Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

Durch die uneigennützige Unterstützung von Tillys Geheimschreiber, dem Mai¬
länder Stephanus Bossius, der Bake nicht bloß mit Rath, sondern auch mit
klingender Münze beistand, gelang es Bake, mit den Seinen die Stadt zu ver¬
lassen, nachdem er etwa 14 Tage lang sammt den Seinen unter der Aufsicht
von zehn rohen Kriegern gefangen gehalten worden war, wobei er, wie er sagt,
fast eines langsamen Todes starb: "wir kirreten und knirreten darunter -- d. h.
unter der Last dieses Elends -- wie ein Wagen, der, zu sehr beladen, itzo in
Stück zerbrechen will."

Er begab sich zunächst nach Schmiedeberg, einem kleinen Städtchen in der
Dübener Heide, südlich von Wittenberg, und als er hier im Kirchenstühle des
Pastors eine alte, mit Ketten angeschlossene Bibel aufschlug, fiel sein Auge auf
die Worte des 7. Psalms: "Stehe auf, Herr! und hilf mir wieder in das Amt,
das du mir befohlen hast." Hierdurch ermuthigt, wandte er sich an die auf dem
Schlosse Lichtenburg -- in der Nähe des wenige Stunden entfernten Städtchens
Prettin an der Elbe -- refidirende Wittwe des Kurfürsten Christian II. mit
der Bitte, sie möge ihren Einfluß dahin verwenden, daß ihm bei passender Ge¬
legenheit in den kursüchsischen Landen eine Anstellung als Geistlicher bewilligt
werde. Unmittelbar von dem Hofe seiner Gönnerin hinweg wurde er nach
Dresden berufen, und hier wurde ihm das Ephorat von Grimma übertragen.
Am 16. November 1631, gerade ein Jahr vor der Lützener Schlacht, wurde er
in sein neues Amt eingewiesen. Auch der Stadt Grimma, die ebenfalls vom
Kriege heimgesucht wurde, war Bake von großem Nutzen. Zweimal erreichte er
es durch seine Beredsamkeit, daß die feindlichen Heerführer die Stadt vor dem
drohenden Untergange verschonten. Trotzdem erntete er nur Undank; er selber
sagt, daß er nicht bloß von den ungebildeten Leuten, sondern auch a quitms-
äs,w, äocris Unbill zu leiden hatte. Kein Wunder, daß er nicht zögerte, als
ihm ein ehrenvoller Ruf aus seiner Vaterstadt zukam, diesen anzunehmen. Im
Jahre 1640, nach 9jähriger Wirksamkeit in Grimma, kehrte er nach Magdeburg
zurück und übernahm aufs neue sein früheres Amt als erster Domprediger, in
welcher Wirksamkeit er bis an sein Ende verblieb. Er starb in Magdeburg
am 19. Februar 1657 in einem Alter von 70 Jahren, überlebte also die Zer¬
störung von Magdeburg um 26 Jahre.

In diesem kurzen Abriß seines Lebens ist zugleich eine Seite seines Psalmen-
commentars und zwar die interessanteste berührt worden. Zur Verdeutlichung
und zum Erweise der Wahrheit der Psalmenworte erzählt nämlich Bake, was
ihm irgend aus der Geschichte der Vorzeit oder seiner eigenen Zeit bekannt ist
und passend erscheint. Er berichtet mit ernsthafter Gewissenhaftigkeit, daß bei
dem Kampfe um Troja 880000 Griechen und 686000 Trojaner gefallen seien,
und erzählt, daß bei der Ankunft der Leiche des Kurfürsten Moritz von Sachsen


Durch die uneigennützige Unterstützung von Tillys Geheimschreiber, dem Mai¬
länder Stephanus Bossius, der Bake nicht bloß mit Rath, sondern auch mit
klingender Münze beistand, gelang es Bake, mit den Seinen die Stadt zu ver¬
lassen, nachdem er etwa 14 Tage lang sammt den Seinen unter der Aufsicht
von zehn rohen Kriegern gefangen gehalten worden war, wobei er, wie er sagt,
fast eines langsamen Todes starb: „wir kirreten und knirreten darunter — d. h.
unter der Last dieses Elends — wie ein Wagen, der, zu sehr beladen, itzo in
Stück zerbrechen will."

