Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.o ^> . V. pontische Vnefe. 6. Die nihilistischen Attentate. Die cultivirten Nationen Europas sind überall mit schwierigen Problemen Halten wir uns nicht länger bei den Thoren auf, welche meinen, die Thor¬ o ^> . V. pontische Vnefe. 6. Die nihilistischen Attentate. Die cultivirten Nationen Europas sind überall mit schwierigen Problemen Halten wir uns nicht länger bei den Thoren auf, welche meinen, die Thor¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0486" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/146415"/> </div> <div n="1"> <head> o ^> . V.<lb/> pontische Vnefe.<lb/> 6. Die nihilistischen Attentate. </head><lb/> <p xml:id="ID_1420"> Die cultivirten Nationen Europas sind überall mit schwierigen Problemen<lb/> der Organisation von Staat und Gesellschaft, recht eigentlich also mit Friedens¬<lb/> arbeiten beschäftigt. Ueberall wird demgemäß das Friedensbedürfniß mit einer<lb/> wahren Sehnsucht empfunden, und wenn in Frankreich auch alle Köpfe einig<lb/> sind, daß man bei der jetzigen äußere» Machtstellung des Staates sich nicht<lb/> beruhigen könne, so denkt man doch für den Wiedergewinn der gebietenden<lb/> Stellung Frankreichs in Europa schwerlich an heute und morgen. Die Störung<lb/> der augenblicklichen Friedenszuversicht geht von Rußland aus. Seit vorigem<lb/> Sommer ist das Geheimniß in die Öffentlichkeit gedrungen und endlich zur<lb/> bekannten Thatsache geworden, daß die panslawistische Partei in Rußland, welche<lb/> zu ihren Führern Minister und Großfürsten zählt, auf einen Krieg gegen Deutsch¬<lb/> land drängt, als das Mittel, die Revolution zu bannen, den Thron der Zaren<lb/> zu retten und mit neuem Glänze zu umgeben. Auf deutschen Zeitungsredactionen<lb/> sitzen freilich kluge Leute, welche solche Pläne für unmöglich halten; denn — so<lb/> argumentire die Klugheit dieser Herren — nachdem Rußland die Erfahrung<lb/> gemacht, daß es kaum die Türken besiegen konnte, wird es sich doch nicht an<lb/> das erprobteste Heer Europas wagen. Die thörichtste Klugheit ist jedoch, alle<lb/> Anderen für klug und zwar nach dem Maße des eigenen Kopfes zu halten.<lb/> Die russische Kriegspartei wird ihre aparte Klugheit haben, die sich vermuthlich<lb/> neben derjenigen gewisser Zeitnngsredaetionen noch sehen lassen kann. Wir<lb/> wollen hier keine Petersburger Exempel vorrechnen, obwohl es so schwer nicht<lb/> wäre. Es genügt, den einen Factor zu erwähnen, daß man in Petersburg an-<lb/> nimmt, Frankreich könne nicht stillsitzen, wenn Rußland vorgehe; denn wenn<lb/> Frankreich der Niederlage Rußlands zusehen wolle, wer bürge ihm nachher für<lb/> den Restseiner Selbständigkeit? Das Exempel ist falsch, sogar abgeschmackt,<lb/> wenn man seine Voraussetzungen an die wirkliche Lage der Dinge hält. Aber<lb/> wenn das wirkliche Bild der Dinge allen Menschen, oder auch uur allen ein-<lb/> flußreichen Menschen, immer gegenwärtig wäre, dann wäre das Paradies auf<lb/> Erden längst erschienen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1421" next="#ID_1422"> Halten wir uns nicht länger bei den Thoren auf, welche meinen, die Thor¬<lb/> heit, wie sie sie begreifen, sei keine Macht in den Begebenheiten der Weltge¬<lb/> schichte. Es giebt eine Partei in Rußland, welche im Kriege trotz alledem und<lb/> alledem die Rettung, die einzige Rettung des Staats erblickt. Aber diese Partei</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0486]
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pontische Vnefe.
6. Die nihilistischen Attentate.
Die cultivirten Nationen Europas sind überall mit schwierigen Problemen
der Organisation von Staat und Gesellschaft, recht eigentlich also mit Friedens¬
arbeiten beschäftigt. Ueberall wird demgemäß das Friedensbedürfniß mit einer
wahren Sehnsucht empfunden, und wenn in Frankreich auch alle Köpfe einig
sind, daß man bei der jetzigen äußere» Machtstellung des Staates sich nicht
beruhigen könne, so denkt man doch für den Wiedergewinn der gebietenden
Stellung Frankreichs in Europa schwerlich an heute und morgen. Die Störung
der augenblicklichen Friedenszuversicht geht von Rußland aus. Seit vorigem
Sommer ist das Geheimniß in die Öffentlichkeit gedrungen und endlich zur
bekannten Thatsache geworden, daß die panslawistische Partei in Rußland, welche
zu ihren Führern Minister und Großfürsten zählt, auf einen Krieg gegen Deutsch¬
land drängt, als das Mittel, die Revolution zu bannen, den Thron der Zaren
zu retten und mit neuem Glänze zu umgeben. Auf deutschen Zeitungsredactionen
sitzen freilich kluge Leute, welche solche Pläne für unmöglich halten; denn — so
argumentire die Klugheit dieser Herren — nachdem Rußland die Erfahrung
gemacht, daß es kaum die Türken besiegen konnte, wird es sich doch nicht an
das erprobteste Heer Europas wagen. Die thörichtste Klugheit ist jedoch, alle
Anderen für klug und zwar nach dem Maße des eigenen Kopfes zu halten.
Die russische Kriegspartei wird ihre aparte Klugheit haben, die sich vermuthlich
neben derjenigen gewisser Zeitnngsredaetionen noch sehen lassen kann. Wir
wollen hier keine Petersburger Exempel vorrechnen, obwohl es so schwer nicht
wäre. Es genügt, den einen Factor zu erwähnen, daß man in Petersburg an-
nimmt, Frankreich könne nicht stillsitzen, wenn Rußland vorgehe; denn wenn
Frankreich der Niederlage Rußlands zusehen wolle, wer bürge ihm nachher für
den Restseiner Selbständigkeit? Das Exempel ist falsch, sogar abgeschmackt,
wenn man seine Voraussetzungen an die wirkliche Lage der Dinge hält. Aber
wenn das wirkliche Bild der Dinge allen Menschen, oder auch uur allen ein-
flußreichen Menschen, immer gegenwärtig wäre, dann wäre das Paradies auf
Erden längst erschienen.
Halten wir uns nicht länger bei den Thoren auf, welche meinen, die Thor¬
heit, wie sie sie begreifen, sei keine Macht in den Begebenheiten der Weltge¬
schichte. Es giebt eine Partei in Rußland, welche im Kriege trotz alledem und
alledem die Rettung, die einzige Rettung des Staats erblickt. Aber diese Partei
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