Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

großen Katastrophe in Deutschland verbreitet wurden und waren, wie verschie¬
dene Motive obwalteten, um bald dem, bald jenem die Schuld beizumessen,
um das Ereigniß bald als einen Triumph des Katholicismus, bald als sein
Verhängniß darzustellen.

Zu Schillers Zeit stand man im wesentlichen noch auf dem vorhin gekenn¬
zeichneten naiven Standpunkte. Es galt vor allem, die verschiedenen Quellen
zu einem farbenreichen Bilde zu vereinigen, ohne daß man zuvor jede derselben
einer objectiven, streng historischen Kritik unterwarf. Dazu kam, daß die Auf¬
fassung, wie sie zur Zeit des 30 jährigen Krieges selbst in Deutschland herrschte,
durch die Auffassung von Seiten der Volksmeinung späterer Geschlechter eine
immer bestimmtere Gestalt angenommen hatte, indem sich allerdings zugleich
immer mehr Mythus, also Dichtung, mit der historischen Wahrheit verschmolz.
Bei der Auffassung der Persönlichkeit Gustav Adolfs hatte dazu vor allem
auch fein tragisches Geschick beigetragen. Es giebt in der That kaum einen
Helden der neueren Zeit, der sich so zur mythischen Person eignete wie gerade
Gustav Adolf. Das ritterliche Wesen seiner Persönlichkeit, die edle und zu¬
gleich herzgewinnende Art seines Charakters und seines ganzen Auftretens, die
fromme Glaubenszuversicht, welche ihn neben weittragenden politischen Pläne"
von: hohen Norden her nach Deutschland trieb, sein rascher Siegeslauf durch
alle Gauen unseres Vaterlandes, sein Feldherrntalent und sein Schlachtenglück
und endlich sein tragischer Tod auf dem Felde der Ehren, der ihn -- wie
Alexander den Großen -- im 38. Jahre seines Lebens mitten aus der Bahn
seiner Erfolge hinwegraffte --, das Alles machte ihn zu einer Persönlichkeit,
bei deren Betrachtung Staunen und Bewunderung, helljanchzende Freude und
tiefer Schmerz wechselten, zu einer Persönlichkeit, die zumal im protestantischen
Deutschland alle Sympathien auch der folgende" Geschlechter sich im Sturme
eroberte. Entsprechend der Aufschrift auf dem Denkmale bei Breitenfeld:


Gustav Adolph, Christ und Held,
Rettete bei Breitcnfcld
Glaubensfreiheit für die Welt,

stand Gustav Adolf als christlicher Held und Glaubenshort vor dein geistigen
Auge auch der folgenden Generationen, und seiue Erinnerung war tief in die
Herzen der protestantischen Hälfte des deutschen Volkes eingegraben. Droysen,
der Biograph Gustav Adolfs, hat nicht Unrecht, wenn er -- obgleich nicht
ohne Uebertreibung -- sagt: "Als der Heros des Protestantismus lebt Gustav
Adolf in der Erinnerung der protestantischen Welt, als der fromme Held im
Dienste des Glaubens. Wie man den Apostel Paulus abgebildet sieht mit der
offenen Bibel in der Linken und dem nackten Schwert in der Rechten: so steht
der Nordländer vor dem Blick der bewundernden Nachwelt."


großen Katastrophe in Deutschland verbreitet wurden und waren, wie verschie¬
dene Motive obwalteten, um bald dem, bald jenem die Schuld beizumessen,
um das Ereigniß bald als einen Triumph des Katholicismus, bald als sein
Verhängniß darzustellen.

