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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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keinen großen Schwierigkeiten begegnen, ausgenommen in Folge der Lage von
Hongkong, welche das Entkommen von Blockadebrechern vor den Kreuzern Ru߬
land sehr erleichtern würde."

"Betrachten wir aber die allgemeine Frage, so scheint es eine Härte, wenn
deshalb, weil Rußland und China sich über eine Provinz im fernen Mittelasien
veruneinigt haben, die Frauen Englands ihres Thees beraubt sein sollen, wenn
ferner aus demselben Grunde das Volk in Ostindien sich einer Extrasteuer von
neun Millionen Pfund Sterling unterwerfen und die britischen Kaufleute eine
Einbuße von fünfzig Millionen per Jahr erleiden sollen. Kein Recht Krieg¬
führender ist in den letzten Jahren mit solchen Beschränkungen umgeben worden
als das, welches eine große Seemacht in den Stand setzt, durch Blockiruug der
feindlichen Häfen den Handel der Neutralen zu stören. Wir stehen sowohl im
Geiste als dem Datum nach Napoleons Mailänder Decrete von 1307 fern,
welches erklärte, daß ,die britischen Inseln sich zu Lande und zur See in
Blockadezustand befänden/ und daß jedes Schiff, welches diese Blockade bräche,
,eine gesetzliche Prise sein sollte, gleichviel, in was seine Ladung bestündet Unsere
Vergeltungsmaßregel war eine Proklamation, welche nicht bloß über Frankreich,
sondern auch ,über dessen Tributärstaatew den Blockadeznstand verhängte. Diese
Erklärung läßt sich damit vertheidigen, daß sie das Vergeltungsrecht übte, und
daß hinter ihr eine starke Seemacht stand, wogegen die ursprüngliche Provo-
cation nicht nur ein Unrecht gegen die Neutralen war, sondern nicht durch eiuen
einzigen Kreuzer unterstützt wurde, der zur Handhabung der Blockade zu ver¬
wenden gewesen wäre. Es ist jedoch ein Mißverständniß, wenn man meint,
daß die liberalen Ideen über die Rechte Neutraler angesichts einer Blockade
gänzlich von modernen Staatsmännern herrühren. Der von den Westmächten
1854 verkündete und 1856 im Anhange zum Pariser Vertrage verkörperte Grund¬
satz wurde im wesentlichen schon ein halbes Jahrhundert vorher von Lord Sto-
well aufgestellt. Dieser berühmte Richter sagte in einem vielbesprochenen Pro¬
cesse: ,Es ist ein unzweifelhaftes Recht Kriegführender, eine Blockade zu ver¬
hängen, obwohl es ein hartes Recht ist und nicht dnrch Deutelei ausgedehnt
werden darf. Es kann auf Neutrale als ein Uebel wirken, aber es ist ein
solches Uebel, dem sie sich nach dem Völkerrechte unterwerfen müssen. Da es
indeß ein hartes Recht ist, so darf es nicht durch bloße Deutelei noch härter
gemacht werden. Wenn die an dem betreffenden Orte zur Aufrechthaltung der
Blockade stationirten Schiffe ihre Macht für diesen Zweck nicht benutzen wollen,
so darf kein Gerichtshof sagen, daß wirklich eine Blockade existire, welche das
Schiff binde/ Diese Entscheidung machte praktisch den ,Papierblockadew ein
Ende, welche England und Frankreich verhängt hatten. 1854 vereinigten sich
die beiden Nationen zur Verwirklichung dieser von der Richterbank ausgegan-


keinen großen Schwierigkeiten begegnen, ausgenommen in Folge der Lage von
Hongkong, welche das Entkommen von Blockadebrechern vor den Kreuzern Ru߬
land sehr erleichtern würde."

„Betrachten wir aber die allgemeine Frage, so scheint es eine Härte, wenn
deshalb, weil Rußland und China sich über eine Provinz im fernen Mittelasien
veruneinigt haben, die Frauen Englands ihres Thees beraubt sein sollen, wenn
ferner aus demselben Grunde das Volk in Ostindien sich einer Extrasteuer von
neun Millionen Pfund Sterling unterwerfen und die britischen Kaufleute eine
Einbuße von fünfzig Millionen per Jahr erleiden sollen. Kein Recht Krieg¬
führender ist in den letzten Jahren mit solchen Beschränkungen umgeben worden
als das, welches eine große Seemacht in den Stand setzt, durch Blockiruug der
feindlichen Häfen den Handel der Neutralen zu stören. Wir stehen sowohl im
Geiste als dem Datum nach Napoleons Mailänder Decrete von 1307 fern,
welches erklärte, daß ,die britischen Inseln sich zu Lande und zur See in
Blockadezustand befänden/ und daß jedes Schiff, welches diese Blockade bräche,
,eine gesetzliche Prise sein sollte, gleichviel, in was seine Ladung bestündet Unsere
Vergeltungsmaßregel war eine Proklamation, welche nicht bloß über Frankreich,
sondern auch ,über dessen Tributärstaatew den Blockadeznstand verhängte. Diese
Erklärung läßt sich damit vertheidigen, daß sie das Vergeltungsrecht übte, und
daß hinter ihr eine starke Seemacht stand, wogegen die ursprüngliche Provo-
cation nicht nur ein Unrecht gegen die Neutralen war, sondern nicht durch eiuen
einzigen Kreuzer unterstützt wurde, der zur Handhabung der Blockade zu ver¬
wenden gewesen wäre. Es ist jedoch ein Mißverständniß, wenn man meint,
daß die liberalen Ideen über die Rechte Neutraler angesichts einer Blockade
gänzlich von modernen Staatsmännern herrühren. Der von den Westmächten
1854 verkündete und 1856 im Anhange zum Pariser Vertrage verkörperte Grund¬
satz wurde im wesentlichen schon ein halbes Jahrhundert vorher von Lord Sto-
well aufgestellt. Dieser berühmte Richter sagte in einem vielbesprochenen Pro¬
cesse: ,Es ist ein unzweifelhaftes Recht Kriegführender, eine Blockade zu ver¬
hängen, obwohl es ein hartes Recht ist und nicht dnrch Deutelei ausgedehnt
werden darf. Es kann auf Neutrale als ein Uebel wirken, aber es ist ein
solches Uebel, dem sie sich nach dem Völkerrechte unterwerfen müssen. Da es
indeß ein hartes Recht ist, so darf es nicht durch bloße Deutelei noch härter
gemacht werden. Wenn die an dem betreffenden Orte zur Aufrechthaltung der
Blockade stationirten Schiffe ihre Macht für diesen Zweck nicht benutzen wollen,
so darf kein Gerichtshof sagen, daß wirklich eine Blockade existire, welche das
Schiff binde/ Diese Entscheidung machte praktisch den ,Papierblockadew ein
Ende, welche England und Frankreich verhängt hatten. 1854 vereinigten sich
die beiden Nationen zur Verwirklichung dieser von der Richterbank ausgegan-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/147>, abgerufen am 23.07.2024.