernach aber sich gegen Heynau zugewendet und durch die Heyden bis an die
Lausnitzische Grenze gegangen seien, zu Halbau aber sich kurze Zeit aufgehalten,
daselbst gespeiset und endlich die oftgedachte Gräfliche Freyle Ihrer in der
Niederlausitz wohnenden väterlichen Frau Großmutter zugeführt haben sollen.

Während man so von Seiten der Behörden die Zeit hatte verstreichen
lassen, war sie von den Bedienten der Gräfin besser benutzt worden. Le Fevre,
der natürlich am 3. August ebenfalls das Weite gesucht hatte, war unbegreif¬
licherweise sorglos genug, sich nicht zu sehr zu beeilen- Mag ihn das Gelingen
seines Auftrages übermüthig gemacht haben, kurz, er hatte sich in Neumarkt,
bis wohin er unbeanstandet gekommen war, länger als nöthig ausgehalten.
Gerade als er zum Frühstück sich niedersetzen wollte, drang der katholische
Kammerdiener der Gräfin Callenberg mit aufgezogenen Pistolen in die Stube
und rief ihm zu: „Du lutherischer Hund, warum hast du die einzige Tochter
meiner Frau Gräfin gestohlen? Ich habe von meiner Frau Gräfin Befehl,
dich entweder todt oder lebendig zu liefern. Gleich fort mit mir, oder ich er¬
schieße dich. Du hast die Kaiserliche Landeshoheit verletzt und bist des Todes
schuldig." Hierauf riß er ihn zu Boden und schlug im Verein mit seinen Ge¬
fährten unbarmherzig auf ihn los, ermunterte auch die herzugelaufene Menge,
den lutherischen Hund zu schlagen, der eine katholische Gräfin entführt habe.
Die Betheuerung seiner Unschuld half le Fevre auch vor dem inzwischen er¬
schienenen Magistrat nichts, da die von der Gräfin dem Bedienten mitgegebenen
Steckbriefe genau auf ihn paßten. Durch flehentliches Bitten erreichte er nnr
soviel, daß er nicht der Gräfin von Callenberg ausgeliefert, sondern vom Magi¬
strat zu Neumarkt in Gewahrsam genommen wurde. Erst jetzt erfuhren die
Herzogin von Weißenfels und Graf Erdmann von Promnitz auf Sorau von
le Fevre und seinem Mißgeschick. Doch war es ihnen trotz aller Bitten und
Vorstellungen unmöglich, etwas für ihn zu thun.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/215>, abgerufen am 23.07.2024.