Zu Schillers Zeit stand man im wesentlichen noch auf dem vorhin gekenn¬
zeichneten naiven Standpunkte. Es galt vor allem, die verschiedenen Quellen
zu einem farbenreichen Bilde zu vereinigen, ohne daß man zuvor jede derselben
einer objectiven, streng historischen Kritik unterwarf. Dazu kam, daß die Auf¬
fassung, wie sie zur Zeit des 30 jährigen Krieges selbst in Deutschland herrschte,
durch die Auffassung von Seiten der Volksmeinung späterer Geschlechter eine
immer bestimmtere Gestalt angenommen hatte, indem sich allerdings zugleich
immer mehr Mythus, also Dichtung, mit der historischen Wahrheit verschmolz.
Bei der Auffassung der Persönlichkeit Gustav Adolfs hatte dazu vor allem
auch fein tragisches Geschick beigetragen. Es giebt in der That kaum einen
Helden der neueren Zeit, der sich so zur mythischen Person eignete wie gerade
Gustav Adolf. Das ritterliche Wesen seiner Persönlichkeit, die edle und zu¬
gleich herzgewinnende Art seines Charakters und seines ganzen Auftretens, die
fromme Glaubenszuversicht, welche ihn neben weittragenden politischen Pläne»
von: hohen Norden her nach Deutschland trieb, sein rascher Siegeslauf durch
alle Gauen unseres Vaterlandes, sein Feldherrntalent und sein Schlachtenglück
und endlich sein tragischer Tod auf dem Felde der Ehren, der ihn — wie
Alexander den Großen — im 38. Jahre seines Lebens mitten aus der Bahn
seiner Erfolge hinwegraffte —, das Alles machte ihn zu einer Persönlichkeit,
bei deren Betrachtung Staunen und Bewunderung, helljanchzende Freude und
tiefer Schmerz wechselten, zu einer Persönlichkeit, die zumal im protestantischen
Deutschland alle Sympathien auch der folgende« Geschlechter sich im Sturme
eroberte. Entsprechend der Aufschrift auf dem Denkmale bei Breitenfeld:


Gustav Adolph, Christ und Held,
Rettete bei Breitcnfcld
Glaubensfreiheit für die Welt,

stand Gustav Adolf als christlicher Held und Glaubenshort vor dein geistigen
Auge auch der folgenden Generationen, und seiue Erinnerung war tief in die
Herzen der protestantischen Hälfte des deutschen Volkes eingegraben. Droysen,
der Biograph Gustav Adolfs, hat nicht Unrecht, wenn er — obgleich nicht
ohne Uebertreibung — sagt: „Als der Heros des Protestantismus lebt Gustav
Adolf in der Erinnerung der protestantischen Welt, als der fromme Held im
Dienste des Glaubens. Wie man den Apostel Paulus abgebildet sieht mit der
offenen Bibel in der Linken und dem nackten Schwert in der Rechten: so steht
der Nordländer vor dem Blick der bewundernden Nachwelt."


