Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

die Erziehung eines wichtigen Theiles unseres Volkes anvertraut ist, wenn auch
unbewußt, darauf hin, uns zu Römern und Griechen -- in ihrem Sinne! --
umzuschaffen, dieselben, die es als die heiligste Pflicht betrachten sollten/die
endlich in ihre Rechte wieder eingesetzte deutsche Art, die doch so sehr noch der
Kräftigung von innen heraus bedarf, zu stärken und echtes Deutschthum in
rechter Weise zu fördern. Denn wahrlich schlecht ist unserer Zukunft mit der
Pflege jenes unwahren Deutschthums gedient, mit dem der patriotische Heißsporn
jüngster Tage so ungeberdig prahlen durfte. Wie früher die blinde Vorliebe
für alle fremdländische Bildung, mochte sie klassisch-antik heißen oder im ver¬
führerischen Gewände modernen Frauzosenthums an uns herantreten, naturgemäß
zur Selbsterniedrigung führen mußte, so könnte der Taumel selbstberäuchernder
Ueberhebung uns in eine Ueberschätzung des nationalen stürzen, die nicht minder
unheilvoll werden könnte als jener ausländische Götzendienst, der wenigstens
zum Theil überwunden ist.

Aus politischer Erniedrigung haben wir uns aufgerafft, aber unsere
Bildung trägt noch die schmachvollen Zeichen langer geistiger Knechtschaft an
sich. Was uns zur geistigen Freiheit verhelfen kann, was unsere Würde als
Nation, unsere Ehre gebieterisch fordert, das ist eine Reinigung unseres Bil¬
dungslebens in Empfinden und Denken von den nachtheiligen fremden Bestand¬
theilen, die unserem Volke noch den Stempel der Unmündigkeit aufdrücken. Es
ist das einfache Gebot der Selbstachtung, ja der Selbsterhaltung, daß wir end¬
lich Ernst machen und die nicht bloß verunstaltende, sondern auch gesundheits-
zerstöreude Bettlertracht, mit der wir uns seit Jahrhunderten zum Spott für
unsere Nachbarn aufputzen, von uns werfen. Im Bereiche der Wissenschaft ist
gewonnen, was Männer wie Jacob Grimm in heißer Liebe zum Vaterlande
ersehnten und hofften, daß dereinst neben den viel verehrten Sprachen der Grie¬
chen und Römer die Muttersprache und mit ihr deutsche Art gleich geachtet da¬
stehe. Das Franzosenthum, das unser deutsches Wesen lange genug vergiftet
hatte, war in der Theorie seit dem nationalen Aufschwünge von 1870 ans dem
deutschen Lande verjagt, bis es plötzlich wieder in der ekelhaften Form des
"Zolaismus" über die Grenzen geschmuggelt wird, um Tausenden das entehrende
Joch geistigen und sittlichen Sclaventhnms aufzubürden.

Während sich im äußeren, im politischen Leben eine Art Neugeburt des
Deutschthums, wenn auch zaghaft genug, zu vollziehen begonnen hat, tritt die¬
selbe im Wichtigsten, im Gemüths- und Bildungsleben, nur verschämt auf. Und
doch ist gerade hier, wenn irgendwo, eine Wiedereinsetzung des Deutschthums
dringend von Nöthen. Wie das geschehen kann, auf diese Frage hat die Ge¬
schichte unserer Vergangenheit die richtige Antwort längst gegeben. Das äußer¬
lich "neugeborene Deutschland muß innerlich sich selbst wiederfinden durch er-


die Erziehung eines wichtigen Theiles unseres Volkes anvertraut ist, wenn auch
unbewußt, darauf hin, uns zu Römern und Griechen — in ihrem Sinne! —
umzuschaffen, dieselben, die es als die heiligste Pflicht betrachten sollten/die
endlich in ihre Rechte wieder eingesetzte deutsche Art, die doch so sehr noch der
Kräftigung von innen heraus bedarf, zu stärken und echtes Deutschthum in
rechter Weise zu fördern. Denn wahrlich schlecht ist unserer Zukunft mit der
Pflege jenes unwahren Deutschthums gedient, mit dem der patriotische Heißsporn
jüngster Tage so ungeberdig prahlen durfte. Wie früher die blinde Vorliebe
für alle fremdländische Bildung, mochte sie klassisch-antik heißen oder im ver¬
führerischen Gewände modernen Frauzosenthums an uns herantreten, naturgemäß
zur Selbsterniedrigung führen mußte, so könnte der Taumel selbstberäuchernder
Ueberhebung uns in eine Ueberschätzung des nationalen stürzen, die nicht minder
unheilvoll werden könnte als jener ausländische Götzendienst, der wenigstens
zum Theil überwunden ist.