Er begab sich zunächst nach Schmiedeberg, einem kleinen Städtchen in der
Dübener Heide, südlich von Wittenberg, und als er hier im Kirchenstühle des
Pastors eine alte, mit Ketten angeschlossene Bibel aufschlug, fiel sein Auge auf
die Worte des 7. Psalms: „Stehe auf, Herr! und hilf mir wieder in das Amt,
das du mir befohlen hast." Hierdurch ermuthigt, wandte er sich an die auf dem
Schlosse Lichtenburg — in der Nähe des wenige Stunden entfernten Städtchens
Prettin an der Elbe — refidirende Wittwe des Kurfürsten Christian II. mit
der Bitte, sie möge ihren Einfluß dahin verwenden, daß ihm bei passender Ge¬
legenheit in den kursüchsischen Landen eine Anstellung als Geistlicher bewilligt
werde. Unmittelbar von dem Hofe seiner Gönnerin hinweg wurde er nach
Dresden berufen, und hier wurde ihm das Ephorat von Grimma übertragen.
Am 16. November 1631, gerade ein Jahr vor der Lützener Schlacht, wurde er
in sein neues Amt eingewiesen. Auch der Stadt Grimma, die ebenfalls vom
Kriege heimgesucht wurde, war Bake von großem Nutzen. Zweimal erreichte er
es durch seine Beredsamkeit, daß die feindlichen Heerführer die Stadt vor dem
drohenden Untergange verschonten. Trotzdem erntete er nur Undank; er selber
sagt, daß er nicht bloß von den ungebildeten Leuten, sondern auch a quitms-
äs,w, äocris Unbill zu leiden hatte. Kein Wunder, daß er nicht zögerte, als
ihm ein ehrenvoller Ruf aus seiner Vaterstadt zukam, diesen anzunehmen. Im
Jahre 1640, nach 9jähriger Wirksamkeit in Grimma, kehrte er nach Magdeburg
zurück und übernahm aufs neue sein früheres Amt als erster Domprediger, in
welcher Wirksamkeit er bis an sein Ende verblieb. Er starb in Magdeburg
am 19. Februar 1657 in einem Alter von 70 Jahren, überlebte also die Zer¬
störung von Magdeburg um 26 Jahre.

