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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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vorliegen bei einer Bemerkung, die erst reichlich 30 Jahre später an die Oeffent-
lichkeit kam; denn der Psalmencommentar Bates ist erst 1664 von seinem
Sohne herausgegeben worden. Ferner ist die Bemerkung eine ganz gelegent¬
liche; sowie der Verfasser alle ihm bekannten Beispiele aus der alten und neuen
Zeit benutzt, um die Wahrheit irgend eines Psalmwortes zu erhärten, so findet
sich auch diese Bemerkung innerhalb eines gewaltigen Folianten, aber nur einmal
und an einer Stelle, wo der ganze Zusammenhang zur Anführung dieses selbst¬
erlebten Beispiels hinleitete.

Was zum Schluß die Glaubwürdigkeit der Person betrifft, so darf diese
in keiner Weise bezweifelt werden. Zwar ist es nachgewiesen, daß die Magde¬
burger Geistlichen sich durch "Verehrungen" und "Zusagen" bewegen ließen, "das
Volk in den Predigten fleißig zu vermahnen, beim König von Schweden stand¬
haft zu bleiben". Es heißt in einem amtlichen Berichte, daß man ihnen
Butter, Ochsen, Schweine und dergleichen verehrt und ihnen zugesagt habe,
daß sie der Domherren Canonicate und Präbenden haben und bekommen
sollten. Aber mit Recht bemerkt Wittich: "Niemand wird leugnen, daß auch
tiefinnerste Ueberzeugung, vollster Herzensdrang die Geistlichen von der Kanzel
das Volk zum Ausharren in der Noth, zur Standhaftigkeit gegen die Papisten,
zur Hingebung, zum freudigen Anschluß an den Rettung verheißenden Schweden¬
könig ernähren ließ." Ueberdies wissen wir, wie gerade Bake sich durch seine
Ruhe und Mäßigung auszeichnete, und zwar in exceptioneller Weise, da seine
Amtsbruder mit aller Leidenschaftlichkeit und Zähigkeit für ihre Sache kämpfte"
in einer Weise, daß sich Bake zu wiederholten Malen direct mißbilligend darüber
äußerte. Wir haben es also auch nicht mit dem tendenziös entstellten Berichte
eines verbissenen Eiferers für eine trotz aller Hartnäckigkeit verlorene Sache zu thun.

Aber Bake steht nicht nur in dieser Beziehung hoch über seiner durch Fana¬
tismus und Engherzigkeit gekennzeichneten Zeit; die ganze Persönlichkeit dieses
Mannes ist eine so bedeutende und fesselnde, daß er auch dann unser Interesse
zu erregen im Stande sein würde, wenn sein Schicksal nicht mit der Kata¬
strophe von Magdeburg eng im Zusammenhange stünde. Wir entwerfen daher
noch in Kürze ein Bild von dem Leben des Magdeburger Dompredigers, zu
welchem uns vereinzelte gelegentliche Bemerkungen in seinem Psalmeneommentar
das Material liefern.

Reinhard Bake war in Magdeburg am 3. Mai 1587 geboren. Sein Vater
gleiches Namens war Sattler und gehörte zu den sogenannten Hundert-Männern
des Rathes. Er wurde ihm bereits im Jahre 1588 durch frühzeitigen Tod ent¬
rissen. Den ersten Unterricht genoß der junge Bake in der Schule seiner Vater¬
stadt. Es erinnert an Luthers Jugend, wenn wir von ihm selbst hören, daß
er auch Chorsänger war, oder, wie es in Magdeburg hieß, Litcmeyschüler. Die


vorliegen bei einer Bemerkung, die erst reichlich 30 Jahre später an die Oeffent-
lichkeit kam; denn der Psalmencommentar Bates ist erst 1664 von seinem
Sohne herausgegeben worden. Ferner ist die Bemerkung eine ganz gelegent¬
liche; sowie der Verfasser alle ihm bekannten Beispiele aus der alten und neuen
Zeit benutzt, um die Wahrheit irgend eines Psalmwortes zu erhärten, so findet
sich auch diese Bemerkung innerhalb eines gewaltigen Folianten, aber nur einmal
und an einer Stelle, wo der ganze Zusammenhang zur Anführung dieses selbst¬
erlebten Beispiels hinleitete.

Was zum Schluß die Glaubwürdigkeit der Person betrifft, so darf diese
in keiner Weise bezweifelt werden. Zwar ist es nachgewiesen, daß die Magde¬
burger Geistlichen sich durch „Verehrungen" und „Zusagen" bewegen ließen, „das
Volk in den Predigten fleißig zu vermahnen, beim König von Schweden stand¬
haft zu bleiben". Es heißt in einem amtlichen Berichte, daß man ihnen
Butter, Ochsen, Schweine und dergleichen verehrt und ihnen zugesagt habe,
daß sie der Domherren Canonicate und Präbenden haben und bekommen
sollten. Aber mit Recht bemerkt Wittich: „Niemand wird leugnen, daß auch
tiefinnerste Ueberzeugung, vollster Herzensdrang die Geistlichen von der Kanzel
das Volk zum Ausharren in der Noth, zur Standhaftigkeit gegen die Papisten,
zur Hingebung, zum freudigen Anschluß an den Rettung verheißenden Schweden¬
könig ernähren ließ." Ueberdies wissen wir, wie gerade Bake sich durch seine
Ruhe und Mäßigung auszeichnete, und zwar in exceptioneller Weise, da seine
Amtsbruder mit aller Leidenschaftlichkeit und Zähigkeit für ihre Sache kämpfte»
in einer Weise, daß sich Bake zu wiederholten Malen direct mißbilligend darüber
äußerte. Wir haben es also auch nicht mit dem tendenziös entstellten Berichte
eines verbissenen Eiferers für eine trotz aller Hartnäckigkeit verlorene Sache zu thun.