Aus politischer Erniedrigung haben wir uns aufgerafft, aber unsere
Bildung trägt noch die schmachvollen Zeichen langer geistiger Knechtschaft an
sich. Was uns zur geistigen Freiheit verhelfen kann, was unsere Würde als
Nation, unsere Ehre gebieterisch fordert, das ist eine Reinigung unseres Bil¬
dungslebens in Empfinden und Denken von den nachtheiligen fremden Bestand¬
theilen, die unserem Volke noch den Stempel der Unmündigkeit aufdrücken. Es
ist das einfache Gebot der Selbstachtung, ja der Selbsterhaltung, daß wir end¬
lich Ernst machen und die nicht bloß verunstaltende, sondern auch gesundheits-
zerstöreude Bettlertracht, mit der wir uns seit Jahrhunderten zum Spott für
unsere Nachbarn aufputzen, von uns werfen. Im Bereiche der Wissenschaft ist
gewonnen, was Männer wie Jacob Grimm in heißer Liebe zum Vaterlande
ersehnten und hofften, daß dereinst neben den viel verehrten Sprachen der Grie¬
chen und Römer die Muttersprache und mit ihr deutsche Art gleich geachtet da¬
stehe. Das Franzosenthum, das unser deutsches Wesen lange genug vergiftet
hatte, war in der Theorie seit dem nationalen Aufschwünge von 1870 ans dem
deutschen Lande verjagt, bis es plötzlich wieder in der ekelhaften Form des
„Zolaismus" über die Grenzen geschmuggelt wird, um Tausenden das entehrende
Joch geistigen und sittlichen Sclaventhnms aufzubürden.

