Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.welche die heiligen Männer ausschließlich in Situationen vorführten, die nicht Grenzboten III. 1880. 16
welche die heiligen Männer ausschließlich in Situationen vorführten, die nicht Grenzboten III. 1880. 16
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0129" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147216"/> <p xml:id="ID_343" prev="#ID_342" next="#ID_344"> welche die heiligen Männer ausschließlich in Situationen vorführten, die nicht<lb/> unbedingt zu einem gottseliger und beschaulichen Leben gehören. Am liebsten<lb/> zeigt er uus diese trefflichen Kenner eines guten Tropfens beim Kruge Bier<lb/> oder beim Glase Wein. Der Pater Kellermeister probirt als oberster Sachver¬<lb/> ständiger das erste vom Faß, und die anderen harren seines Urtheils, oder die<lb/> ganze Gesellschaft ist beim Weinzapfer oder gar mit dem Brauen selber be¬<lb/> schäftigt, oder wir finden sie alle beisammen poculirend um eine Tafel geschaart.<lb/> Judem nun Grützner das Klosterleben als ein höchst gemüthliches und sorgen¬<lb/> loses Schlaraffenleben darstellte, anfangs gewiß nicht in tendenziöser'Absicht,<lb/> sondern nur dem Zuge seines Humors folgend, ward doch allmählich diesen<lb/> anfangs so harmlosen Schnurren eine Spitze angeschliffen, die zunächst gegen<lb/> die Faullenzerei und Schlemmerei in den Klöstern und dann gegen den Ultra-<lb/> montanismus überhaupt gerichtet wurde. Wenn Grützner auch etwas derartiges<lb/> im Anfange nicht beabsichtigt hat, so ist er doch auch nicht ganz ohne Schuld<lb/> daran. Der Humor liebt die Uebertreibung, um seiner Wirkungen desto sicherer<lb/> zu sein, und deshalb steckte Grützner in die Mönchskutten gern die absonder¬<lb/> lichsten und abenteuerlichsten Gestalten — ob er sie in den Klöstern fand oder<lb/> uicht, ist zur Beurtheilung seines Verfahrens gleichgiltig. So brachte er all¬<lb/> mählich eine Sammlung von rubinfarbenen Trunkenbolden und Schlemmern<lb/> zusammen, welche auf das Klosterwesen allerdings kein günstiges Licht warfen.<lb/> In Baiern, wo das Volk mit den Mönchen in beständigem geselligen Verkehre<lb/> steht, wo Laien und Geistliche mit einander trinken und spielen, ohne daß einer<lb/> etwas besonderes dabei findet, nahm man vor der Hand an den Grütznerschen<lb/> Bildern keinen Anstoß. Ein Bild wie die „Unfehlbare Niederlage" — ein pfif¬<lb/> figer Förster bereitet sie seinem Partner, einem feisten Abte, im Sechsuudsechzig-<lb/> Spiel — wurde nur auf seinen Gehalt an Humor geprüft, und, nachdem dieser<lb/> für vollwichtig befunden, war der Erfolg desselben gesichert. Als aber dieses<lb/> und ähnliche Bilder in ununterbrochener Folge — Grützner ist von großer<lb/> Productivitüt — durch die Städte Norddeutschlands wanderten, suchte man<lb/> mitten im Gewoge des Culturkampfes sehr bald Pointen aus ihnen heraus,<lb/> welche zu geharnischten Declamationen in Vers und Prosa den Anlaß gaben.<lb/> Grützner machte es nun den Leuten bequemer und ließ sie nicht lange nach<lb/> solchen Pointen suchen. Ja zwei Pendants, die er „Einst" und „Jetzt" nannte,<lb/> stellt er z. B. einen sinnigen Dominikaner des 15. Jahrhunderts, welcher die<lb/> Gewölbe eines Kreuzganges mit frommen Schildereien ziert, einen stumpfsinnigen<lb/> Kapuziner unserer Zeit gegenüber, welcher die kunstvollen Malereien der Ver¬<lb/> gangenheit mit einem groben Maurerpinsel übertüncht. So wurde aus dem<lb/> harmlosen Humoristen ein boshafter Satiriker und leider auch gelegentlich ein</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1880. 16</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0129]
welche die heiligen Männer ausschließlich in Situationen vorführten, die nicht
unbedingt zu einem gottseliger und beschaulichen Leben gehören. Am liebsten
zeigt er uus diese trefflichen Kenner eines guten Tropfens beim Kruge Bier
oder beim Glase Wein. Der Pater Kellermeister probirt als oberster Sachver¬
ständiger das erste vom Faß, und die anderen harren seines Urtheils, oder die
ganze Gesellschaft ist beim Weinzapfer oder gar mit dem Brauen selber be¬
schäftigt, oder wir finden sie alle beisammen poculirend um eine Tafel geschaart.
Judem nun Grützner das Klosterleben als ein höchst gemüthliches und sorgen¬
loses Schlaraffenleben darstellte, anfangs gewiß nicht in tendenziöser'Absicht,
sondern nur dem Zuge seines Humors folgend, ward doch allmählich diesen
anfangs so harmlosen Schnurren eine Spitze angeschliffen, die zunächst gegen
die Faullenzerei und Schlemmerei in den Klöstern und dann gegen den Ultra-
montanismus überhaupt gerichtet wurde. Wenn Grützner auch etwas derartiges
im Anfange nicht beabsichtigt hat, so ist er doch auch nicht ganz ohne Schuld
daran. Der Humor liebt die Uebertreibung, um seiner Wirkungen desto sicherer
zu sein, und deshalb steckte Grützner in die Mönchskutten gern die absonder¬
lichsten und abenteuerlichsten Gestalten — ob er sie in den Klöstern fand oder
uicht, ist zur Beurtheilung seines Verfahrens gleichgiltig. So brachte er all¬
mählich eine Sammlung von rubinfarbenen Trunkenbolden und Schlemmern
zusammen, welche auf das Klosterwesen allerdings kein günstiges Licht warfen.
In Baiern, wo das Volk mit den Mönchen in beständigem geselligen Verkehre
steht, wo Laien und Geistliche mit einander trinken und spielen, ohne daß einer
etwas besonderes dabei findet, nahm man vor der Hand an den Grütznerschen
Bildern keinen Anstoß. Ein Bild wie die „Unfehlbare Niederlage" — ein pfif¬
figer Förster bereitet sie seinem Partner, einem feisten Abte, im Sechsuudsechzig-
Spiel — wurde nur auf seinen Gehalt an Humor geprüft, und, nachdem dieser
für vollwichtig befunden, war der Erfolg desselben gesichert. Als aber dieses
und ähnliche Bilder in ununterbrochener Folge — Grützner ist von großer
Productivitüt — durch die Städte Norddeutschlands wanderten, suchte man
mitten im Gewoge des Culturkampfes sehr bald Pointen aus ihnen heraus,
welche zu geharnischten Declamationen in Vers und Prosa den Anlaß gaben.
Grützner machte es nun den Leuten bequemer und ließ sie nicht lange nach
solchen Pointen suchen. Ja zwei Pendants, die er „Einst" und „Jetzt" nannte,
stellt er z. B. einen sinnigen Dominikaner des 15. Jahrhunderts, welcher die
Gewölbe eines Kreuzganges mit frommen Schildereien ziert, einen stumpfsinnigen
Kapuziner unserer Zeit gegenüber, welcher die kunstvollen Malereien der Ver¬
gangenheit mit einem groben Maurerpinsel übertüncht. So wurde aus dem
harmlosen Humoristen ein boshafter Satiriker und leider auch gelegentlich ein
Grenzboten III. 1880. 16
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