In diesem kurzen Abriß seines Lebens ist zugleich eine Seite seines Psalmen-
commentars und zwar die interessanteste berührt worden. Zur Verdeutlichung
und zum Erweise der Wahrheit der Psalmenworte erzählt nämlich Bake, was
ihm irgend aus der Geschichte der Vorzeit oder seiner eigenen Zeit bekannt ist
und passend erscheint. Er berichtet mit ernsthafter Gewissenhaftigkeit, daß bei
dem Kampfe um Troja 880000 Griechen und 686000 Trojaner gefallen seien,
und erzählt, daß bei der Ankunft der Leiche des Kurfürsten Moritz von Sachsen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0551" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/146480"/>
          <p xml:id="ID_1612" prev="#ID_1611"> Durch die uneigennützige Unterstützung von Tillys Geheimschreiber, dem Mai¬<lb/>
länder Stephanus Bossius, der Bake nicht bloß mit Rath, sondern auch mit<lb/>
klingender Münze beistand, gelang es Bake, mit den Seinen die Stadt zu ver¬<lb/>
lassen, nachdem er etwa 14 Tage lang sammt den Seinen unter der Aufsicht<lb/>
von zehn rohen Kriegern gefangen gehalten worden war, wobei er, wie er sagt,<lb/>
fast eines langsamen Todes starb: &#x201E;wir kirreten und knirreten darunter &#x2014; d. h.<lb/>
unter der Last dieses Elends &#x2014; wie ein Wagen, der, zu sehr beladen, itzo in<lb/>
Stück zerbrechen will."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1613"> Er begab sich zunächst nach Schmiedeberg, einem kleinen Städtchen in der<lb/>
Dübener Heide, südlich von Wittenberg, und als er hier im Kirchenstühle des<lb/>
Pastors eine alte, mit Ketten angeschlossene Bibel aufschlug, fiel sein Auge auf<lb/>
die Worte des 7. Psalms: &#x201E;Stehe auf, Herr! und hilf mir wieder in das Amt,<lb/>
das du mir befohlen hast." Hierdurch ermuthigt, wandte er sich an die auf dem<lb/>
Schlosse Lichtenburg &#x2014; in der Nähe des wenige Stunden entfernten Städtchens<lb/>
Prettin an der Elbe &#x2014; refidirende Wittwe des Kurfürsten Christian II. mit<lb/>
der Bitte, sie möge ihren Einfluß dahin verwenden, daß ihm bei passender Ge¬<lb/>
legenheit in den kursüchsischen Landen eine Anstellung als Geistlicher bewilligt<lb/>
werde. Unmittelbar von dem Hofe seiner Gönnerin hinweg wurde er nach<lb/>
Dresden berufen, und hier wurde ihm das Ephorat von Grimma übertragen.<lb/>
Am 16. November 1631, gerade ein Jahr vor der Lützener Schlacht, wurde er<lb/>
in sein neues Amt eingewiesen. Auch der Stadt Grimma, die ebenfalls vom<lb/>
Kriege heimgesucht wurde, war Bake von großem Nutzen. Zweimal erreichte er<lb/>
es durch seine Beredsamkeit, daß die feindlichen Heerführer die Stadt vor dem<lb/>
drohenden Untergange verschonten. Trotzdem erntete er nur Undank; er selber<lb/>
sagt, daß er nicht bloß von den ungebildeten Leuten, sondern auch a quitms-<lb/>
äs,w, äocris Unbill zu leiden hatte. Kein Wunder, daß er nicht zögerte, als<lb/>
ihm ein ehrenvoller Ruf aus seiner Vaterstadt zukam, diesen anzunehmen. Im<lb/>
Jahre 1640, nach 9jähriger Wirksamkeit in Grimma, kehrte er nach Magdeburg<lb/>
zurück und übernahm aufs neue sein früheres Amt als erster Domprediger, in<lb/>
welcher Wirksamkeit er bis an sein Ende verblieb. Er starb in Magdeburg<lb/>
am 19. Februar 1657 in einem Alter von 70 Jahren, überlebte also die Zer¬<lb/>
störung von Magdeburg um 26 Jahre.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1614" next="#ID_1615"> In diesem kurzen Abriß seines Lebens ist zugleich eine Seite seines Psalmen-<lb/>
commentars und zwar die interessanteste berührt worden. Zur Verdeutlichung<lb/>
und zum Erweise der Wahrheit der Psalmenworte erzählt nämlich Bake, was<lb/>
ihm irgend aus der Geschichte der Vorzeit oder seiner eigenen Zeit bekannt ist<lb/>
und passend erscheint. Er berichtet mit ernsthafter Gewissenhaftigkeit, daß bei<lb/>
dem Kampfe um Troja 880000 Griechen und 686000 Trojaner gefallen seien,<lb/>
und erzählt, daß bei der Ankunft der Leiche des Kurfürsten Moritz von Sachsen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0551] Durch die uneigennützige Unterstützung von Tillys Geheimschreiber, dem Mai¬ länder Stephanus Bossius, der Bake nicht bloß mit Rath, sondern auch mit klingender Münze beistand, gelang es Bake, mit den Seinen die Stadt zu ver¬ lassen, nachdem er etwa 14 Tage lang sammt den Seinen unter der Aufsicht von zehn rohen Kriegern gefangen gehalten worden war, wobei er, wie er sagt, fast eines langsamen Todes starb: „wir kirreten und knirreten darunter — d. h. unter der Last dieses Elends — wie ein Wagen, der, zu sehr beladen, itzo in Stück zerbrechen will." Er begab sich zunächst nach Schmiedeberg, einem kleinen Städtchen in der Dübener Heide, südlich von Wittenberg, und als er hier im Kirchenstühle des Pastors eine alte, mit Ketten angeschlossene Bibel aufschlug, fiel sein Auge auf die Worte des 7. Psalms: „Stehe auf, Herr! und hilf mir wieder in das Amt, das du mir befohlen hast." Hierdurch ermuthigt, wandte er sich an die auf dem Schlosse Lichtenburg — in der Nähe des wenige Stunden entfernten Städtchens Prettin an der Elbe — refidirende Wittwe des Kurfürsten Christian II. mit der Bitte, sie möge ihren Einfluß dahin verwenden, daß ihm bei passender Ge¬ legenheit in den kursüchsischen Landen eine Anstellung als Geistlicher bewilligt werde. Unmittelbar von dem Hofe seiner Gönnerin hinweg wurde er nach Dresden berufen, und hier wurde ihm das Ephorat von Grimma übertragen. Am 16. November 1631, gerade ein Jahr vor der Lützener Schlacht, wurde er in sein neues Amt eingewiesen. Auch der Stadt Grimma, die ebenfalls vom Kriege heimgesucht wurde, war Bake von großem Nutzen. Zweimal erreichte er es durch seine Beredsamkeit, daß die feindlichen Heerführer die Stadt vor dem drohenden Untergange verschonten. Trotzdem erntete er nur Undank; er selber sagt, daß er nicht bloß von den ungebildeten Leuten, sondern auch a quitms- äs,w, äocris Unbill zu leiden hatte. Kein Wunder, daß er nicht zögerte, als ihm ein ehrenvoller Ruf aus seiner Vaterstadt zukam, diesen anzunehmen. Im Jahre 1640, nach 9jähriger Wirksamkeit in Grimma, kehrte er nach Magdeburg zurück und übernahm aufs neue sein früheres Amt als erster Domprediger, in welcher Wirksamkeit er bis an sein Ende verblieb. Er starb in Magdeburg am 19. Februar 1657 in einem Alter von 70 Jahren, überlebte also die Zer¬ störung von Magdeburg um 26 Jahre. In diesem kurzen Abriß seines Lebens ist zugleich eine Seite seines Psalmen- commentars und zwar die interessanteste berührt worden. Zur Verdeutlichung und zum Erweise der Wahrheit der Psalmenworte erzählt nämlich Bake, was ihm irgend aus der Geschichte der Vorzeit oder seiner eigenen Zeit bekannt ist und passend erscheint. Er berichtet mit ernsthafter Gewissenhaftigkeit, daß bei dem Kampfe um Troja 880000 Griechen und 686000 Trojaner gefallen seien, und erzählt, daß bei der Ankunft der Leiche des Kurfürsten Moritz von Sachsen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/551
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/551>, abgerufen am 23.07.2024.