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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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der Ausbeutung durch die Juden preisgeben sollte, stehen auf gleicher Linie mit
der Forderung, die an die freien Boers in Transvaal gestellt wurde, sich der
Eingebornen nur als freier Arbeiter zu bedienen. Es ist darauf zu wetten,
daß die Prahlhänse alt der Themse nicht den Muth haben werden, Frankreich
die Aufrechterhaltung der Negerselcwerei am Senegal zu untersagen.

Der nach der Annexions-Erklärung von Shepstone zu einer gütlichen Ver¬
einbarung aufgeforderte Volksrath (Parlament) von Transvaal lehnte es ab, zu
deliberiren. Damit war die brittischerseits gemachte Supposition, daß die Boers
in den Verlust ihrer Selbständigkeit willigten, deutlich widerlegt. Auf die
Protestation des ganz nichtigen Präsidenten Burgers gegen deu Gewaltact, sowie
auf die Erklärungen der englischen Einwohner der Städte, die kaum den achten
Theil sämmtlicher weißer Bewohner des Landes bildeten, war kein Gewicht zu
legen. Um den Boers, den Grundherren, deren Gäste die Engländer nur
waren, die gewaltthätige Behaudlung zu versüßen, versprach Shepstone, die bis¬
herigen Gerichte sollten bestehen bleiben -- in der Capeolonie hatte Gro߬
britannien air die Stelle der alten wandernden Schwurgerichte stehende Gerichts¬
höfe gesetzt --, eine besondere Regierung mit ihrem eignen Recht und eigner
Gesetzgebung sollte errichtet werden -- in Natal hatte der brittische Commissär
Sir Garnet Wolseley die Colonie bewogen, auf die eigne Gesetzgebung zu
Gunsten von Downing Street zu verzichten ^, und alle Privatrechte sollten
aufrecht erhalten werden. Mit dem letzteren Versprechen wurde der gerecht¬
fertigten Befürchtung der Boers begegnet, daß die brittische Regierung ihnen
einen Theil des besetzten Landes abnehmen und an die für frei zu erklärenden
Kaffern vertheilen würde.

Diese Versprechungen wurden, mit Ausnahme der letzten, nicht gehalten.
Zwölf Monate nach der brittischen Besitzergreifung konnte eine Delegation der
Boers in einem an die Negierung eingesandten Promemoria behaupten, daß die
Annectirung verfehlt sei, und daß auch diejenigen, die aus Wunsch nach einer
festen Negierung sich anfänglich mit Vertrauen zu Großbritannien hingeneigt
hätten, jetzt nichts mehr von der Herrschaft der Königin von England hören
wollten; denn die Lage des Landes in Beziehung auf die Eingebornen sei mehr
gefährdet, als sie vor der Annexion gewesen, die Gerichtshöfe wären geschlossen,
die Geschwornengerichte willkürlich abgeschafft, die Gesetzgebung aufgehoben oder
aus dem Lande verlegt, keine berathende Versammlung wäre an ihre Stelle
getreten, und bei einer Zusammenkunft in Pretoria, wo sie ihre aus Europa
zurückgekehrten Beauftragten hören wollten, sei Artillerie gegen das Volk auf¬
gefahren worden.

Der englische Reichscvmmissar, Sir Bartle Frere, der sodann nach Süd¬
afrika geschickt wurde, um nach der Ordnung zu sehen, und der alsbald die


der Ausbeutung durch die Juden preisgeben sollte, stehen auf gleicher Linie mit
der Forderung, die an die freien Boers in Transvaal gestellt wurde, sich der
Eingebornen nur als freier Arbeiter zu bedienen. Es ist darauf zu wetten,
daß die Prahlhänse alt der Themse nicht den Muth haben werden, Frankreich
die Aufrechterhaltung der Negerselcwerei am Senegal zu untersagen.

Der nach der Annexions-Erklärung von Shepstone zu einer gütlichen Ver¬
einbarung aufgeforderte Volksrath (Parlament) von Transvaal lehnte es ab, zu
deliberiren. Damit war die brittischerseits gemachte Supposition, daß die Boers
in den Verlust ihrer Selbständigkeit willigten, deutlich widerlegt. Auf die
Protestation des ganz nichtigen Präsidenten Burgers gegen deu Gewaltact, sowie
auf die Erklärungen der englischen Einwohner der Städte, die kaum den achten
Theil sämmtlicher weißer Bewohner des Landes bildeten, war kein Gewicht zu
legen. Um den Boers, den Grundherren, deren Gäste die Engländer nur
waren, die gewaltthätige Behaudlung zu versüßen, versprach Shepstone, die bis¬
herigen Gerichte sollten bestehen bleiben — in der Capeolonie hatte Gro߬
britannien air die Stelle der alten wandernden Schwurgerichte stehende Gerichts¬
höfe gesetzt —, eine besondere Regierung mit ihrem eignen Recht und eigner
Gesetzgebung sollte errichtet werden — in Natal hatte der brittische Commissär
Sir Garnet Wolseley die Colonie bewogen, auf die eigne Gesetzgebung zu
Gunsten von Downing Street zu verzichten ^, und alle Privatrechte sollten
aufrecht erhalten werden. Mit dem letzteren Versprechen wurde der gerecht¬
fertigten Befürchtung der Boers begegnet, daß die brittische Regierung ihnen
einen Theil des besetzten Landes abnehmen und an die für frei zu erklärenden
Kaffern vertheilen würde.

Diese Versprechungen wurden, mit Ausnahme der letzten, nicht gehalten.
Zwölf Monate nach der brittischen Besitzergreifung konnte eine Delegation der
Boers in einem an die Negierung eingesandten Promemoria behaupten, daß die
Annectirung verfehlt sei, und daß auch diejenigen, die aus Wunsch nach einer
festen Negierung sich anfänglich mit Vertrauen zu Großbritannien hingeneigt
hätten, jetzt nichts mehr von der Herrschaft der Königin von England hören
wollten; denn die Lage des Landes in Beziehung auf die Eingebornen sei mehr
gefährdet, als sie vor der Annexion gewesen, die Gerichtshöfe wären geschlossen,
die Geschwornengerichte willkürlich abgeschafft, die Gesetzgebung aufgehoben oder
aus dem Lande verlegt, keine berathende Versammlung wäre an ihre Stelle
getreten, und bei einer Zusammenkunft in Pretoria, wo sie ihre aus Europa
zurückgekehrten Beauftragten hören wollten, sei Artillerie gegen das Volk auf¬
gefahren worden.

Der englische Reichscvmmissar, Sir Bartle Frere, der sodann nach Süd¬
afrika geschickt wurde, um nach der Ordnung zu sehen, und der alsbald die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/498>, abgerufen am 23.07.2024.