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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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erfreut, entfaltete er gleichfalls eine lebhafte Productivität, die ihm allseitige
Anerkennung eintrug.

In Berlin, wo er zuerst im Jahre 1872 mit einer Anzahl Porträts (Wagner
und seine Frau, Liszt, Döllinger u. a. in.) erschien, erfreut er sich keiner so
unbedingten Anerkennung. Obwohl man seine Vorzüge als Menschenkenner und
seine coloristische Virtuosität zu schätzen weiß, setzt man sich nicht so leicht über
die Nachlässigkeiten seiner Zeichnung hinweg. Man wurde sogar aufs tiefste
verstimmt und verletzt, als Lenbach im Jahre 1874 ein Porträt des deutschen
Kaisers ausstellte, an welches man noch heute nicht zurückdenken kann, ohne in
Entrüstung zu gerathen. Um dem Vorwurfe etwaiger Voreingenommenheit gegen
die Münchener Schule zu entgehen, enthalte ich mich eines eigenen Urtheils über
diese dnrch und durch verwerfliche Arbeit und citire dafür die Worte, in welche
ein so maßvoller und ruhiger Beurtheiler wie R. Dohme in Berlin sein Ver¬
biet gekleidet hat. "Was die Auffassung anbetrifft," sagt er in der "Kunstchronik"
von 1874, "so kann dieselbe kaum unedler gedacht werden. Wie ein alter auf¬
getragener Schlafrock häugt die Uniform um den müde zusammengesunkenen Körper.
Selbst im Falle, daß der Künstler den greisen Fürsten in einem Augenblicke
der Ermattung in bequemem Hausrocke so gefunden, so malt man doch gerade
einen Fürsten und noch dazu einen Mann, dessen im Alter noch auffallend
frische Haltung die Bewunderung aller, die ihn kennen, erregt, nicht so. Der
Kopf ist ähnlich, scharf charakteristisch, wenn auch uicht gerade mit Betonung'
der liebenswürdigen Eigenschaften, und mit großem Geschick gemalt. Er ver¬
dient deshalb insofern alles Lob. Aber die Malweise selbst, gerade das, was
Lenbachs Ruhm ausgemacht! Zunächst scheint es mir höchstens gelegentlich als
Spielerei berechtigt, ein altes Bild so nachzuahmen, wie es der durch die Jahr¬
hunderte getrübte Firniß und die mit ihm zusammengewachsene Palma von
Staub und Schmutz heut erscheinen läßt; aus solchen technischen Kunststücken
seinen eigensten Stil fürs Leben herauszubilden, ist aber bedenklich, weil eine
Unwahrheit dahinter liegt. Eine zweite ist dann das mühsame, sorgfältige
Jmitiren der Prima-Malerei. Wo wir Bilder von Rubens oder van Dyck in
flüchtigen genialen und breiten Strichen auf die Leinwand hingeworfen sehen,
da erregt die technische Virtuosität mit Recht unsere Bewunderung. Sieht man
aber, wie ein Nachahmer sich abmüht, mit ganz dünnen Terpentinfarben untermalt,
dann wieder mit Bimstein schleift, um von neuem mit dünnflüssiger Farbe, jetzt
aber sehr saftigem Pinsel die Retouchen aufzusetzen, nur um den Anschein der
Prima-Malerei zu gewinnen, so ist dies trotz allen Talentes, trotz der großen
evlvristischen Begabung nichts als eine reine Effecthascherei, berechnet, den un-
kundigen Betrachter durch Anklänge an die berühmtesten Meister zu täuschen."
Wenn der Verfasser dieser scharfsinnigen Analyse, welche die Schwächen der


erfreut, entfaltete er gleichfalls eine lebhafte Productivität, die ihm allseitige
Anerkennung eintrug.

In Berlin, wo er zuerst im Jahre 1872 mit einer Anzahl Porträts (Wagner
und seine Frau, Liszt, Döllinger u. a. in.) erschien, erfreut er sich keiner so
unbedingten Anerkennung. Obwohl man seine Vorzüge als Menschenkenner und
seine coloristische Virtuosität zu schätzen weiß, setzt man sich nicht so leicht über
die Nachlässigkeiten seiner Zeichnung hinweg. Man wurde sogar aufs tiefste
verstimmt und verletzt, als Lenbach im Jahre 1874 ein Porträt des deutschen
Kaisers ausstellte, an welches man noch heute nicht zurückdenken kann, ohne in
Entrüstung zu gerathen. Um dem Vorwurfe etwaiger Voreingenommenheit gegen
die Münchener Schule zu entgehen, enthalte ich mich eines eigenen Urtheils über
diese dnrch und durch verwerfliche Arbeit und citire dafür die Worte, in welche
ein so maßvoller und ruhiger Beurtheiler wie R. Dohme in Berlin sein Ver¬
biet gekleidet hat. „Was die Auffassung anbetrifft," sagt er in der „Kunstchronik"
von 1874, „so kann dieselbe kaum unedler gedacht werden. Wie ein alter auf¬
getragener Schlafrock häugt die Uniform um den müde zusammengesunkenen Körper.
Selbst im Falle, daß der Künstler den greisen Fürsten in einem Augenblicke
der Ermattung in bequemem Hausrocke so gefunden, so malt man doch gerade
einen Fürsten und noch dazu einen Mann, dessen im Alter noch auffallend
frische Haltung die Bewunderung aller, die ihn kennen, erregt, nicht so. Der
Kopf ist ähnlich, scharf charakteristisch, wenn auch uicht gerade mit Betonung'
der liebenswürdigen Eigenschaften, und mit großem Geschick gemalt. Er ver¬
dient deshalb insofern alles Lob. Aber die Malweise selbst, gerade das, was
Lenbachs Ruhm ausgemacht! Zunächst scheint es mir höchstens gelegentlich als
Spielerei berechtigt, ein altes Bild so nachzuahmen, wie es der durch die Jahr¬
hunderte getrübte Firniß und die mit ihm zusammengewachsene Palma von
Staub und Schmutz heut erscheinen läßt; aus solchen technischen Kunststücken
seinen eigensten Stil fürs Leben herauszubilden, ist aber bedenklich, weil eine
Unwahrheit dahinter liegt. Eine zweite ist dann das mühsame, sorgfältige
Jmitiren der Prima-Malerei. Wo wir Bilder von Rubens oder van Dyck in
flüchtigen genialen und breiten Strichen auf die Leinwand hingeworfen sehen,
da erregt die technische Virtuosität mit Recht unsere Bewunderung. Sieht man
aber, wie ein Nachahmer sich abmüht, mit ganz dünnen Terpentinfarben untermalt,
dann wieder mit Bimstein schleift, um von neuem mit dünnflüssiger Farbe, jetzt
aber sehr saftigem Pinsel die Retouchen aufzusetzen, nur um den Anschein der
Prima-Malerei zu gewinnen, so ist dies trotz allen Talentes, trotz der großen
evlvristischen Begabung nichts als eine reine Effecthascherei, berechnet, den un-
kundigen Betrachter durch Anklänge an die berühmtesten Meister zu täuschen."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/518>, abgerufen am 23.07.2024.