Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

d'Hooghvorst, Rogier, dem Grafen Felix de Merode, Alexandre Gendebien,
Sylvain van de Weyer und Jolly bestand, und der als Schatzmeister Vander-
linden und als Secretäre de Coppin und I. Nicolay beigegeben waren.

Die neue Regierung entschloß sich sofort zu Acten der souveränes: sie
rief die in der holländischen Armee dienenden Belgier zurück, und sie lud de
Potter ein, sich in sein Vaterland zurückzubegeben und machte diesen bei den
Massen sehr beliebten Volksmann zum Mitgliede des Centralcomites, welches
in ihrem Namen die Executiv-Gewalt zu führen bestimmt war. Sie erließ endlich
am 4. October im Namen der siegreichen Nation folgendes Decret: "1) Die
Provinzen Belgiens, gewaltsam von Holland losgetrennt, bilden einen unab¬
hängigen Staat. 2) Das Centralcomite wird sich sobald als möglich mit dem
Plane zu einer Verfassung beschäftigen. 3) Ein Nationaleongreß, in welchem
alle Jnterressen der Provinzen vertreten sein werden, wird zusammenberufen
werden und den Verfassungsentwurf prüfen, ihn nach seinem Gutdünken abändern
und ihn als endgiltige, für ganz Belgien normgebende Verfassung verkünden."
Die Provisorische Regierung begnügte sich also damit, die Unabhängigkeit Bel¬
giens als unwiderrufliche Thatsache hinzustellen, und überließ dem Congresse
als der unmittelbaren Emanation der Volkssouveränetät, die Form zu bestimmen,
welche der neue Staat annehmen sollte.

Schon war Gendebien mit Zustimmung seiner College" nach Paris gegangen,
um dort Unterstützung für den Fall nachzusuchen, daß Preußen den Holländern
Hilfe gewähren würde. Er erfuhr dort bald, daß dies nicht der Fall sein werde.
Für den gegentheiligen Fall war er beauftragt, den Franzosen ein Schutz- und
Trutzbündniß ohne Wiedereinverleibung Belgiens in Frankreich vorzuschlagen.
Das Cabinet des Palais Royal beschränkte sich auf die Erklärung, daß es
keiner Macht gestatten werde, sich in die belgischen Angelegenheiten zu mischen,
und Mole, der französische Minister des Auswärtigen, theilte dem preußischen
Gesandten zu Paris mit, daß, wenn Preußische Truppen Belgien betraten, sofort
französische einrücken würden. Gendebien hatte von seinen College" Vollmacht
verlangt, um im Einvernehmen mit dem Könige der Franzosen Belgien als
Konföderation unter einem Präsidenten oder Generalgouvemeur zu constituiren,
welcher entweder Lafayette oder der Herzog von Nemours sein sollte. Das
Centralcomite' aber begnügte sich damit, die Mission des belgischen Gesandten
zu einer regelmäßigen zu machen. Es hatte sich damals das Gerücht verbreitet,
daß Intriguen im Gange seien, um den belgischen Thron unter Einwilligung
Ludwig Philipps mit dem Prinzen von Oranien zu besetzen, und daß Ludwig
Philipp dies nur von der Anerkennung der neuen französischen Dynastie durch
Rußland abhängig mache. Am 16. October ging Gendebien, der inzwischen
nach Brüssel zurückgekehrt war, im Auftrage des Centralcomites wieder nach


Grenzboten III. 1880. 13

d'Hooghvorst, Rogier, dem Grafen Felix de Merode, Alexandre Gendebien,
Sylvain van de Weyer und Jolly bestand, und der als Schatzmeister Vander-
linden und als Secretäre de Coppin und I. Nicolay beigegeben waren.

Die neue Regierung entschloß sich sofort zu Acten der souveränes: sie
rief die in der holländischen Armee dienenden Belgier zurück, und sie lud de
Potter ein, sich in sein Vaterland zurückzubegeben und machte diesen bei den
Massen sehr beliebten Volksmann zum Mitgliede des Centralcomites, welches
in ihrem Namen die Executiv-Gewalt zu führen bestimmt war. Sie erließ endlich
am 4. October im Namen der siegreichen Nation folgendes Decret: „1) Die
Provinzen Belgiens, gewaltsam von Holland losgetrennt, bilden einen unab¬
hängigen Staat. 2) Das Centralcomite wird sich sobald als möglich mit dem
Plane zu einer Verfassung beschäftigen. 3) Ein Nationaleongreß, in welchem
alle Jnterressen der Provinzen vertreten sein werden, wird zusammenberufen
werden und den Verfassungsentwurf prüfen, ihn nach seinem Gutdünken abändern
und ihn als endgiltige, für ganz Belgien normgebende Verfassung verkünden."
Die Provisorische Regierung begnügte sich also damit, die Unabhängigkeit Bel¬
giens als unwiderrufliche Thatsache hinzustellen, und überließ dem Congresse
als der unmittelbaren Emanation der Volkssouveränetät, die Form zu bestimmen,
welche der neue Staat annehmen sollte.

