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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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nach vielen Bedenken -- erklärten sich einverstanden und verfaßten sogar den
auf die Aenderung bezüglichen Antrag, der am 29. Januar nach Rom abging.

Inzwischen waren Bunsen schwere Bedenken gegen seinen eigenen Plan
aufgestiegen, besonders genährt durch die Gewinnung der frischen Kräfte eines
Braun - der im Januar 1835 das Prosecretariat und die Redaction des
LuIIertwo übernahm --, eines Joh. Franz, Gust. Kramer und Urlichs, und
dnrch die erregten Gegenvorstellungen der Pariser Mitglieder, namentlich Luynes'
und de Witte's. Beide befürchteten den Rücktritt sämmtlicher französischer Mit¬
arbeiter und einen starken Verlust an französischen Subscribenten, ans deren
Beiträgen nahezu allein die ersten drei Jahrgänge der Annalen und Monumente
hergestellt waren. Luynes, leicht erregbar, erblickte in dem Beschluß sogar eine
Feindseligkeit gegen die französische Section und erklärte seinen Austritt, schrieb
auch zugleich nach Berlin, daß er, um die gemeinsame Thätigkeit der französi¬
schen Kollegen aufrecht zu erhalten, eine ganz unabhängige Section in Paris
zu bilden und eine Svnderpnblikation zu veranstalten gedenke. Gerhard und
Panofka riethen davon ab, indem sie in einem Briefe vom 4. April das Pro-
ject mit dem Abfall einer Colonie von der Mutterstadt verglichen. Um die
unheilvolle Spaltung womöglich zu beschwören, legte Bunsen am 6. Mai den
Directionsmitgliedern einen Neformplan vor. Er wollte, daß das Institut aus
einer Sammelstelle des neuen archäologischen Stoffes zu einem Centrum für die
Abbildung und Beschreibung aller vorhandenen antiken Monumente, nach ihren
Gattungen geordnet, gemacht werde. Es sollte so ein archäologischer Katalog
im größten Maßstabe und denkbarster Vollständigkeit hergestellt werden, an dem
eine unbegrenzte Zahl von Mitarbeitern, jeder auf seinem Felde, thätig sein
könne, und der nach seiner Schätzung ungefähr fünfzig Folio-Bände umfassen
werde. Die Leitung sollte weder in Berlin noch in Paris, sondern in Rom
concentrirt und zwei besoldeten Redacteuren übertragen werden, an welche die
auswärtigen Mitglieder ihre Beschreibungen selbstgewählter oder von der Direc-
tion ihnen angewiesener Gegenstände zu senden hätten, indem sämmtliche Publi¬
kationen in Rom geschehen sollten.

Nachdem das fruchtbare aber tief einschneidende Project von den römischen
Mitgliedern angenommen war, ging es am 8. Mai in der Form eines Ulti¬
matums uach Berlin und einige Tage später nach Paris ab. Gerhard und
Panofka, denen die allmähliche Erstattung ihrer Geldopfer zugesagt wurde,
gingen, um den Bestand des Ganzen nicht zu gefährden, auf die bedeutende
Schmälerung ihrer Stellung ein und erklärten, "sie würden nicht zögern, ihre
Stellung (als Secretäre) niederzulegen, sobald ihre Forderungen realisirt und
ihnen würdige Nachfolger vorgeschlagen sein würden", Luynes antwortete kühl
und skeptisch, er glaube uicht an den Erfolg des neuen Planes. Um trotzdem


nach vielen Bedenken — erklärten sich einverstanden und verfaßten sogar den
auf die Aenderung bezüglichen Antrag, der am 29. Januar nach Rom abging.

Inzwischen waren Bunsen schwere Bedenken gegen seinen eigenen Plan
aufgestiegen, besonders genährt durch die Gewinnung der frischen Kräfte eines
Braun - der im Januar 1835 das Prosecretariat und die Redaction des
LuIIertwo übernahm —, eines Joh. Franz, Gust. Kramer und Urlichs, und
dnrch die erregten Gegenvorstellungen der Pariser Mitglieder, namentlich Luynes'
und de Witte's. Beide befürchteten den Rücktritt sämmtlicher französischer Mit¬
arbeiter und einen starken Verlust an französischen Subscribenten, ans deren
Beiträgen nahezu allein die ersten drei Jahrgänge der Annalen und Monumente
hergestellt waren. Luynes, leicht erregbar, erblickte in dem Beschluß sogar eine
Feindseligkeit gegen die französische Section und erklärte seinen Austritt, schrieb
auch zugleich nach Berlin, daß er, um die gemeinsame Thätigkeit der französi¬
schen Kollegen aufrecht zu erhalten, eine ganz unabhängige Section in Paris
zu bilden und eine Svnderpnblikation zu veranstalten gedenke. Gerhard und
Panofka riethen davon ab, indem sie in einem Briefe vom 4. April das Pro-
ject mit dem Abfall einer Colonie von der Mutterstadt verglichen. Um die
unheilvolle Spaltung womöglich zu beschwören, legte Bunsen am 6. Mai den
Directionsmitgliedern einen Neformplan vor. Er wollte, daß das Institut aus
einer Sammelstelle des neuen archäologischen Stoffes zu einem Centrum für die
Abbildung und Beschreibung aller vorhandenen antiken Monumente, nach ihren
Gattungen geordnet, gemacht werde. Es sollte so ein archäologischer Katalog
im größten Maßstabe und denkbarster Vollständigkeit hergestellt werden, an dem
eine unbegrenzte Zahl von Mitarbeitern, jeder auf seinem Felde, thätig sein
könne, und der nach seiner Schätzung ungefähr fünfzig Folio-Bände umfassen
werde. Die Leitung sollte weder in Berlin noch in Paris, sondern in Rom
concentrirt und zwei besoldeten Redacteuren übertragen werden, an welche die
auswärtigen Mitglieder ihre Beschreibungen selbstgewählter oder von der Direc-
tion ihnen angewiesener Gegenstände zu senden hätten, indem sämmtliche Publi¬
kationen in Rom geschehen sollten.

Nachdem das fruchtbare aber tief einschneidende Project von den römischen
Mitgliedern angenommen war, ging es am 8. Mai in der Form eines Ulti¬
matums uach Berlin und einige Tage später nach Paris ab. Gerhard und
Panofka, denen die allmähliche Erstattung ihrer Geldopfer zugesagt wurde,
gingen, um den Bestand des Ganzen nicht zu gefährden, auf die bedeutende
Schmälerung ihrer Stellung ein und erklärten, „sie würden nicht zögern, ihre
Stellung (als Secretäre) niederzulegen, sobald ihre Forderungen realisirt und
ihnen würdige Nachfolger vorgeschlagen sein würden", Luynes antwortete kühl
und skeptisch, er glaube uicht an den Erfolg des neuen Planes. Um trotzdem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/426>, abgerufen am 23.07.2024.