Aber Bake steht nicht nur in dieser Beziehung hoch über seiner durch Fana¬
tismus und Engherzigkeit gekennzeichneten Zeit; die ganze Persönlichkeit dieses
Mannes ist eine so bedeutende und fesselnde, daß er auch dann unser Interesse
zu erregen im Stande sein würde, wenn sein Schicksal nicht mit der Kata¬
strophe von Magdeburg eng im Zusammenhange stünde. Wir entwerfen daher
noch in Kürze ein Bild von dem Leben des Magdeburger Dompredigers, zu
welchem uns vereinzelte gelegentliche Bemerkungen in seinem Psalmeneommentar
das Material liefern.

Reinhard Bake war in Magdeburg am 3. Mai 1587 geboren. Sein Vater
gleiches Namens war Sattler und gehörte zu den sogenannten Hundert-Männern
des Rathes. Er wurde ihm bereits im Jahre 1588 durch frühzeitigen Tod ent¬
rissen. Den ersten Unterricht genoß der junge Bake in der Schule seiner Vater¬
stadt. Es erinnert an Luthers Jugend, wenn wir von ihm selbst hören, daß
er auch Chorsänger war, oder, wie es in Magdeburg hieß, Litcmeyschüler. Die


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[0548] vorliegen bei einer Bemerkung, die erst reichlich 30 Jahre später an die Oeffent- lichkeit kam; denn der Psalmencommentar Bates ist erst 1664 von seinem Sohne herausgegeben worden. Ferner ist die Bemerkung eine ganz gelegent¬ liche; sowie der Verfasser alle ihm bekannten Beispiele aus der alten und neuen Zeit benutzt, um die Wahrheit irgend eines Psalmwortes zu erhärten, so findet sich auch diese Bemerkung innerhalb eines gewaltigen Folianten, aber nur einmal und an einer Stelle, wo der ganze Zusammenhang zur Anführung dieses selbst¬ erlebten Beispiels hinleitete. Was zum Schluß die Glaubwürdigkeit der Person betrifft, so darf diese in keiner Weise bezweifelt werden. Zwar ist es nachgewiesen, daß die Magde¬ burger Geistlichen sich durch „Verehrungen" und „Zusagen" bewegen ließen, „das Volk in den Predigten fleißig zu vermahnen, beim König von Schweden stand¬ haft zu bleiben". Es heißt in einem amtlichen Berichte, daß man ihnen Butter, Ochsen, Schweine und dergleichen verehrt und ihnen zugesagt habe, daß sie der Domherren Canonicate und Präbenden haben und bekommen sollten. Aber mit Recht bemerkt Wittich: „Niemand wird leugnen, daß auch tiefinnerste Ueberzeugung, vollster Herzensdrang die Geistlichen von der Kanzel das Volk zum Ausharren in der Noth, zur Standhaftigkeit gegen die Papisten, zur Hingebung, zum freudigen Anschluß an den Rettung verheißenden Schweden¬ könig ernähren ließ." Ueberdies wissen wir, wie gerade Bake sich durch seine Ruhe und Mäßigung auszeichnete, und zwar in exceptioneller Weise, da seine Amtsbruder mit aller Leidenschaftlichkeit und Zähigkeit für ihre Sache kämpfte» in einer Weise, daß sich Bake zu wiederholten Malen direct mißbilligend darüber äußerte. Wir haben es also auch nicht mit dem tendenziös entstellten Berichte eines verbissenen Eiferers für eine trotz aller Hartnäckigkeit verlorene Sache zu thun. Aber Bake steht nicht nur in dieser Beziehung hoch über seiner durch Fana¬ tismus und Engherzigkeit gekennzeichneten Zeit; die ganze Persönlichkeit dieses Mannes ist eine so bedeutende und fesselnde, daß er auch dann unser Interesse zu erregen im Stande sein würde, wenn sein Schicksal nicht mit der Kata¬ strophe von Magdeburg eng im Zusammenhange stünde. Wir entwerfen daher noch in Kürze ein Bild von dem Leben des Magdeburger Dompredigers, zu welchem uns vereinzelte gelegentliche Bemerkungen in seinem Psalmeneommentar das Material liefern. Reinhard Bake war in Magdeburg am 3. Mai 1587 geboren. Sein Vater gleiches Namens war Sattler und gehörte zu den sogenannten Hundert-Männern des Rathes. Er wurde ihm bereits im Jahre 1588 durch frühzeitigen Tod ent¬ rissen. Den ersten Unterricht genoß der junge Bake in der Schule seiner Vater¬ stadt. Es erinnert an Luthers Jugend, wenn wir von ihm selbst hören, daß er auch Chorsänger war, oder, wie es in Magdeburg hieß, Litcmeyschüler. Die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/548>, abgerufen am 23.07.2024.