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0509" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/146438"/>
          <p xml:id="ID_1481" prev="#ID_1480"> großen Katastrophe in Deutschland verbreitet wurden und waren, wie verschie¬<lb/>
dene Motive obwalteten, um bald dem, bald jenem die Schuld beizumessen,<lb/>
um das Ereigniß bald als einen Triumph des Katholicismus, bald als sein<lb/>
Verhängniß darzustellen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1482" next="#ID_1483"> Zu Schillers Zeit stand man im wesentlichen noch auf dem vorhin gekenn¬<lb/>
zeichneten naiven Standpunkte. Es galt vor allem, die verschiedenen Quellen<lb/>
zu einem farbenreichen Bilde zu vereinigen, ohne daß man zuvor jede derselben<lb/>
einer objectiven, streng historischen Kritik unterwarf. Dazu kam, daß die Auf¬<lb/>
fassung, wie sie zur Zeit des 30 jährigen Krieges selbst in Deutschland herrschte,<lb/>
durch die Auffassung von Seiten der Volksmeinung späterer Geschlechter eine<lb/>
immer bestimmtere Gestalt angenommen hatte, indem sich allerdings zugleich<lb/>
immer mehr Mythus, also Dichtung, mit der historischen Wahrheit verschmolz.<lb/>
Bei der Auffassung der Persönlichkeit Gustav Adolfs hatte dazu vor allem<lb/>
auch fein tragisches Geschick beigetragen. Es giebt in der That kaum einen<lb/>
Helden der neueren Zeit, der sich so zur mythischen Person eignete wie gerade<lb/>
Gustav Adolf. Das ritterliche Wesen seiner Persönlichkeit, die edle und zu¬<lb/>
gleich herzgewinnende Art seines Charakters und seines ganzen Auftretens, die<lb/>
fromme Glaubenszuversicht, welche ihn neben weittragenden politischen Pläne»<lb/>
von: hohen Norden her nach Deutschland trieb, sein rascher Siegeslauf durch<lb/>
alle Gauen unseres Vaterlandes, sein Feldherrntalent und sein Schlachtenglück<lb/>
und endlich sein tragischer Tod auf dem Felde der Ehren, der ihn &#x2014; wie<lb/>
Alexander den Großen &#x2014; im 38. Jahre seines Lebens mitten aus der Bahn<lb/>
seiner Erfolge hinwegraffte &#x2014;, das Alles machte ihn zu einer Persönlichkeit,<lb/>
bei deren Betrachtung Staunen und Bewunderung, helljanchzende Freude und<lb/>
tiefer Schmerz wechselten, zu einer Persönlichkeit, die zumal im protestantischen<lb/>
Deutschland alle Sympathien auch der folgende« Geschlechter sich im Sturme<lb/>
eroberte. Entsprechend der Aufschrift auf dem Denkmale bei Breitenfeld:</p><lb/>
          <quote> Gustav Adolph, Christ und Held,<lb/>
Rettete bei Breitcnfcld<lb/>
Glaubensfreiheit für die Welt,</quote><lb/>
          <p xml:id="ID_1483" prev="#ID_1482"> stand Gustav Adolf als christlicher Held und Glaubenshort vor dein geistigen<lb/>
Auge auch der folgenden Generationen, und seiue Erinnerung war tief in die<lb/>
Herzen der protestantischen Hälfte des deutschen Volkes eingegraben. Droysen,<lb/>
der Biograph Gustav Adolfs, hat nicht Unrecht, wenn er &#x2014; obgleich nicht<lb/>
ohne Uebertreibung &#x2014; sagt: &#x201E;Als der Heros des Protestantismus lebt Gustav<lb/>
Adolf in der Erinnerung der protestantischen Welt, als der fromme Held im<lb/>
Dienste des Glaubens. Wie man den Apostel Paulus abgebildet sieht mit der<lb/>
offenen Bibel in der Linken und dem nackten Schwert in der Rechten: so steht<lb/>
der Nordländer vor dem Blick der bewundernden Nachwelt."</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0509] großen Katastrophe in Deutschland verbreitet wurden und waren, wie verschie¬ dene Motive obwalteten, um bald dem, bald jenem die Schuld beizumessen, um das Ereigniß bald als einen Triumph des Katholicismus, bald als sein Verhängniß darzustellen. Zu Schillers Zeit stand man im wesentlichen noch auf dem vorhin gekenn¬ zeichneten naiven Standpunkte. Es galt vor allem, die verschiedenen Quellen zu einem farbenreichen Bilde zu vereinigen, ohne daß man zuvor jede derselben einer objectiven, streng historischen Kritik unterwarf. Dazu kam, daß die Auf¬ fassung, wie sie zur Zeit des 30 jährigen Krieges selbst in Deutschland herrschte, durch die Auffassung von Seiten der Volksmeinung späterer Geschlechter eine immer bestimmtere Gestalt angenommen hatte, indem sich allerdings zugleich immer mehr Mythus, also Dichtung, mit der historischen Wahrheit verschmolz. Bei der Auffassung der Persönlichkeit Gustav Adolfs hatte dazu vor allem auch fein tragisches Geschick beigetragen. Es giebt in der That kaum einen Helden der neueren Zeit, der sich so zur mythischen Person eignete wie gerade Gustav Adolf. Das ritterliche Wesen seiner Persönlichkeit, die edle und zu¬ gleich herzgewinnende Art seines Charakters und seines ganzen Auftretens, die fromme Glaubenszuversicht, welche ihn neben weittragenden politischen Pläne» von: hohen Norden her nach Deutschland trieb, sein rascher Siegeslauf durch alle Gauen unseres Vaterlandes, sein Feldherrntalent und sein Schlachtenglück und endlich sein tragischer Tod auf dem Felde der Ehren, der ihn — wie Alexander den Großen — im 38. Jahre seines Lebens mitten aus der Bahn seiner Erfolge hinwegraffte —, das Alles machte ihn zu einer Persönlichkeit, bei deren Betrachtung Staunen und Bewunderung, helljanchzende Freude und tiefer Schmerz wechselten, zu einer Persönlichkeit, die zumal im protestantischen Deutschland alle Sympathien auch der folgende« Geschlechter sich im Sturme eroberte. Entsprechend der Aufschrift auf dem Denkmale bei Breitenfeld: Gustav Adolph, Christ und Held, Rettete bei Breitcnfcld Glaubensfreiheit für die Welt, stand Gustav Adolf als christlicher Held und Glaubenshort vor dein geistigen Auge auch der folgenden Generationen, und seiue Erinnerung war tief in die Herzen der protestantischen Hälfte des deutschen Volkes eingegraben. Droysen, der Biograph Gustav Adolfs, hat nicht Unrecht, wenn er — obgleich nicht ohne Uebertreibung — sagt: „Als der Heros des Protestantismus lebt Gustav Adolf in der Erinnerung der protestantischen Welt, als der fromme Held im Dienste des Glaubens. Wie man den Apostel Paulus abgebildet sieht mit der offenen Bibel in der Linken und dem nackten Schwert in der Rechten: so steht der Nordländer vor dem Blick der bewundernden Nachwelt."

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/509
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/509>, abgerufen am 23.07.2024.