Während sich im äußeren, im politischen Leben eine Art Neugeburt des
Deutschthums, wenn auch zaghaft genug, zu vollziehen begonnen hat, tritt die¬
selbe im Wichtigsten, im Gemüths- und Bildungsleben, nur verschämt auf. Und
doch ist gerade hier, wenn irgendwo, eine Wiedereinsetzung des Deutschthums
dringend von Nöthen. Wie das geschehen kann, auf diese Frage hat die Ge¬
schichte unserer Vergangenheit die richtige Antwort längst gegeben. Das äußer¬
lich „neugeborene Deutschland muß innerlich sich selbst wiederfinden durch er-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0177" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147271"/>
          <p xml:id="ID_464" prev="#ID_463"> die Erziehung eines wichtigen Theiles unseres Volkes anvertraut ist, wenn auch<lb/>
unbewußt, darauf hin, uns zu Römern und Griechen &#x2014; in ihrem Sinne! &#x2014;<lb/>
umzuschaffen, dieselben, die es als die heiligste Pflicht betrachten sollten/die<lb/>
endlich in ihre Rechte wieder eingesetzte deutsche Art, die doch so sehr noch der<lb/>
Kräftigung von innen heraus bedarf, zu stärken und echtes Deutschthum in<lb/>
rechter Weise zu fördern. Denn wahrlich schlecht ist unserer Zukunft mit der<lb/>
Pflege jenes unwahren Deutschthums gedient, mit dem der patriotische Heißsporn<lb/>
jüngster Tage so ungeberdig prahlen durfte. Wie früher die blinde Vorliebe<lb/>
für alle fremdländische Bildung, mochte sie klassisch-antik heißen oder im ver¬<lb/>
führerischen Gewände modernen Frauzosenthums an uns herantreten, naturgemäß<lb/>
zur Selbsterniedrigung führen mußte, so könnte der Taumel selbstberäuchernder<lb/>
Ueberhebung uns in eine Ueberschätzung des nationalen stürzen, die nicht minder<lb/>
unheilvoll werden könnte als jener ausländische Götzendienst, der wenigstens<lb/>
zum Theil überwunden ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_465"> Aus politischer Erniedrigung haben wir uns aufgerafft, aber unsere<lb/>
Bildung trägt noch die schmachvollen Zeichen langer geistiger Knechtschaft an<lb/>
sich. Was uns zur geistigen Freiheit verhelfen kann, was unsere Würde als<lb/>
Nation, unsere Ehre gebieterisch fordert, das ist eine Reinigung unseres Bil¬<lb/>
dungslebens in Empfinden und Denken von den nachtheiligen fremden Bestand¬<lb/>
theilen, die unserem Volke noch den Stempel der Unmündigkeit aufdrücken. Es<lb/>
ist das einfache Gebot der Selbstachtung, ja der Selbsterhaltung, daß wir end¬<lb/>
lich Ernst machen und die nicht bloß verunstaltende, sondern auch gesundheits-<lb/>
zerstöreude Bettlertracht, mit der wir uns seit Jahrhunderten zum Spott für<lb/>
unsere Nachbarn aufputzen, von uns werfen. Im Bereiche der Wissenschaft ist<lb/>
gewonnen, was Männer wie Jacob Grimm in heißer Liebe zum Vaterlande<lb/>
ersehnten und hofften, daß dereinst neben den viel verehrten Sprachen der Grie¬<lb/>
chen und Römer die Muttersprache und mit ihr deutsche Art gleich geachtet da¬<lb/>
stehe. Das Franzosenthum, das unser deutsches Wesen lange genug vergiftet<lb/>
hatte, war in der Theorie seit dem nationalen Aufschwünge von 1870 ans dem<lb/>
deutschen Lande verjagt, bis es plötzlich wieder in der ekelhaften Form des<lb/>
&#x201E;Zolaismus" über die Grenzen geschmuggelt wird, um Tausenden das entehrende<lb/>
Joch geistigen und sittlichen Sclaventhnms aufzubürden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_466" next="#ID_467"> Während sich im äußeren, im politischen Leben eine Art Neugeburt des<lb/>
Deutschthums, wenn auch zaghaft genug, zu vollziehen begonnen hat, tritt die¬<lb/>
selbe im Wichtigsten, im Gemüths- und Bildungsleben, nur verschämt auf. Und<lb/>
doch ist gerade hier, wenn irgendwo, eine Wiedereinsetzung des Deutschthums<lb/>
dringend von Nöthen. Wie das geschehen kann, auf diese Frage hat die Ge¬<lb/>
schichte unserer Vergangenheit die richtige Antwort längst gegeben. Das äußer¬<lb/>
lich &#x201E;neugeborene Deutschland muß innerlich sich selbst wiederfinden durch er-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0177] die Erziehung eines wichtigen Theiles unseres Volkes anvertraut ist, wenn auch unbewußt, darauf hin, uns zu Römern und Griechen — in ihrem Sinne! — umzuschaffen, dieselben, die es als die heiligste Pflicht betrachten sollten/die endlich in ihre Rechte wieder eingesetzte deutsche Art, die doch so sehr noch der Kräftigung von innen heraus bedarf, zu stärken und echtes Deutschthum in rechter Weise zu fördern. Denn wahrlich schlecht ist unserer Zukunft mit der Pflege jenes unwahren Deutschthums gedient, mit dem der patriotische Heißsporn jüngster Tage so ungeberdig prahlen durfte. Wie früher die blinde Vorliebe für alle fremdländische Bildung, mochte sie klassisch-antik heißen oder im ver¬ führerischen Gewände modernen Frauzosenthums an uns herantreten, naturgemäß zur Selbsterniedrigung führen mußte, so könnte der Taumel selbstberäuchernder Ueberhebung uns in eine Ueberschätzung des nationalen stürzen, die nicht minder unheilvoll werden könnte als jener ausländische Götzendienst, der wenigstens zum Theil überwunden ist. Aus politischer Erniedrigung haben wir uns aufgerafft, aber unsere Bildung trägt noch die schmachvollen Zeichen langer geistiger Knechtschaft an sich. Was uns zur geistigen Freiheit verhelfen kann, was unsere Würde als Nation, unsere Ehre gebieterisch fordert, das ist eine Reinigung unseres Bil¬ dungslebens in Empfinden und Denken von den nachtheiligen fremden Bestand¬ theilen, die unserem Volke noch den Stempel der Unmündigkeit aufdrücken. Es ist das einfache Gebot der Selbstachtung, ja der Selbsterhaltung, daß wir end¬ lich Ernst machen und die nicht bloß verunstaltende, sondern auch gesundheits- zerstöreude Bettlertracht, mit der wir uns seit Jahrhunderten zum Spott für unsere Nachbarn aufputzen, von uns werfen. Im Bereiche der Wissenschaft ist gewonnen, was Männer wie Jacob Grimm in heißer Liebe zum Vaterlande ersehnten und hofften, daß dereinst neben den viel verehrten Sprachen der Grie¬ chen und Römer die Muttersprache und mit ihr deutsche Art gleich geachtet da¬ stehe. Das Franzosenthum, das unser deutsches Wesen lange genug vergiftet hatte, war in der Theorie seit dem nationalen Aufschwünge von 1870 ans dem deutschen Lande verjagt, bis es plötzlich wieder in der ekelhaften Form des „Zolaismus" über die Grenzen geschmuggelt wird, um Tausenden das entehrende Joch geistigen und sittlichen Sclaventhnms aufzubürden. Während sich im äußeren, im politischen Leben eine Art Neugeburt des Deutschthums, wenn auch zaghaft genug, zu vollziehen begonnen hat, tritt die¬ selbe im Wichtigsten, im Gemüths- und Bildungsleben, nur verschämt auf. Und doch ist gerade hier, wenn irgendwo, eine Wiedereinsetzung des Deutschthums dringend von Nöthen. Wie das geschehen kann, auf diese Frage hat die Ge¬ schichte unserer Vergangenheit die richtige Antwort längst gegeben. Das äußer¬ lich „neugeborene Deutschland muß innerlich sich selbst wiederfinden durch er-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/177
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/177>, abgerufen am 23.07.2024.