Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.sein mußten. Wir glauben, daß er jetzt entschieden von dem Wunsche nach Hier aber beginnen eben die Schwierigkeiten, die Bedenken und die Fragen. Allen diesen und anderen Möglichkeiten gegenüber bedarf es der Vorsicht sein mußten. Wir glauben, daß er jetzt entschieden von dem Wunsche nach Hier aber beginnen eben die Schwierigkeiten, die Bedenken und die Fragen. Allen diesen und anderen Möglichkeiten gegenüber bedarf es der Vorsicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0538" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/146467"/> <p xml:id="ID_1568" prev="#ID_1567"> sein mußten. Wir glauben, daß er jetzt entschieden von dem Wunsche nach<lb/> Versöhnung mit dem deutschen Staate beseelt ist, entweder aus gemüthlichen<lb/> Gründen oder aus Motiven der Klugheit und Opportunist, im Hinblicke auf<lb/> den im Verlaufe des Streites nichts weniger als gehobenen Zustand der katho¬<lb/> lischen Kirche in Deutschland und auf Schwierigkeiten und Gefahren, die ihr in<lb/> andern Ländern, z. B. in Frankreich, drohen. Wir sind endlich weit davon<lb/> entfernt, in Abrede zu stellen, daß der Satz, mit welchem Papst Leo in der<lb/> Uebersetzung seines Schreibens, die wir in der „Germania" finden, erklärt, er<lb/> „glaube dulden zu können, daß der preußischen Staatsregierung vor der kano¬<lb/> nischen Institution die Namen jener Priester angezeigt werden, welche die Bischöfe<lb/> der Diöcesen zu Theilnehmern ihrer Sorgen in der Ausübung der Seelsorge<lb/> wühlen", ein annehmbares Zugeständniß wäre, vorausgesetzt, daß die Ueber-<lb/> tragung des lateinischen Originals ganz genau den Sinn des letzteren wieder¬<lb/> gäbe und gewisse mehrfacher Deutung fähige Ausdrücke und Wendungen so<lb/> interpretirt werden dürften, wie die Leiter unseres Staatswesens sie allein<lb/> brauchen, allein mit ihnen befriedigt sein können, d. h. in diesem Punkte be¬<lb/> friedigt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1569"> Hier aber beginnen eben die Schwierigkeiten, die Bedenken und die Fragen.<lb/> Was wird unter Diesem verstanden, was schließt Jenes ein oder aus? Und<lb/> erklärte man uns Alles so, wie wir es wünschen und acceptiren können<lb/> wer steht uns in diesen und andern Angelegenheiten dafür, daß der Papst nicht<lb/> in einiger Zeit seine Meinung ändert, daß er das Abkommen nicht übers Jahr<lb/> oder in zwei, drei, fünf Jahren für nicht mehr opportun hält und andere Wege<lb/> betritt? Wer kann sagen, wie sein Nachfolger darüber denkt, und ob er nicht<lb/> über die wesentlichsten Dinge ganz ebenso anderer Meinung ist, wie Papst Leo<lb/> anderer Meinung huldigt als Papst Pius?</p><lb/> <p xml:id="ID_1570" next="#ID_1571"> Allen diesen und anderen Möglichkeiten gegenüber bedarf es der Vorsicht<lb/> und gewisser Schutzmittel, die wir uns eben in den Maigesetzen geschaffen haben.<lb/> Einem milddenkenden, versöhnlichen Papste wie dem gegenwärtigen gegenüber können<lb/> — und werden, so dürfen wir hinzufügen — diese Gesetze so mild und schonend<lb/> wie nur irgend thunlich interpretirt und vollzogen werden. Eine Abschaffung<lb/> oder Abänderung derselben dagegen ist nicht zu rathen. Der Syllabus mit<lb/> seinen auf das weltliche Gebiet herüberreichenden Ansprüchen dauert auch fort,<lb/> und die Consequenzen des Dogmas von 1870 für den Staat können sich zu<lb/> jeder Zeit wieder fühlbar machen. Das Entgegenkommen des jetzigen Papstes<lb/> ist unter den obigen Voraussetzungen dankbar zu acceptiren, aber eine princi¬<lb/> pielle Wandlung der römischen Politik drückt es selbstverständlich nicht aus.<lb/> Die Taktik, der Modus sind verändert und werden sich vielleicht noch mehr</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0538]
sein mußten. Wir glauben, daß er jetzt entschieden von dem Wunsche nach
Versöhnung mit dem deutschen Staate beseelt ist, entweder aus gemüthlichen
Gründen oder aus Motiven der Klugheit und Opportunist, im Hinblicke auf
den im Verlaufe des Streites nichts weniger als gehobenen Zustand der katho¬
lischen Kirche in Deutschland und auf Schwierigkeiten und Gefahren, die ihr in
andern Ländern, z. B. in Frankreich, drohen. Wir sind endlich weit davon
entfernt, in Abrede zu stellen, daß der Satz, mit welchem Papst Leo in der
Uebersetzung seines Schreibens, die wir in der „Germania" finden, erklärt, er
„glaube dulden zu können, daß der preußischen Staatsregierung vor der kano¬
nischen Institution die Namen jener Priester angezeigt werden, welche die Bischöfe
der Diöcesen zu Theilnehmern ihrer Sorgen in der Ausübung der Seelsorge
wühlen", ein annehmbares Zugeständniß wäre, vorausgesetzt, daß die Ueber-
tragung des lateinischen Originals ganz genau den Sinn des letzteren wieder¬
gäbe und gewisse mehrfacher Deutung fähige Ausdrücke und Wendungen so
interpretirt werden dürften, wie die Leiter unseres Staatswesens sie allein
brauchen, allein mit ihnen befriedigt sein können, d. h. in diesem Punkte be¬
friedigt.
Hier aber beginnen eben die Schwierigkeiten, die Bedenken und die Fragen.
Was wird unter Diesem verstanden, was schließt Jenes ein oder aus? Und
erklärte man uns Alles so, wie wir es wünschen und acceptiren können
wer steht uns in diesen und andern Angelegenheiten dafür, daß der Papst nicht
in einiger Zeit seine Meinung ändert, daß er das Abkommen nicht übers Jahr
oder in zwei, drei, fünf Jahren für nicht mehr opportun hält und andere Wege
betritt? Wer kann sagen, wie sein Nachfolger darüber denkt, und ob er nicht
über die wesentlichsten Dinge ganz ebenso anderer Meinung ist, wie Papst Leo
anderer Meinung huldigt als Papst Pius?
Allen diesen und anderen Möglichkeiten gegenüber bedarf es der Vorsicht
und gewisser Schutzmittel, die wir uns eben in den Maigesetzen geschaffen haben.
Einem milddenkenden, versöhnlichen Papste wie dem gegenwärtigen gegenüber können
— und werden, so dürfen wir hinzufügen — diese Gesetze so mild und schonend
wie nur irgend thunlich interpretirt und vollzogen werden. Eine Abschaffung
oder Abänderung derselben dagegen ist nicht zu rathen. Der Syllabus mit
seinen auf das weltliche Gebiet herüberreichenden Ansprüchen dauert auch fort,
und die Consequenzen des Dogmas von 1870 für den Staat können sich zu
jeder Zeit wieder fühlbar machen. Das Entgegenkommen des jetzigen Papstes
ist unter den obigen Voraussetzungen dankbar zu acceptiren, aber eine princi¬
pielle Wandlung der römischen Politik drückt es selbstverständlich nicht aus.
Die Taktik, der Modus sind verändert und werden sich vielleicht noch mehr
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