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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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Einleitungen zum Zulukriege traf, machte nicht eher Anstalten, um den gerechten
Beschwerden der Boers abzuhelfen, als bis der Zulukrieg entbrannt und durch
die strategische Ungeschicktheit des Lord Chelmsford eine höchst kritische Lage
für die brittische Macht geschaffen war. Als die Colonie Natal einem Einfall
der Zulus offen stand und die Boers laut erklärten, daß sie um ihre Unab¬
hängigkeit betrogen wären, kam Bartle Frere uach Pretoria, wo eine bewaffnete
Versammlung der Boers stattfand, um sie zu beschwichtigen. Es war Gefahr
für ihn, daß er als eine Art Geißel gefangen genommen würde; so wenigstens
wurde brittischerseits damals vorgegeben. Und mit römischer List half er sich
aus der verfänglichen Lage, indem er den Schein annahm, als wäre er von
der Gerechtigkeit ihrer Forderung tief überzeugt. Er mußte allerdings über¬
zeugt sein, daß nicht bloß eine rührige und lärmende Minorität auf der Her¬
stellung der Selbständigkeit des Transvaal bestand, wie er aus seiner Hinreise
sich eingebildet hatte, und wie noch immer seitdem von der annexionslustigen
Partei in Südafrika und England behauptet wird. Die bewaffnete Volks¬
versammlung der Boers bei Pretoria beschloß, eine Petition um Zurückgabe
ihrer Unabhängigkeit an die Königin zu senden, und Bartle Frere sandte diese
Petition als Einlage einer Depesche von ihm selbst ab, welche er den fünf
Sprechern der Boers zeigte. In dieser Depesche bezeichnete er die Verfasser
der Petition als hochangesehene Männer und geachtete Führer, die vom An¬
beginne der Republik an einen hervorragenden Antheil an der Regierung ihres
Landes genommen hätten, und empfahl die Petition der besonderen Beachtung
des Colonial-Secretärs: I tliwlc, I etat tksir rsprsssutiMons aro
nortli^ ok xour Sarthe eonsiäöi-Mon. Die Boers glaubten in ihrem ein¬
fältigen Vertrauen, daß der Herr Reichscommissar aus ihrer Seite sei, und
gingen in dem Glauben auseinander, daß sie ihre Selbständigkeit wieder erhalten
würden. Dies war im April. Im September, nachdem Cetewayo gesangen
und Zululand getheilt war, kam die Antwort auf die Petition in der Erklärung,
womit Sir Garnet Wolseley an der Spitze der siegreichen Armee die Will-
kommsadresse erwiederte: "daß die Incorporation des Transvaal in das
brittische Gebiet unwiderruflich sei". Dieselbe Entscheidung, ausdrücklich mit
der höhnenden Bemerkung, daß es die Antwort der Königin auf ihre Petition
sei, wurde den Boers durch eine nachträgliche Proclamation kund gethan, und
zugleich wurde ein executiver Rath oder Ministerium zur Regierung des Landes
eingesetzt. Den grollenden Boers wurde bei Gelegenheit eines Gastmahls in
Pretoria, nachdem ihnen die Schneidigkeit der brittischen Waffen durch die
schnelle Besiegung Sekokuni's gezeigt war, unverhohlen gesagt, daß sie der Selbst¬
regierung nicht würdig seien, und daß daher das Transvaal als Colonie der
Krone von Domüng Street aus regiert werden würde. Darauf fehlte es von


Einleitungen zum Zulukriege traf, machte nicht eher Anstalten, um den gerechten
Beschwerden der Boers abzuhelfen, als bis der Zulukrieg entbrannt und durch
die strategische Ungeschicktheit des Lord Chelmsford eine höchst kritische Lage
für die brittische Macht geschaffen war. Als die Colonie Natal einem Einfall
der Zulus offen stand und die Boers laut erklärten, daß sie um ihre Unab¬
hängigkeit betrogen wären, kam Bartle Frere uach Pretoria, wo eine bewaffnete
Versammlung der Boers stattfand, um sie zu beschwichtigen. Es war Gefahr
für ihn, daß er als eine Art Geißel gefangen genommen würde; so wenigstens
wurde brittischerseits damals vorgegeben. Und mit römischer List half er sich
aus der verfänglichen Lage, indem er den Schein annahm, als wäre er von
der Gerechtigkeit ihrer Forderung tief überzeugt. Er mußte allerdings über¬
zeugt sein, daß nicht bloß eine rührige und lärmende Minorität auf der Her¬
stellung der Selbständigkeit des Transvaal bestand, wie er aus seiner Hinreise
sich eingebildet hatte, und wie noch immer seitdem von der annexionslustigen
Partei in Südafrika und England behauptet wird. Die bewaffnete Volks¬
versammlung der Boers bei Pretoria beschloß, eine Petition um Zurückgabe
ihrer Unabhängigkeit an die Königin zu senden, und Bartle Frere sandte diese
Petition als Einlage einer Depesche von ihm selbst ab, welche er den fünf
Sprechern der Boers zeigte. In dieser Depesche bezeichnete er die Verfasser
der Petition als hochangesehene Männer und geachtete Führer, die vom An¬
beginne der Republik an einen hervorragenden Antheil an der Regierung ihres
Landes genommen hätten, und empfahl die Petition der besonderen Beachtung
des Colonial-Secretärs: I tliwlc, I etat tksir rsprsssutiMons aro
nortli^ ok xour Sarthe eonsiäöi-Mon. Die Boers glaubten in ihrem ein¬
fältigen Vertrauen, daß der Herr Reichscommissar aus ihrer Seite sei, und
gingen in dem Glauben auseinander, daß sie ihre Selbständigkeit wieder erhalten
würden. Dies war im April. Im September, nachdem Cetewayo gesangen
und Zululand getheilt war, kam die Antwort auf die Petition in der Erklärung,
womit Sir Garnet Wolseley an der Spitze der siegreichen Armee die Will-
kommsadresse erwiederte: „daß die Incorporation des Transvaal in das
brittische Gebiet unwiderruflich sei". Dieselbe Entscheidung, ausdrücklich mit
der höhnenden Bemerkung, daß es die Antwort der Königin auf ihre Petition
sei, wurde den Boers durch eine nachträgliche Proclamation kund gethan, und
zugleich wurde ein executiver Rath oder Ministerium zur Regierung des Landes
eingesetzt. Den grollenden Boers wurde bei Gelegenheit eines Gastmahls in
Pretoria, nachdem ihnen die Schneidigkeit der brittischen Waffen durch die
schnelle Besiegung Sekokuni's gezeigt war, unverhohlen gesagt, daß sie der Selbst¬
regierung nicht würdig seien, und daß daher das Transvaal als Colonie der
Krone von Domüng Street aus regiert werden würde. Darauf fehlte es von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/499>, abgerufen am 23.07.2024.