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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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der chinesischen Hafenplätze auf die Regierung in Peking vielleicht mehr wirken
wird als alle militärischen Operationen zu Lande, so schickt Rußland nicht nur
jene Schiffe aus, soudern bemüht sich auch, Japan zur Betheiligung am Kriege
zu gewinnen, welches sich stark versucht fühlen könnte, die Gelegenheit zur Schä¬
digung und Demüthigung seines chinesischen Nachbars zu ergreisen, und welches
ein recht schätzenswerther Bundesgenosse sür Nußland sein würde, da es außer
eiuer stattlichen Dampferflotte und wohleingerichteten Docks auch ergiebige
Kohlengruben besitzt, die für die Russen um so werthvoller sein würden, als
die Kohlen-Gesellschaft auf der Insel Sachalin das Fort Wladiwostok dem
Vernehmen nach mit ihren Lieferungen von Feuerungsmaterial im Stich ge¬
lassen hat.

Ein Theil der chinesischen Landarmee ist von europäischen und amerikani¬
schen Offizieren geübt und mit Präcisionsgewehren bewaffnet. Besondere Sorg¬
falt aber hat man der Artillerie zugewendet, man besitzt mehrere Batterien
Kruppscher Kanonen, und die Nummer des Nortd. VKin" Hör-M, welche die
obenerwähnte Denkschrift veröffentlicht, enthält einen Bericht über einen von
eingebornen Geschützgießern im Arsenal zu Kiangwan hergestellten Vierzigpfüuder
und einen Siebzehnpfünder, die nach dem echten Woolwicher System aus einem
Stahlkern mit Eisenringen an der Außenseite bestehen. Das erstere Geschütz
wurde ucunhuudertmal abgefeuert, wobei die Ladung bis zu zehn Pfund Pulver
betrug. Das Langgeschoß, welches die Kanone schleuderte, wog 1l6 Pfund. Die
letztere erlitt bei dieser Probe nicht den geringsten Schaden, und die Verfertiger
des Geschützes haben Achtzig- und Hundertundzwanzigpfnnder geliefert, die ebenso
dauerhaft find.

Trotz alledem wird China sich zur See gegen Rußland kaum mit Erfolg
vertheidigen können, wenn ihm nicht, wie den amerikanischen Secessionisten vor
achtzehn Jahren, im Stillen gestattet wird, in England Krenzerschiffe zu kaufen
und zu beinaunen und Blockadebrecher von da auslaufen zu lassen, und wenn
es sich dieses Ausknnftsmittels nicht bald und mit Geschick bedient. An wage¬
halsigein englischem und anderem Schiffsvolk und tüchtigen Kapitänen würde es
ihm in letzterem Falle nicht fehlen, wenn es, wozu ihm die Mittel gewiß nicht
mangeln, gute Heuer und Gage zahlte.

Weit günstiger sind Chinas Aussichten zu Lande. Zwar ist es gegen eine
europäische Macht, die über eine hinreichende Anzahl von Transportschiffen zur
Landung von Truppen an seiner Küste verfügt, in Folge seines Flnßsystems,
das solche Truppen zu Wasser bis nach Kanton zu befördern gestattet, ziemlich
schwach. Aber im Norden, in Centralasien. könnte es den Kampf Jahre hin¬
durch leicht fortsetzen und bei guter Leitung seiner Streitkräfte sogar Siege er¬
fechten. Ohne Zweifel steht den Russen eine viel besser organisirte Armee zu


der chinesischen Hafenplätze auf die Regierung in Peking vielleicht mehr wirken
wird als alle militärischen Operationen zu Lande, so schickt Rußland nicht nur
jene Schiffe aus, soudern bemüht sich auch, Japan zur Betheiligung am Kriege
zu gewinnen, welches sich stark versucht fühlen könnte, die Gelegenheit zur Schä¬
digung und Demüthigung seines chinesischen Nachbars zu ergreisen, und welches
ein recht schätzenswerther Bundesgenosse sür Nußland sein würde, da es außer
eiuer stattlichen Dampferflotte und wohleingerichteten Docks auch ergiebige
Kohlengruben besitzt, die für die Russen um so werthvoller sein würden, als
die Kohlen-Gesellschaft auf der Insel Sachalin das Fort Wladiwostok dem
Vernehmen nach mit ihren Lieferungen von Feuerungsmaterial im Stich ge¬
lassen hat.

Ein Theil der chinesischen Landarmee ist von europäischen und amerikani¬
schen Offizieren geübt und mit Präcisionsgewehren bewaffnet. Besondere Sorg¬
falt aber hat man der Artillerie zugewendet, man besitzt mehrere Batterien
Kruppscher Kanonen, und die Nummer des Nortd. VKin» Hör-M, welche die
obenerwähnte Denkschrift veröffentlicht, enthält einen Bericht über einen von
eingebornen Geschützgießern im Arsenal zu Kiangwan hergestellten Vierzigpfüuder
und einen Siebzehnpfünder, die nach dem echten Woolwicher System aus einem
Stahlkern mit Eisenringen an der Außenseite bestehen. Das erstere Geschütz
wurde ucunhuudertmal abgefeuert, wobei die Ladung bis zu zehn Pfund Pulver
betrug. Das Langgeschoß, welches die Kanone schleuderte, wog 1l6 Pfund. Die
letztere erlitt bei dieser Probe nicht den geringsten Schaden, und die Verfertiger
des Geschützes haben Achtzig- und Hundertundzwanzigpfnnder geliefert, die ebenso
dauerhaft find.

Trotz alledem wird China sich zur See gegen Rußland kaum mit Erfolg
vertheidigen können, wenn ihm nicht, wie den amerikanischen Secessionisten vor
achtzehn Jahren, im Stillen gestattet wird, in England Krenzerschiffe zu kaufen
und zu beinaunen und Blockadebrecher von da auslaufen zu lassen, und wenn
es sich dieses Ausknnftsmittels nicht bald und mit Geschick bedient. An wage¬
halsigein englischem und anderem Schiffsvolk und tüchtigen Kapitänen würde es
ihm in letzterem Falle nicht fehlen, wenn es, wozu ihm die Mittel gewiß nicht
mangeln, gute Heuer und Gage zahlte.

Weit günstiger sind Chinas Aussichten zu Lande. Zwar ist es gegen eine
europäische Macht, die über eine hinreichende Anzahl von Transportschiffen zur
Landung von Truppen an seiner Küste verfügt, in Folge seines Flnßsystems,
das solche Truppen zu Wasser bis nach Kanton zu befördern gestattet, ziemlich
schwach. Aber im Norden, in Centralasien. könnte es den Kampf Jahre hin¬
durch leicht fortsetzen und bei guter Leitung seiner Streitkräfte sogar Siege er¬
fechten. Ohne Zweifel steht den Russen eine viel besser organisirte Armee zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/143>, abgerufen am 25.08.2024.