Schon war Gendebien mit Zustimmung seiner College« nach Paris gegangen,
um dort Unterstützung für den Fall nachzusuchen, daß Preußen den Holländern
Hilfe gewähren würde. Er erfuhr dort bald, daß dies nicht der Fall sein werde.
Für den gegentheiligen Fall war er beauftragt, den Franzosen ein Schutz- und
Trutzbündniß ohne Wiedereinverleibung Belgiens in Frankreich vorzuschlagen.
Das Cabinet des Palais Royal beschränkte sich auf die Erklärung, daß es
keiner Macht gestatten werde, sich in die belgischen Angelegenheiten zu mischen,
und Mole, der französische Minister des Auswärtigen, theilte dem preußischen
Gesandten zu Paris mit, daß, wenn Preußische Truppen Belgien betraten, sofort
französische einrücken würden. Gendebien hatte von seinen College» Vollmacht
verlangt, um im Einvernehmen mit dem Könige der Franzosen Belgien als
Konföderation unter einem Präsidenten oder Generalgouvemeur zu constituiren,
welcher entweder Lafayette oder der Herzog von Nemours sein sollte. Das
Centralcomite' aber begnügte sich damit, die Mission des belgischen Gesandten
zu einer regelmäßigen zu machen. Es hatte sich damals das Gerücht verbreitet,
daß Intriguen im Gange seien, um den belgischen Thron unter Einwilligung
Ludwig Philipps mit dem Prinzen von Oranien zu besetzen, und daß Ludwig
Philipp dies nur von der Anerkennung der neuen französischen Dynastie durch
Rußland abhängig mache. Am 16. October ging Gendebien, der inzwischen
nach Brüssel zurückgekehrt war, im Auftrage des Centralcomites wieder nach


Grenzboten III. 1880. 13
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0105" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147192"/>
          <p xml:id="ID_275" prev="#ID_274"> d'Hooghvorst, Rogier, dem Grafen Felix de Merode, Alexandre Gendebien,<lb/>
Sylvain van de Weyer und Jolly bestand, und der als Schatzmeister Vander-<lb/>
linden und als Secretäre de Coppin und I. Nicolay beigegeben waren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_276"> Die neue Regierung entschloß sich sofort zu Acten der souveränes: sie<lb/>
rief die in der holländischen Armee dienenden Belgier zurück, und sie lud de<lb/>
Potter ein, sich in sein Vaterland zurückzubegeben und machte diesen bei den<lb/>
Massen sehr beliebten Volksmann zum Mitgliede des Centralcomites, welches<lb/>
in ihrem Namen die Executiv-Gewalt zu führen bestimmt war. Sie erließ endlich<lb/>
am 4. October im Namen der siegreichen Nation folgendes Decret: &#x201E;1) Die<lb/>
Provinzen Belgiens, gewaltsam von Holland losgetrennt, bilden einen unab¬<lb/>
hängigen Staat. 2) Das Centralcomite wird sich sobald als möglich mit dem<lb/>
Plane zu einer Verfassung beschäftigen. 3) Ein Nationaleongreß, in welchem<lb/>
alle Jnterressen der Provinzen vertreten sein werden, wird zusammenberufen<lb/>
werden und den Verfassungsentwurf prüfen, ihn nach seinem Gutdünken abändern<lb/>
und ihn als endgiltige, für ganz Belgien normgebende Verfassung verkünden."<lb/>
Die Provisorische Regierung begnügte sich also damit, die Unabhängigkeit Bel¬<lb/>
giens als unwiderrufliche Thatsache hinzustellen, und überließ dem Congresse<lb/>
als der unmittelbaren Emanation der Volkssouveränetät, die Form zu bestimmen,<lb/>
welche der neue Staat annehmen sollte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_277" next="#ID_278"> Schon war Gendebien mit Zustimmung seiner College« nach Paris gegangen,<lb/>
um dort Unterstützung für den Fall nachzusuchen, daß Preußen den Holländern<lb/>
Hilfe gewähren würde. Er erfuhr dort bald, daß dies nicht der Fall sein werde.<lb/>
Für den gegentheiligen Fall war er beauftragt, den Franzosen ein Schutz- und<lb/>
Trutzbündniß ohne Wiedereinverleibung Belgiens in Frankreich vorzuschlagen.<lb/>
Das Cabinet des Palais Royal beschränkte sich auf die Erklärung, daß es<lb/>
keiner Macht gestatten werde, sich in die belgischen Angelegenheiten zu mischen,<lb/>
und Mole, der französische Minister des Auswärtigen, theilte dem preußischen<lb/>
Gesandten zu Paris mit, daß, wenn Preußische Truppen Belgien betraten, sofort<lb/>
französische einrücken würden. Gendebien hatte von seinen College» Vollmacht<lb/>
verlangt, um im Einvernehmen mit dem Könige der Franzosen Belgien als<lb/>
Konföderation unter einem Präsidenten oder Generalgouvemeur zu constituiren,<lb/>
welcher entweder Lafayette oder der Herzog von Nemours sein sollte. Das<lb/>
Centralcomite' aber begnügte sich damit, die Mission des belgischen Gesandten<lb/>
zu einer regelmäßigen zu machen. Es hatte sich damals das Gerücht verbreitet,<lb/>
daß Intriguen im Gange seien, um den belgischen Thron unter Einwilligung<lb/>
Ludwig Philipps mit dem Prinzen von Oranien zu besetzen, und daß Ludwig<lb/>
Philipp dies nur von der Anerkennung der neuen französischen Dynastie durch<lb/>
Rußland abhängig mache. Am 16. October ging Gendebien, der inzwischen<lb/>
nach Brüssel zurückgekehrt war, im Auftrage des Centralcomites wieder nach</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1880. 13</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0105] d'Hooghvorst, Rogier, dem Grafen Felix de Merode, Alexandre Gendebien, Sylvain van de Weyer und Jolly bestand, und der als Schatzmeister Vander- linden und als Secretäre de Coppin und I. Nicolay beigegeben waren. Die neue Regierung entschloß sich sofort zu Acten der souveränes: sie rief die in der holländischen Armee dienenden Belgier zurück, und sie lud de Potter ein, sich in sein Vaterland zurückzubegeben und machte diesen bei den Massen sehr beliebten Volksmann zum Mitgliede des Centralcomites, welches in ihrem Namen die Executiv-Gewalt zu führen bestimmt war. Sie erließ endlich am 4. October im Namen der siegreichen Nation folgendes Decret: „1) Die Provinzen Belgiens, gewaltsam von Holland losgetrennt, bilden einen unab¬ hängigen Staat. 2) Das Centralcomite wird sich sobald als möglich mit dem Plane zu einer Verfassung beschäftigen. 3) Ein Nationaleongreß, in welchem alle Jnterressen der Provinzen vertreten sein werden, wird zusammenberufen werden und den Verfassungsentwurf prüfen, ihn nach seinem Gutdünken abändern und ihn als endgiltige, für ganz Belgien normgebende Verfassung verkünden." Die Provisorische Regierung begnügte sich also damit, die Unabhängigkeit Bel¬ giens als unwiderrufliche Thatsache hinzustellen, und überließ dem Congresse als der unmittelbaren Emanation der Volkssouveränetät, die Form zu bestimmen, welche der neue Staat annehmen sollte. Schon war Gendebien mit Zustimmung seiner College« nach Paris gegangen, um dort Unterstützung für den Fall nachzusuchen, daß Preußen den Holländern Hilfe gewähren würde. Er erfuhr dort bald, daß dies nicht der Fall sein werde. Für den gegentheiligen Fall war er beauftragt, den Franzosen ein Schutz- und Trutzbündniß ohne Wiedereinverleibung Belgiens in Frankreich vorzuschlagen. Das Cabinet des Palais Royal beschränkte sich auf die Erklärung, daß es keiner Macht gestatten werde, sich in die belgischen Angelegenheiten zu mischen, und Mole, der französische Minister des Auswärtigen, theilte dem preußischen Gesandten zu Paris mit, daß, wenn Preußische Truppen Belgien betraten, sofort französische einrücken würden. Gendebien hatte von seinen College» Vollmacht verlangt, um im Einvernehmen mit dem Könige der Franzosen Belgien als Konföderation unter einem Präsidenten oder Generalgouvemeur zu constituiren, welcher entweder Lafayette oder der Herzog von Nemours sein sollte. Das Centralcomite' aber begnügte sich damit, die Mission des belgischen Gesandten zu einer regelmäßigen zu machen. Es hatte sich damals das Gerücht verbreitet, daß Intriguen im Gange seien, um den belgischen Thron unter Einwilligung Ludwig Philipps mit dem Prinzen von Oranien zu besetzen, und daß Ludwig Philipp dies nur von der Anerkennung der neuen französischen Dynastie durch Rußland abhängig mache. Am 16. October ging Gendebien, der inzwischen nach Brüssel zurückgekehrt war, im Auftrage des Centralcomites wieder nach Grenzboten III. 1880. 13

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/105
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/105>, abgerufen am 25.08.2024.